Johann Friedrich Naue

von 28. September 2021

Für seine Forschungen zur alten deutschen Musik und auf dem Gebiet der evangelischen Kirchenmusik erhielt er den Doktortitel der Universität Jena. Nun erhält die Nauestraße Zusatzschilder, die über den Namensgeber informieren.

Die Schilder wurden gespendet von der Robert-Franz-Singakademie Halle, deren Sänger*innen die Anbringung der Erläuterungsschilder zu Ehren ihres Gründers musikalisch begleiten.

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Johann Friedrich Naue (1787-1858)

Am 17. November 1787 wurde Johann Friedrich Naue als einziger Sohn des wohlhabenden Nadlermeisters Christoph Andreas Naue und seiner Frau Marie Magdalene in Halle geboren. Als Schüler der Latina in den Franckeschen Stiftungen war er auch Sänger des Stadtsingechores. Später hörte er an der halleschen Universität Vorlesungen über Ästhetik bei Prof. Johann Gebhard Ehrenreich Maaß (1766-1823). Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Berlin bei Felix Mendelssohn Bartholdy und bei Carl Friedrich Zelter, der ihm die Musik von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel näherbrachte und wo er die dort seit 1791 bestehende Sing-Akademie kennenlernte. Seine Studien setzte Naue in Halle bei Johann Friedrich Reichardt und Daniel Gottlob Türk fort, sowie in Prag und Wien, wo ihn Beethoven unterrichtete.

Friedrich Naue entwickelte sich zu einem Virtuosen auf der Orgel und dem Klavier. Er studierte ganze Bibliotheken alter deutscher Kirchenmusik und erwarb sich ein breites Wissen über verschiedenste klassische Werke, Kompositionsstile und musiktheoretische Fragen. Zugleich legte er sich eine eigene große Musikalien-Sammlung an, die er Sängern und Pianisten zur Ausleihe anbot und später an Studierende verloste. Die mittelalterlichen Handschriften aus seiner Bibliothek veräußerte er 1924 an das Musikalische Archiv der Königlichen Bibliothek Berlin, die dort einen der Grundstöcke der heutigen musikalischen Sammlung der Berliner Staatsbibliothek bildeten. Nach dem Tod Türks erhielt Friedrich Naue 1814 das Amt des Organisten an der halleschen Marktkirche und er wurde Leiter des halleschen Stadtsingechores. Ab 1815 war Naue Mitglied der Halleschen Freimaurerloge Zu den drei Degen.

Im Frühjahr 1814 gründete Friedrich Naue gemeinsam mit seinem Lehrer und späteren Stiefschwiegervater Prof. Maaß die hallesche Singakademie, die anfangs in der Wohnung des Professors probte. Ziel war der gemeinsame Gesang, die Pflege kirchlichen Liedgutes und „klassischer“ Musik sowie die Feier der Befreiung von der französischen Besetzung. Zur Feier des Geburtstages des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen am 3. August 1814 in der Domkirche trat die Singakademie erstmals öffentlich auf mit einer von den beiden Gründern verfassten und komponierten Kantate und religiösen Arien und Chören von Händel, einschließlich Händels „Halleluja“. Die Einnahmen des Konzertes waren für die im Krieg stehenden Soldaten und ihre Familien vorgesehen. In der Folge trat die Singakademie regelmäßig zur Feier des Geburtstages des Königs auf.

Im Oktober 1814 bewarb sich Friedrich Naue um das Amt des Universitätsmusikdirektors. Das entsprechende Ministerium war zwar bereits 1814 bereit, ihn als Universitätsmusikdirektor anzustellen, aber erst drei Jahre später – im März 1817 – wurde er offiziell, auch auf Empfehlung seines Berliner Lehrers Zelter in dieses Amt berufen. Zunächst musste er jedoch unentgeltlich arbeiten, da dafür keine Haushaltsmittel eingestellt waren. Im Dezember 1817 wurde ihm ein Lohn von 200 Talern gewährt. Zu seinen Aufgaben gehörte:

1) öffentliche Choralproben zu halten, die auch der Stadt Einnahmen brachten

2) mit den Studierenden Responsorien einüben, welche sie bei dem Universitätsgottesdienst vorgetragen haben

3) Vorlesungen über die Tonwissenschaft

4) Aufführung von Konzerten, eigene Kompositionen von Altargesängen und Responsorien

5) Herausgabe musikwissenschaftlicher Schriften

Als Universitätsmusikdirektor organisierte Naue weitere Festlichkeiten wie das Reformationsfest 1817 oder die Einweihung des Königlichen Universitätsgebäudes am 31. Oktober 1834, welche von der Singakademie musikalisch begleitet wurden. Jährlich zu Ostern veranlasste er die Aufführung der Passionskantate „Der Tod Jesu“ von Carl Heinrich Graun (1707-1759). Höhepunkt von Naues Wirken als Organisator waren die drei jeweils dreitägigen Musikfeste des Thüringisch-Sächsischen Musikvereins 1829 und 1835 in Halle, 1831 in Erfurt. Das erste dieser Musikfeste stand unter der künstlerischen Leitung des Berliner Musikdirektors Gaspare Spontini (1774-1851). 371 Mitglieder der Singakademie, darunter 9 Solisten, 195 Musiker im Orchester, verstärkt durch auswärtige Künstler, boten ein hochkarätiges Programm, u.a. mit Händels Oratorium „Samson“ und mit der 5. Sinfonie Beethovens.

Über den Winter veranstaltete Naue Abonnementkonzerte im Saal des Ratskellers oder im Saal des Gasthofs zum Kronprinzen. Namhafte Künstler seiner Zeit engagierte er in Halle, auswärtige Sänger und Sängerinnen, Virtuosen auf dem Klavier, der Klarinette, Fagott, Gitarre, Waldhorn, Violoncello und mehr. Die Sänger der Singakademie und Instrumentalmusiker der Stadt musizierten bei diesen Konzerten. Werke von Mozart, Haydn, Spohr, Carl Maria von Weber, Rossini, sowie auch ältere Werke, wie z.B. Palästrina, waren zu hören. Einen Teil der Einnahmen seiner Konzerte spendete Naue für gemeinnützige Zwecke, u.a. 1825 zugunsten der von Überschwemmungen heimgesuchten Anwohner der Nordsee, 1827 zur Errichtung des Franckedenkmals, 1831 für Waisenkinder, die ihre Eltern durch die Cholera verloren hatten und 1839 zugunsten der bei einem Wetterschaden in Weißenfels verarmten Familien.

Johann Friedrich Naue gab nebenbei Klavierunterricht, organisierte die vierteljährlichen Singumgänge der Chorsänger des Stadtsingechores, bei denen die Choristen durch die Straßen zogen und unter den Fenstern sangen und dafür von den Einwohnern Geld, Neujahrs- und Ostergeschenke empfingen, die in einem Chorkassenbuch vermerkt wurden. Einen weiteren Nebenerwerb hatte Naue im Amt des Königlichen Freitischinspektors der Franckeschen Stiftungen. Dieser hatte die Aufgabe, die verfügbaren Tischplätze für die Studierenden zu verteilen, die Bewerbungen darauf zu sichten, die Tischlisten zu veröffentlichen, die Marken auszustellen, die Einhaltung der Tischgesetze zu beaufsichtigen und die entsprechenden Wirtsrechnungen zu stellen. Dabei war er dem jeweiligen Kanzler rechenschaftspflichtig.

Mit seinen Kompositionen und der Veröffentlichung von Kirchengesängen versuchte Naue die protestantische Kirchenmusik zu reformieren. 1818 erschien sein Versuch einer musikalischen Agenda oder Altargesänge zum Gebrauch in protestantischen Kirchen. Für die Erforschung der historischen Grundlagen der protestantischen Liturgie erhielt er 1835 den Doktortitel der Universität Jena.

Mit der Organisation der zahlreichen Musikfeste und Konzerte hatte sich Johann Friedrich Naue finanziell übernommen. Im September 1855 gab er seine Arbeiten als Direktor des Stadtsingechores ab, wegen seines hohen Alters und des nachlassenden Augenlichts. Im Jahr darauf beendete er das Amt des Freitischinspektors. Er starb verarmt am 19. Mai 1858 in seiner Geburtsstadt.

Quellen:

Konstanze Musketa: Musikgeschichte der Stadt Halle: Führer durch die Ausstellung des Händelhauses. Halle 1998, S. 53 f.

Katrin Möller: Sangeskunst und bürgerschaftliches Engagement – 200 Jahre Singakademie Halle. Kulturfalter September 2014

Stadtarchiv Halle Familienarchiv FA 1421 Naue

Universitätsarchiv Halle-Wittenberg (UAHW, Rep 6, Nr. 822 – Verkauf bzw. Verlosung von Noten des Universitätsmusikdirektors Naue – 1821; UAHW, Rep 3, Nr. 525 Bericht über die Königl. Freitische … eingereicht im Oktober 1828; UAHW, Rep. 3, Nr.320 – Bestellung der Universitätsmusikdirektoren – 1763-1835)

Hallisches Patriotisches Wochenblatt, Digitalisat der ULB Halle-Wittenberg

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Hintergrund zum Projekt „Bildung im Vorübergehen“:

Viele hallesche Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte benannt, doch häufig wissen die Bürgerinnen und Bürger gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Deshalb stattet die Bürgerstiftung Halle im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ seit Juli 2008 monatlich eine Straße mit zusätzlichen Informationsschildern aus, die Auskunft über die NamensgeberInnen der Straße geben. Die Initiatorin und „Anstifterin“ des Projektes, Dr. Ingeborg von Lips, verbindet damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischen Persönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen.

Das Vorhaben fand von Anfang an eine breite Resonanz in der halleschen Bevölkerung und weit darüber hinaus. Alle ursprünglich von der BÜRGER.STIFTUNG.HALLE vorgeschlagenen Straßen und etliche weitere fanden innerhalb kurzer Zeit ihre „Schilderpaten“. Dabei melden sich nicht nur Hallenserinnen und Hallenser, sondern auch Nachfahren, die z. T. selbst noch nie in Halle waren.

Das Projekt wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch den Grafiker Bernd Schmidt, den Fachbereich Kultur der Stadt Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle, das hallesche Stadtarchiv sowie die Firma Horn Verkehrstechnik Halle. Eine aktuelle Liste der bereits in Vorbereitung befindlichen Straßen ist unter http://www.buergerstiftung-halle.de/bildung-im-voruebergehen/ abrufbar.