Marc Mielzarjewicz : „Lost Places – Schönheit des Verfalls“

von 2. Oktober 2010

Der hallesche Fotograf Marc Mielzarjewicz (geb. 1971) hatte bereits vor zwei Jahren eine fotokünstlerische Bestandsaufnahme von stillgelegten Industrieruinen und maroden Baudenkmälern in der Saalestadt vorgenommen und sie mit einem fast archäologischen Blick festgehalten. Die Fotos belegen den ästhetischen Reiz, den sich selbst überlassene Industrieanlagen und Gebäude auf den Betrachter von heute ausüben können.

Nun hat der Mitteldeutsche Verlag eine erweiterte und aktualisierte Auflage des schnell vergriffenen Bildbandes herausgegeben. Darin wurden zusätzlich letzte Fotos vom Nordturm der Riebeck-Hochhäuser aufgenommen, dessen Abriss Ende August begonnen hatte.

Insgesamt 23 Objekte dieser versinkenden Welt hat Marc Mielzarjewicz in Schwarz-Weiss-Fotos dokumentiert, vom Schlachthof in der Freiimfelder Straße bis zur Freyberg-Brauerei an der Saale, von der Gießerei der Pumpenwerke bis zum Gasometer am Holzplatz. Fünf dieser Gebäude und Anlagen, die früher den industriellen Grundbestand der Saalestadt bildeten, sind bereits völlig abgerissen, wie die Berliner Brücke oder die Zuckerraffinerie am Thüringer Bahnhof.

Man merkt es diesen Fotoaufnahmen an, Marc Mielzarjewicz hat sich Zeit genommen. Neben großformatigen Fotos ganzer Fabrikgebäude zeigt er viele kleine beeindruckende Details aus dem Innern der Ruinen. Dem Fotografen geht es bei seinen fotografischen Momentaufnahmen nicht um Inszenierungen, sondern um die Sichtbarmachung einer anderen Welt der Dinge. Trotz der Schwarz-Weiss-Technik und trotz des Fehlens von Menschen kommt jedoch niemals Monotonie auf. Es müssen nicht immer allseits bekannte Hochglanzmotive sein, die einer Fotografie Wert verleihen, auch Rost und Verfall haben eine besondere Ästhetik.

Die Fotos, die zum Teil schon auf der Webseite Marodes.de veröffentlicht wurden, erzählen aber auch Geschichten, denn es gibt zu diesen festgehaltenen Situationen stets ein Vorher, das bei vielen alten Hallensern sicher Erinnerungen wachrufen wird. Und es gibt Geschehnisse, die diese Gebäude und Industrieanlagen in diesen Zustand versetzt haben.

Zu allen vorgestellten Objekten hat Erik Neumann vom Stadtmuseum Halle einen kurzen Text geschrieben, der einige baugeschichtliche Erläuterungen für das jeweilige Bauwerk gibt. Diese Fotos sind nicht nur Zeugnisse einer vergangenen Zeit, sie sind auch mitunter beschämende Dokumente unserer Gegenwart. Ein ganz wunderbares Buch!

Manfred Orlick

Mitteldeutscher Verlag Halle 2010, 2. erw. u. aktualisierte Auflage, 20,00 €, 144 S., ISBN 978-3-89812-575-8