Lange gesuchter Teilnachlass in Franckeschen Stiftungen entdeckt

von 16. Dezember 2010

Lange hat man nach dem Nachlass des Londoner Hofpredigers Friedrich Michael Ziegenhagen gesucht. Auch Thomas Müller-Bahlke, heute Direktor der Franckeschen Stiftungen, hatte in seiner Studentenzeit Ausschau danach gehalten. Doch erst jetzt ist man fündig geworden. Ein Zufall war es, der die Forscher der Franckeschen Stiftungen auf die richtige Fährte lockte. 600 Archivmeter lagern hier im Archiv. In einigen dieser Kisten ist auch der Nachlass von Friedrich Wilhelm Pasche. Und genau darin fanden sich nach genauer Auswertung auch Teile des Nachlasses Ziegenhagens.

Darunter sind unter anderem 186 Predigten des Theologen, die er zu ausgewählten kirchlichen Feiertagen hielt. So finden sich unter anderem Passions-, Pfingst- und Bußpredigten wieder. Insgesamt handelt es sich um 412 Dokumente, die in elf Kartons entdeckt wurden.

Mit der Auswertung erhoffe man sich mehr über die Frömmigkeit und die internationalen Verbindungen der halleschen Pietisten zu erfahren, sagte Müller-Bahlke. Schließlich hatte Ziegenhagen von London aus die Verbindungen der Franckeschen Stiftungen nach Übersee koordiniert. Damals, als es noch keine Flugzeuge und Emails gab, eine besonders wichtige Aufgabe, konnte doch so ein Brief durchaus schon bis zu einem Jahr unterwegs sein. Doch wann das Datenmaterial genau ausgewertet wird, ist noch unklar. “Das können wir nur über ein Drittmittelprojekt finanzieren”, so der Stiftungs-Direktor.

Ziegenhagen wurde 1722 als 29-Jähriger direkt von seiner Stelle als Hausprediger beim Grafen von Platen in Linden bei Hannover nach London entsendet, um die Hofpredigerstelle bei Georg I. aus dem Hause der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg anzunehmen. Seine Position am Londoner Hof nutzte Ziegenhagen, um über 54 Jahre hinweg das weltweite Wirken August Hermann Franckes in Halle zu unterstützen. Tranquebar in Südindien, Philadelphia in Nordamerika, die Betreuung der Salzburger in Georgia – die von Halle entsendeten Missionare und Emissäre nahmen ihren Weg über London, hielten hier ihre Antrittspredigt und wurden begleitet mit Befürwortungschreiben oder förmlichen Berufungen des Hofpredigers an ihren Bestimmungsort ausgeschifft.

Zu Ziegenhagens Zeit als Hofprediger war mit Georg Friedrich Händel auch ein weiterer Hallenser in London. Ob die beiden etwas miteinander zu tun hatten, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Denn von Händel sind so gut wie keine privaten Schriften erhalten. Und der nun gefundene Teilnachlass Ziegenhagens enthält überwiegend Predigten. Auch hieraus wird sich nichts über eine Bekanntschaft ableiten lassen.

Ein Teil der Dokumente soll im kommenden Jahr in einer Ausstellung gezeigt werden.