Interview mit Maika Kraemer

von 5. Dezember 2011

[i]Betritt man Maikas Wohnung, wird man von einer netten und sympathischen jungen Frau empfangen, deren Kreativität direkt auf den Besucher einprasselt. An der mit Filmpostern gepflasterten Wand vorbei schreitet man ins kleine Wohnzimmer, dass bereits kleine Hinweise auf ihr großes Talent zur Verfügung stellt. Dann beginnt Sie zu erzählen, und wir erfahren von Ihrem Studium an der Burg Giebichenstein, der morbiden Kunst und rosa Gehirn-Handtaschen.[/i][b]Maika, Sie studieren, kellnern im Black Angel, gehen zum Keysi Fighting Method, organisieren verschiedene Events und wollen nebenbei noch soziale Kontakte aufrecht erhalten. Wie bleibt da noch Zeit für die Kunst?[/b]Das Kunststudium an der Burg ist Gott sei Dank ein sehr freies Studium; ich kann mir die Zeit vorwiegend selbst einteilen und die Themen frei wählen. Daher bin ich manchmal wochenlang nur mit Leben und Arbeiten beschäftigt, zeichnen kann ich dann kaum. Ich sammle eher Eindrücke, die ich dann später, in meiner kreativen Phase, verarbeite. In einer solchen Phase bekommt mich dann erstmal eine ganze Weile niemand zu Gesicht (lacht). Ich zeichne dann Tag und Nacht durch und versuche meine angestaute Produktivität möglichst vielfältig auf Papier oder auch Leinen zu bringen. Freunde kommen leider oft zu kurz. Wenn man oft am Wochenende abends kellnert und nie Zeit hat, fragen die meisten irgendwann gar nicht mehr nach. „Die hat ja eh nie Zeit!“ [b]So ist das wohl. Was schaffen Sie denn alles so in einer solchen kreativen Phase?[/b]Meistens arbeite ich mit englischem Schabkarton. Bunte Zeichnungen finde ich meistens zu grell und abschreckend; Der Schwarz-Weiß-Stil ist bescheidener aber doch lebendiger, finde ich. Es erzielt eine viel größere Wirkung, ohne aufdringlich zu sein. [b]Und wann genau haben Sie die Kunst für sich entdeckt?[/b][b][/b]Schon seit der 5. Klasse war es mein größter Traum, Modedesignerin zu werden. Von da an habe ich in jeder freien Minute gezeichnet. Und als ich später gemerkt hab, dass meine Noten zu schlecht für ein Studium sind, habe ich hart gearbeitet um meinen Schnitt zu verbessern und habe Kunst als Leistungskurs gewählt.[b]Woher nehmen Sie denn die Inspiration?[/b]Aus dem Leben, aus alltäglichen Dingen und Erfahrungen, teilweise auch grenzwertigen Erfahrungen. Ich bin ziemlich neugierig und beobachte alles, was um mich herum passiert und lasse mich davon anregen. Dinge, die andere vielleicht übersehen, betrachte ich ganz genau und versuche sie später festzuhalten, auch wenn das, was dabei raus kommt, oft etwas ganz anderes darstellt. Als Inspirationsquelle dienen mir aber auch Felix Vallotton, Aubrey Beardsley, Helena Bonham Carter und die Atmosphäre aus Zombiefilmen.  [b]Wie setzen Sie denn dabei Ihre Schwerpunkte?[/b]Beim Menschen. Der Mensch und sein Wesen ist für mich das Interessanteste überhaupt. Am liebsten illustriere ich die Abarten des Menschen, vor allem Dinge, die meist von der Gesellschaft gar nicht als „abartig“ verrufen werden, es aber auf den zweiten Blick sind. Oft sehe ich in den alltäglichsten Dingen morbide Szenarien, die meine Sammlung bereichern könnten. (grinst) Ich versuche in meinen Werken die Abgründe der menschlichen Psyche einzufangen. Psychisch Kranke und sogar Serienmörder waren bereits Mappenthemen für mich. Meistens habe ich beim Zeichnen eine bestimmte Geschichte im Kopf, ob die dann wirklich beim Betrachter ankommt ist aber egal. Ein Gesicht kann so viele Geschichten erzählen! Ich gebe meinen Bildern auch nur selten einen Titel, sodass mein „Publikum“ freien Interpretations-Spielraum hat. [b]Gab es auch schon mal negative Reaktionen auf Ihre Kunst?[/b]Außer dass ich bei der Jahresausstellung der Burg noch nicht ein einziges Bild verkauft habe, und manche Leute meine Zeichnungen nur mit „Typisch Grufti!“ belächeln, nicht, nein. [b][/b][b]Haben Sie selbst denn gegen irgendwas Bestimmtes eine besondere Abneigung?[/b]Intoleranz! Ich finde es furchtbar, wenn mich irgendjemand anstarrt anstatt einfach zu fragen, warum ich so aussehe. Wobei Aussehen generell total überbewertet wird, ich habe schon so viele skurril wirkende Menschen getroffen, die viel netter sind als man sie einschätzt. Mann muss sich erstmal wirklich mit jemandem unterhalten, um über ihn zu urteilen. Ist zumindest meine Meinung. Ich hasse diese Starrköpfigkeit; vor allem Engstirnigkeit, die man aber leider in allen Generationen, Schichten und Szenen findet. Und ich hasse Langeweile! Muss immer beschäftigt sein. Es nervt mich auch wenn jemand dann versucht mich zu bekehren, anstatt mich zu verstehen. Ich laufe ja auch nicht durch die Gegend und versuche den Leuten meine Lebenseinstellung aufzuzwingen. [b]Kommt es denn auch vor, dass Ihnen eigene Kreationen gar nicht gefallen?[/b]Oh ja, etwa 50% meiner Bilder bekommt kein Mensch zu sehen. [b]Und die, die Ihnen gefallen haben, haben sie bei Ihrer Partyhate-Ausstellung im August 2011 veröffentlicht?[/b]Nein, bei „Art that will not entertain you“ waren natürlich nur ausgewählte Stücke zu sehen. Unter anderem lief eine Installation mit Gehirnen, Herzen und Lebern , die ich aus Gips gegossen und mit Spotlight angestrahlt hatte. Die Ausstellung war an sich ziemlich stimmig, ich musste auch lange suchen, bis ich eine Location gefunden hatte, bei der Licht, Größe und vor allem Atmosphäre gepasst haben. Die Villa Musikcdrome war dann mein Favorit. [b]Was soll Ihnen die Zukunft denn noch so bringen?[/b]Meine persönlichen Zukunftspläne visieren 3 Bereiche an: Zuerst ist es natürlich mein Wunsch, mit der Kunst irgendwann meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Außerdem möchte ich mich weiterhin dem Eventmanagement widmen. Ich möchte nicht mehr hinterm Tresen stehen! Sondern planen und ein bisschen mehr erleben. Und dann ist da noch das Label „Schädelbasisbruch“, das ich rausbringen will, in Arbeit. Momentan werkele ich an ein paar Handtaschen, die zur Hälfte aus rosa Gehirnschalen bestehen. Ich liebe diese Mischung aus Kitsch und Morbidem. Kitsch hat ja eigentlich in der Kunst nix verloren, aber bei „Schädelbasisbruch“ kann ich mich frei austoben. Ich werde viel mit Latex und Leder arbeiten; mache also hauptsächlich Masken und Kostüme. [b]Zum Abschluss die obligatorische Frage: Maika Kraemer, wie definieren Sie Kunst??[/b]Kunst ist für mich nicht nur ein Bild, sondern auch die Stimmung, die es vermittelt, und in der es präsentiert wird. Sie schließt also unheimlich viele Faktoren ein: Licht, Akustik des Raumes, Musik, ja sogar Geruch. Kunst ist für mich kein Bild, sondern eine Inszenierung, bei der alles passen muss.