Marktmacht von Plattformen und Netzwerken

von 9. Juni 2016

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Internetwirtschaft tickt anders. Netzwerkeffekte fördern große und marktmächtige Unternehmen, die die digitale Wirtschaft prägen. Die Platzhirsche nutzen „Big Data“ und können dadurch einen Wettbewerbsvorsprung erlangen, den neue Unternehmen nur schwer aufholen. Daher bedeutet Wettbewerbsschutz im Internet vor allem, die Märkte für Wettbewerber, neue Unternehmen und neue Geschäftsmodelle offen zu halten. So leistet die konsequente Durchsetzung des Wettbewerbsrechts einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Dynamik des Internets. Wir müssen die effektive Missbrauchsaufsicht auf den digitalen Märkten sicherstellen und bestehende Prüfkonzepte weiterentwickeln, um unsere Fälle schnell und effizient analysieren und beurteilen zu können. Das Arbeitspapier beschreibt den Stand der Dinge in Wissenschaft und Praxis und ergänzt den Bericht zu „Competition Law and Data“, den wir vor kurzem gemeinsam mit der französischen Wettbewerbsbehörde vorgelegt haben. Ich freue mich, dass unsere Vorschläge zu punktuellen Anpassungen des kartellrechtlichen Rahmens auch Eingang in das Grünbuch Digitale Plattformen des Bundeswirtschaftsministeriums gefunden haben.“

Die Komplexität der Geschäftsmodelle und wirtschaftlichen Beziehungen auf den digitalen Märkten stellt die Wettbewerbspolitik und die kartellbehördliche Praxis vor neue Aufgaben. An den Verhaltensweisen und Strategien großer Internetunternehmen entzündet sich eine intensive Diskussion über deren Zulässigkeit, Schädlichkeit und Kontrollbedürftigkeit. Aus diesem Grund ist im Bundeskartellamt Anfang 2015 ein „Think Tank Internet“ eingerichtet worden. Der Bericht stellt die ersten Arbeitsergebnisse vor und widmet sich insbesondere Fragen der Marktabgrenzung und der Marktmachtbestimmung im Bereich digitaler Plattformen. Er bereitet die dazu existierende Literatur und Praxis auf, bewertet wissenschaftliche Konzepte und Modelle hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die Fallpraxis des Bundeskartellamtes und erläutert relevante Verfahren des Bundeskartellamtes in diesem Wirtschaftsbereich.

In der Kartellrechtsanwendung kommt der Frage, ob ein Unternehmen „marktbeherrschend“ ist, eine entscheidende Bedeutung zu. Bei der Beurteilung von mehrseitigen Plattformen, die verschiedene Nutzergruppen zusammenbringen (etwa Verkaufplattformen, Immobilienportale, Dating-Plattformen, etc.) und Netzwerken (bspw. Soziale Netzwerke), wie sie in den digitalen Märkten allgegenwärtig sind, sind dabei besondere Faktoren zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere Netzwerkeffekte, das Ausmaß des Zugangs zu Nutzerdaten sowie das Innovationspotenzial des Internets. Netzwerkeffekte zeichnen sich dadurch aus, dass der Nutzen einer Plattform bzw. eines Netzwerkes im Regelfall um so größer ist, um so mehr Nutzer daran teilhaben.

Insbesondere die bisherige Fallpraxis hat gezeigt, dass das bestehende kartellrechtliche Instrumentarium grundsätzlich geeignet ist, auch Fallkonstellation aus der Internetwirtschaft effektiv zu erfassen. Dennoch hofft das Bundeskartellamt im Rahmen der anstehenden Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf bestimmte gesetzliche Ergänzungen und Präzisierungen, die sich insbesondere auf die Erfassung von internettypischen Austauschbeziehungen und den besonderen Marktmachtfaktoren in digitalen Märkten beziehen.

Eine kurze Darstellung der Ergebnisse und der Handlungsempfehlungen findet man auf der Internetseite des Bundeskartellamtes.