Einblicke in frühere Reichsbahndirektion

von 7. September 2009

(ens) Zum Tag des offenen Denkmals am 13. September sind in Halle (Saale) über 30 Denkmäler wie Peißnitzhaus, Ehemalige kaiserliche Oberpostdirektion, Müller-Stift und Wasserturm Nord für Besucher geöffnet. Das Landesverwaltungsamt öffnet nach den umfangreichen Renovierungsarbeiten vor zwei Jahren die Türen seines neuen Hauptsitzes in der Ernst-Kamieth-Straße 2 und gewährt einen seltenen Blick in das unter Denkmalschutz stehende Verwaltungsgebäude und einen ebenso seltenen Blick hinter die Kulissen einer Verwaltung.

Über das ehemalige Gebäude der Königlichen Eisenbahndirektion und jetzigen Hauptsitz des Landesverwaltungsamtes gibt es eine Vielzahl spannender historischer, architektonischer und bauhistorischer Fakten, die für die interessierte Öffentlichkeit zusammengetragen wurden. Führungen gibt es um 11, 13 und 15 Uhr – man kann aber auch auf eigene Faust zwischen 10:00 Uhr und 18:00 Uhr die Ergebnisse der teilweise aufwendigen Restaurationsarbeiten besichtigen.

Auf Seite 2 erfahren Sie Näheres zur Geschichte des Hauses.

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Geschichte des Hauses

Am 1.4.1895 wurde die Königliche Eisenbahndirektion Halle an der Saale gegründet.

Das Streckennetz umfasste zu diesem Zeitpunkt 1900 Kilometer. Verkehrspolitisch war Halle zu dieser Zeit eine wichtige „Drehscheibe“ Preußens, kreuzten sich doch hier wichtige Verbindungen zwischen Schlesien und den westlichen Provinzen mit den Nord-Süd-Routen von Magdeburg und Berlin nach Süddeutschland.

Die Pläne für den zwischen 1901/02 errichteten, damals größten Verwaltungsbau der Stadt Halle stammen aus dem Jahr 1899 und sind von Regierungs- und Baurat Eduard August Wilhelm Fürstenau. Der Baumeister Eduard August Wilhelm Fürstenau (1862 Marburg – 1938 Berlin) war 1890 in den preußischen Staatsdienst eingetreten. Er war Regierungs- und Baurat und leitete ab 1905 das technische Büro der Hochbauabteilung im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin. 1916 berief man ihn an die preußische Akademie des Bauwesens. Er ging 1927 in Ruhestand und verstarb 1938.
Bekannt sind von ihm folgende Bauten: Synagoge in Dortmund 1900 (1938 zerstört); Strafgericht Berlin-Charlottenburg 1896-97; Synagoge Bielefeld 1902 (1938 zerstört); Oberverwaltungsgericht Berlin – Charlottenburg (mit weiteren Beteiligten innerhalb der Bauverwaltung) und die Königliche Akademie Posen 1905-1910.

Die das Quartier umgebenden Straßen wurden nach den Eisenbahnpionieren Maybach, Thielen und Budde benannt.

Der monumentale dreieinhalbgeschossige 1901/02 errichtete Putzbau erinnert mit seinen reichen Werksteingliederungen, den giebelbekrönten Eckrisaliten und dem beherrschenden Mittelrisalit an Renaissancebauten.

Über dem mittigen Haupteingang wurden an der Fassade, die Fenster des großen Sitzungssaales flankierend, auf Konsolen und unter Baldachinen Köpfe angebracht, die wohl in unmittelbarem Bezug zu den unter ihnen benannten Bezeichnungen stehen: Handel, Maschinenbau, Bergbau und Ackerbau.

Zum Handel auf der linken Seite gehört als – Gott der Händler – Merkur, der hier mit geflügeltem Helm und Stab dargestellt wird. Ganz rechts ist Ceres die Göttin des Ackerbaus zu sehen mit einem Ährenkranz und darunter symbolisch Sichel und Sense. Die beiden mittleren Figuren sind nicht eindeutig zu benennen. Es könnte für den Maschinenbau Aristoteles (384-322) abgebildet sein, der Hebel und Schraube als Maschinen definierte. Für den Bergbau steht vermutlich Georgius Agricola (1494-1555), der Mitte des 16. Jh. mehrere für den Bergbau entscheidende Werke, so das 1556 erschienene De re metallica libri XII. veröffentlichte und heute als Vater der Mineralogie gilt. Als Symbole finden bei ihm Schlägel und Eisen Verwendung.

In der heute leeren Kartusche im hohen Dreiecksgiebel darüber befand sich ursprünglich das Wappen des Königreiches Preußen.

Das opulente, weitgehend noch bauzeitlich erhaltene Haupttreppenhaus empfängt den Gast heute mit einem Bild von Günter Rechn aus dem Jahr 1979. Der 1944 in Lodz geborene Künstler studierte Gobelinwirkerei und Malerei in Halle an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein.

Doch bevor man die Treppe emporsteigt, fallen die polierten Säulen aus Granit auf, die im Erdgeschoss eine andere Farbigkeit aufweisen als im oberen Stockwerk. Sicherlich variierte darauf abgestimmt in den beiden Geschossen 1902 auch die Farbigkeit. Die historische Farbgestaltung vermittelt im 1. Obergeschoss vor dem großen Sitzungssaal ein Gewölbe mit rekonstruierter Ausmalung. Kleine freigelegte Bereiche in den daneben anschließenden Kreuzgewölben zeigen die bauzeitliche, d.h. die Reste der originalen Ausmalung.

Neben dem bauzeitlich erhaltenen Treppenhaus sind im großen Sitzungssaal noch die Fenster und die stuckierte Decke erhalten.

In den Jahren von 1929 bis 1938 wurde das Gebäude erweitert, um dem erweiterten Platzbedarf zu entsprechen. In der Aussengestaltung passen sich diese Anbauten dem historischen Kernbau an, hier jedoch mit moderner Innenarchitektur. Besonders das „Runde Treppenhaus“ ist in der Anlage noch der Frühmoderne der 20er Jahre verhaftet. Die Kelleranlagen dieses Bereiches sind von vornherein auf Luftschutzzwecke ausgerichtet. Im Krieg selbst blieb der Bau bis auf zwei durch Brandbomben verursachte Dachstuhlbrände von weiteren Zerstörungen verschont.