Ethische Fragen im Umgang mit Stasi-Akten

von 20. März 2010

Wie kann man es schaffen, dass sich Betroffene und Mitarbeiter des ehemaligen Stasi-Systems näher kommen? Warum ist dies so wichtig? Welche verschiedenen moralischen Meinungen muss man dabei berücksichtigen?

Christop Kleemann, ehemaliger Außenstellenleiter des Bundesarchives für Unterlagen der Stasi in Rostock, versuchte diese Fragen am Donnerstag Abend in der Universitäts- und Landesbibliothek in einem Vortrag zu beantworten. Eingeladen worden war er von der Außenstelle Halle der Stasiunterlagenbörde und der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.

Mit ganz persönlichen Geschichten konnte Kleemann in seinem Vortrag dabei ein Gefühl davon vermitteln wie schwarz-weiß die Gesellschaft in der Regel die Opfer und Täter betrachtet. Wie wenig Verständnis erstmal aufkommt, wenn sich mit den Mitarbeitern der Stasi ernsthaft auseinandergesetzt wird. Aber auch wie der Einblick in die Stasiakten das Weltbild einiger Opfer völlig außer Fugen geraten lässt. Da war beispielsweise eine Ärztin, die sich Anfang der 1990er das Leben nahm, als sie in ihrer Akte erfahren hatte warum sie jahrelang in psychiatrischer Behandlung gewesen war. Sie dachte sie leide an Wahrnehmungsstörungen. Allerdings war in der Realität die Stasi in regelmäßigen Abständen in die Wohnung der Ärztin eingedrungen und hatte Möbel oder Gegenstände verrückt.

Kleemann hält den Dialog zwischen den Fronten für erforderlich so lange er noch möglich ist. Er fordert politische Organisationen wie Stiftungen auf eine Plattform für eine sensible Zusammenführung von Betroffenen und Mitarbeitern zu schaffen. Dabei hofft er auf einen Prozess der Vergebung und des wachsenden Verständnisses für die Gegenseite, damit die Aufarbeitung der DDR weiter vorankommt.