Faulmannstraße erhält Zusatzschilder

von 12. Juli 2009

Die Faulmannstraße, am Landrain im Nordosten von Halle (Saale), nahe am Gertraudenfriedhof gelegen, wurde auf Betreiben des Kurzschriftverbandes Sachsen-Anhalt 1931 nach dem in Halle geborenen Schriftforscher und Kurzschrifterfinder Karl Faulmann benannt. Im Rahmen des Projekts „Bildung im Vorübergehen“ versieht die Bürgerstiftung Halle jeden Monat Straßenschilder mit zusätzlichen Informationsschildern, die Auskunft über die Namensgeber der Straßen geben sollen. Auf diese Weise wird am Dienstag Johann Christoph Karl Faulmann geehrt. Gespendet wurden die Schilder von Frau Dr. Martina Emsel, deren Eltern in der Faulmannstraße wohnen.

Initiatorin des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ ist Frau Ingeborg von Lips. Das Projekt wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch das Kulturbüro Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle sowie das hallesche Stadtarchiv.

Hintergrund zu Faulmann
Johann Christoph Karl (häufig auch Carl) Faulmann wurde am 24. Juni 1835 in Halle im Haus Geiststraße 1188 (später Nr. 10) geboren. Sein Geburtshaus wurde leider im Zuge der Rekonstruktion des Viertels abgerissen. Er war der dritte Sohn eines Handarbeiters und wuchs in tiefer Armut auf. Der Vater starb bereits, als der Junge vier Jahre alt war. Die Mutter brachte die Familie als Waschfrau durch. Es wurde ihm gestattet, die Zeit, die der ältere Bruder in der Schule am Petersberg (heute Universitätsring) verbrachte, ebenfalls dort zuzubringen, so dass er die Grundlagen des Lesens und Rechnens spielend mit erlernte. Als er sechs Jahre alt war, bekam die Mutter eine Stelle als Bettfrau im Pädagogikum, dem mit Internat verbundenen Gymnasium für Adlige der Franckeschen Stiftungen. Hier wurde ihm ein Freiplatz in der Elementarschule zugestanden. Aus den Büchern, die die Schüler des Pädagogikums nach ihrem Abgang den Bettfrauen zum Weiterverkauf überließen, baute er sich nach und nach eine kleine Bibliothek auf. Auch auf der Bürgerschule, wo er Latein und Französisch lernte, gewährte man ihm einen Freiplatz. Als die Mutter 1848 ihre Stelle verlor, gab er jedoch die Möglichkeit, ins Obergymnasium aufzusteigen, zugunsten einer Lehrstelle auf.

1848 begann er mit der Schriftsetzerlehre in der Halleschen Verlagsdruckerei Gebauer-Schwetschke. In seiner fünfjährigen Lehrzeit, die durchaus von Entbehrungen und Krankheit gezeichnet war, begann er mit seinen – wie er selbst es bezeichnete – “orientalischen Studien”. Das Setzen griechischer, hebräischer und arabischer Wörter, das von Spezialisten vorgenommen wurde, weckte seinen Ehrgeiz. Er betrieb ein ausgiebiges Selbststudium, zum Beispiel anhand von Ballhorns Alphabet der orientalischen Sprachen oder Gesenius’ hebräischer Grammatik. Als er eine englische Grammatik zu setzen hatte, gelang es ihm, unentgeltlichen Unterricht vom Verfasser zu erhalten. Ebenfalls kam er hier erstmals in Kontakt mit der “Anleitung zur Stolzeschen Stenographie” und erlernte später im Selbststudium die Gabelsbergersche Stenographie.

1853 wurde er zum Gehilfen freigesprochen. Da die Auftragslage sich wegen des Krimkrieges 1854-56 dramatisch verschlechterte, wurde er als jüngster Gehilfe mehr oder weniger genötigt, auf Wanderschaft zu gehen. Nach mehrmonatigerm Umherziehen fand er eine erste Anstellung in Koburg, von wo aus er ein schriftliches Stellungsgesuch an den Münchener Stenographen-Zentralverein schickte. Dieser bekundete großes Interesse daran, “einen der Stenographie kundigen Schriftsetzer in München zu haben”. In München arbeitete er zunächst in der Druckerei Franz. Hier prüfte er im Auftrag des Stenographen-Zentralvereins die Möglichkeit, Typen für die Gabelsbergersche Kurzschrift herzustellen. Trotz anfänglicher Zweifel – schon bestehende Typen für das Stolzesche System der K.K. Hof- und- Staatsdruckerei, die er auf der Weltausstellung gesehen hatte, erwiesen sich als zu groß und ungelenk – fand er einen Weg. Sein Entwurf, nach welchem nur etwa 700 Typen notwendig waren (nur etwa halb so viel wie für das Stolzesche System), um sämtliche stenographischen Wörter nach Gabelsbergers System setzen zu können, wurde dem “Zentralverein der Stenographen des österreichischen Kaiserstaates zu Wien” vorgelegt. Als Antwort erhielt Faulmann die Einladung, an die Staatsdruckerei zu kommen, um die Ausführung zu überwachen.

In Wien wandte er sich nun vollständig der Stenographie zu und entfaltete eine umfassende Lehr- und Forschungstätigkeit. Er arbeitete als Lehrer für Stenographie an den höheren Schulen, der Theresianischen Ritterakademie und der Universität. 1859/60 übernahm Faulmann praktisch den gesamten Unterricht in Wien. 1868 wurde er Mitglied der staatlichen Prüfungskommission für das Lehramt der Gabelsberger-Stenographie, 1878 Lektor für Stenographie an der Wiener Universität.

Im Wiener Stenographie-Zentralverein arbeitete er an der Frage der Vereinfachung des Gabelsbergerschen Systems mit und stellte ein eigenes Kurzschriftsystem, die sogenannte Phonographie, auf. Dieses nach ihm benannte Stenographiesystem hatte zeitweise in Österreich und in Süddeutschland weite Verbreitung gefunden und übte nachhaltigen Einfluss auf die folgenden Systeme, vor allem auf Stolze-Schrey und damit auf die heute amtlich eingeführte deutsche Einheitskurzschrift, aus. Insofern kann Faulmann neben Gabelsberger und Stolze als einer der Väter des deutschen Einheitssystems bezeichnet werden.

Außerdem war Faulmann ein vielseitiger Schriftsteller auf dem Gebiet der Schriftforschung, des Druckereiwesens und der Kulturgeschichte. Über 40 Werke von ihm erschienen in Buchform. Das bekannteste ist wohl seine umfängliche “Illustrierte Geschichte der Schrift. Eine „populärwissenschaftliche Darstellung der Entstehung der Schrift, der Sprache und der Zahlen sowie der Schriftsysteme aller Völker der Erde” (1880), damals eine große Leistung, wenn auch heute überholt und wissenschaftlich nicht haltbar. Ebenfalls erwähnen muss man die “Illustrierte Geschichte der Buchdruckkunst” (1882), das “Handbuch der Buchdruckerkunst für Schriftsetzer und Korrektoren” (1884), die “Illustrierte Kulturgeschichte” (1882), das “Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache” (1893) sowie eine Vielzahl stenographischer Fachbücher.

Für die auf der Weltausstellung in Wien ausgestellten stenographischen Typen erhielt Faulmann mehrereVerdienstmedaillen, der bayerische König verlieh ihm den Orden vom Heiligen Michael. Kaiser Franz Josef ernannte ihn 1884 für seine wissenschaftlichen Verdienste zum Professor.

Faulmann starb am 28. Juni 1894 in Wien. Von den elf Kindern aus seiner Ehe mit Karoline Schmid überlebten ihn nur fünf.

Quellen:

Allgemeine Deutsche Biographie, hrsg. v. d. Historischen Kommission bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904)

Stadtarchiv, Signatur FA 1449

Piechocki, Werner: Vom Setzerlehrling zum großen Gelehrten, in: Der Neue Weg, Nr. 210-222, 1985.

Faulmann, Karl: Vom Setzerlehrling zum Professor. Ein vergessener Hallenser erzählt aus seiner Jugend. Aus Faulmannscher Stenographie übertragen von Karl Schmidt, in: Hallische Nachrichten, Nr. 83-93, 1932.

Schmidt, Karl W.: Professor Karl Faulmann, ein vergessener Hallenser, in: Mitteilungen aus dem Verein für Heimatkunde Halle und Umgebung, Nr. 3, 1932.

Carl Faulmann und Gebauer Schwetschke, Druck zur Carl-Faulmann-Feier in der Firma Gebauer Schwetschke am 18. Dezember 1941.