Jeder kann irgendetwas – Gemeinsam Verantwortung tragen

von 15. November 2012

Im ersten Teil des Fachtages kamen Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Berufsschule und Landesverwaltung zu Wort.
Jens Antefuhr vom Kultusministerium stellte klar „Jeder kann irgendetwas“. Der Erfolg von Schule hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit der Wirtschaft hänge stark von den handelnden Menschen ab. Sind diese engagiert, funktioniere auch die Zusammenarbeit gut. Hier gelte es, Prozesse zu standardisieren, gerade in Verbindung mit Betriebspraktika. Den Schülerinnen und Schülern muss im Praktikum die Möglichkeit gegeben werden, tatsächlich reale Arbeitsbedingungen kennen zu lernen und nicht nur für Hilfsarbeiten verbraucht zu werden. Die entsendenden Schulen müssten sich in die Auswahl und Begleitung des Praktikums mehr einbringen. Insgesamt müsse der Zuständigkeitsdschungel, wer alles auf die Schulen und die Schüler wirkt, entwirrt werden.

Alexander Treizel vom Bundesverband Mittelständische Wirtschaft beschrieb den stattfindenden Paradigmenwechsel, der bei der Suche nach Ausbildungsplätzen stattgefunden hat. Inzwischen müssen sich die Unternehmen möglichst attraktiv anbieten, um Auszubildende zu finden, nicht mehr umgekehrt. Die Berufsorientierung müsse eine qualifiziertere Rolle in den Schulen einnehmen. Derzeit seien die Lehrer mit dieser Aufgabe überfordert, weil sie gar keinen Bezug zur Wirtschaft hätten. Ein regelmäßiges verbindliches Betriebspraktikum für Lehrer, wie bereits in einigen skandinavischen Ländern praktiziert, könnte dem abhelfen.

Gerhard Hyna von der Firma System-, Instandsetzung- und Service GmbH aus Bitterfeld-Wolfen brachte die Perspektive eines kleinen Unternehmens mit einigen Auszubildenden ein. Die Ausbildung kostet die Unternehmen eine 5-stellige Summe im Laufe der Ausbildungszeit. Darum haben sie ein besonderes Interesse daran, Jugendliche zu finden, die auch tatsächlich ausbildungsfähig sind und die Ausbildung auch erfolgreich beenden können. Er stellte die These auf: „Unsere Jugendlichen sind genauso gut, wie wir auch mal waren. Wir müssen nur einige Lücken schließen“. Er forderte eine grundlegende Überarbeitung der Lehrinhalte. Diese würden nicht mehr den heutigen Anforderungen in den Betrieben entsprechen. Für Jugendliche mit schlechteren Voraussetzungen sollte es die Möglichkeit einer Teilausbildung ähnlich der Werker-Ausbildung in der DDR geben, um auch ihnen einen Abschluss zu ermöglichen. Nach der theoriegeminderten Ausbildung und anschließendem praktischen Einsatz in den Unternehmen würden sie nach ein paar zusätzlichen praktischen Jahren ähnliche Fähigkeiten in ihrem speziellen Einsatzbereich erworben haben, wie die besser ausgebildeten Facharbeiter. Er selbst praktiziert mit seinem Unternehmen enge Kooperationsbeziehungen zu einer Sekundarschule, bereits lange vor Ausbildungsbeginn gäbe es gegenseitige Aktivitäten sowohl der Ausbilder in der Schule, als auch der Lehrer und Schüler in seinem Unternehmen. Mit seinen eigenen Auszubildenden führe er einmal pro Quartal eine Konferenz durch, wo er sich Sorgen, Vorschläge, Stimmungsbilder etc. von den Auszubildenden abholt, um dann möglichst die Bedingungen in seinem Unternehmen für die Auszubildenden weiter zu verbessern. Insgesamt wünscht er sich eine dichtere Informationskette, in der Projekte wie das aktuelle Xenos-Projekt oder auch andere Unterstützungsangebote auch bei den Unternehmen selbst bekannter gemacht werden.
Monika Hartkopp beleuchtete als Schulleiterin der BBS „Friedrich List“ in Halle die Perspektive der Berufsschulen. Sie stellte die insgesamt sinkende Anzahl der Schulabgänger dar, die sich natürlich auch auf die Anzahl der Schüler in den Bildungsgängen Berufsgrundjahr und Berufsvorbereitungsjahr widerspiegeln. Sie versuchte eine Erklärung zu finden für den scheinbar gesunkenen Zustand der Ausbildungsreife der Jugendlichen. Neben anderen Faktoren benannte sie ein gestiegenes Medienkonsumverhalten der Jugendlichen und dadurch eine Verzerrung der Wahrnehmung von Möglichkeiten für die Jugendlichen. Aber auch der sinkende Einfluss durch die Elternhäuser auf die Jugendlichen benannte sie als Teilursache.

In den anschließenden Workshops wurden zum Teil die in den Referaten benannten Problemfelder noch einmal tiefer bearbeitet. Hierbei diskutieren Vertreter der Berufsschulen, Schülervertreter und auch Unternehmer über ihre Vorstellungen einer gelingenden Berufsausbildung, auch für benachteiligte Jugendliche. Festzustellen ist ein großes gemeinsames Interesse, sich der Verantwortung für erfolgreiche Berufsausbildungen auch gemeinsam zu stellen. Es braucht dazu noch praktikablere Kommunikationswege zwischen den Berufsschulen und den Unternehmen, so dass auch tatsächlich ein Austausch stattfinden kann über allgemeine Themen der Ausbildung wie Inhalte der Unterrichtsgestaltung, Möglichkeiten der flankierenden Unterstützung des Unterrichts durch die Unternehmen, aber auch über individuelle Probleme einzelner Berufsschüler. Noch einmal betont wurde die Notwendigkeit, Ausbildungsinhalte den veränderten Anforderungen der Berufsbilder anzupassen und auch die Unterrichtsgestaltung attraktiver zu machen.

Die Motivation der Auszubildenden unterscheide sich zum Teil gravierend in den praktischen Einsätzen zu den Berufsschulanteilen. Von Seiten der Schülervertretungen wurde angeregt, gerade für die benachteiligten Jugendlichen spezielle Formen der Ausbildung und Beschäftigung zu bieten. Die Unternehmer erklärten ihre Bereitschaft, auch diesen Jugendlichen Perspektiven in ihren Firmen anzubieten und dabei gern auf unterstützende Projekte wie das Xenos-Projekt, aber auch Leistungen der Kammern zurückzugreifen.
Neben der bereits am Projekt beteiligten IHK zeigte auch die Handwerkskammer ein großes Interesse an der Partizipation im Xenos-Projekt. In einem halben Jahr will man sich wieder zu einem Fachtag zusammen finden. Bis dahin werden an den einzelnen Punkten gearbeitet. Anfang des kommenden Jahres findet sich eine Arbeitsgruppe aus Berufsschulen und Unternehmen zusammen, um die angeregte Standardisierung von Praktika zum Nutzen aller Beteiligten auf den Weg zu bringen.

Nähere Infos zum Projekt unter www.xenos.wiki.de oder www.jw-frohe-zukunft.de