Mehr als nur ein Spiel

von 13. August 2021

Barbara Mendes Jenner war es nicht in die Wiege gelegt, sich mit Computerspielen auseinander-zusetzen. Im elterlichen Haus gab es keine elektronischen Spielzeuge. Dennoch gehört die 24-Jährige heute zu einem Team, das Großes im Games-Bereich anstrebt. Mit sechs weiteren Studenten hat sie vor knapp einem Jahr „Moonlit Monitors“ gegründet, um mit der Unternehmensgesellschaft ein Spiel auf den Markt zu bringen, dass kaum einen aktuelleren Bezug haben könnte. Bei „Germinal“ dreht sich alles um eine Epidemie und der Angst vor Keimen und Krankheitserregern. Wie sehr die Informatiker und Programmierer im Januar 2020 am Puls der Zeit waren, haben sie bei den ersten Schritten zum eigenen Spiel nicht geahnt. „Wir sind angetreten, darzustellen, wie man mit Mysophobie umgehen kann, aber so wird das Thema für alle noch greifbarer“, sagt die junge Frau, die im Startup für das narrative Design und PR zuständig ist und an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität (OVGU) Psychologie studiert.

Nachwuchs wird früh ins Boot geholt

Das frischgebackene Unternehmen steht beispielhaft dafür, was sich in Sachsen-Anhalt auf dem Markt tut. Die Digitalisierung beschleunigt kreatives Unternehmertum und die Förderung des Nachwuchses. Selbst die Jüngsten werden vielerorts bereits mit ins Boot geholt. So bietet die Kulturelle Bildung in Eisleben und Mansfeld das Programm „Adventure-Games selbstgemacht!“ als Sommerferien-programm an. Die Grenzen zwischen Fachgebieten verschwimmen, wenn es um die Entwicklung und Etablierung von Games-Kompetenzen geht.

Barbara Mendes Jenner bringt ihr Psychologie-Wissen aus dem Studium ins eigene Games-Unternehmen ein. Ein Großteil der Gruppe, die sich durch gemeinsame Uni-Projekte kennengelernt hat, setzt auf Erkenntnisse der Wissenschaft. Als die Gründerin und die Gründer den Schritt in die Selbstständigkeit machten, gaben sie das Motto aus: „Wir möchten Spiele entwickeln, die Spaß machen.“ Abseits von „Shootern“ oder großen „Publishern“ wollen sich die sachsen-anhaltischen Game-Entwickler auf Indie-Spiele konzentrieren. Entwickelt mit vergleichsweise wenig Geld, erfreuen sich diese Independent-Games steigender Beliebtheit, nicht zuletzt, weil die Entwicklerinnen und Entwickler kreativ unterwegs sind. „Etablierte Marken werden oft wieder und wieder mit neuen Teilen versehen, wir setzen auf innovative spielerische Elemente“, sagt Jonas Kießler.

Verein an der Magdeburger Uni bringt Games-Interessierte zusammen

Der 23-jährige Jonas Kießler geht als Prototyp eines kreativen Spiele-Entwicklers durch. Games gehörten schon früh zu seinem Leben. Als der Vater ihm seinen alten Nintendo in die Hand drückte, war es um den Jungen geschehen. Auf Papier malte er technische Details und Spiele-Ideen. Mit 11 baute er eigene „Level“ im Spiel „Super Mario Bros.“. Nach der Schule zog es ihn zur Informatik. Seine Wahl fiel nicht ohne Grund auf die Magdeburger Uni. „Für mich waren die vielen Aktivitäten in diesem Bereich entscheidend“, erinnert sich der Student, der gerade zwischen Bachelor und Master steht und bald an die Hochschule Harz wechseln möchte, um seinen Master im Studiengang Medien- und Spielekonzeption zu machen.

Vor allem „Acagamics“ hat es ihm damals sofort angetan: Der gemeinnützige studentische Spieleentwickler-Verein an der OVGU macht sich seit 16 Jahren einen Namen als Plattform für Studierende, die sich für die Entwicklung von Games interessieren. Neben Kursen und Vorträgen werden hier Workshops und „GamesJams“ organisiert. Die Studierenden entwickeln Spiele, bearbeiten bei „Techtreffs“ Projekte, fahren zu Konferenzen und besuchen Spielestudios. Das Potenzial in der Uni zu heben sowie die Akzeptanz von Videospielen in Gesellschaft und Wissenschaft zu stärken, sei eine wichtige Aufgabe des Vereins, sagt auch Sven Timmermann, der ebenfalls Mitglied bei „Acagamics“ ist und zu den Jung-Unternehmern von „Moonlit Monitors“ gehört. Gemeinsam arbeiten sie daran, Games noch mehr als ernstzunehmenden Wirtschaftszweig zu etablieren. Unterstützung kommt unter anderem vom Verein „Games [&] XR Mitteldeutschland e. V.“, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durch Vernetzungs- und Weiterbildungsangebote aktiv an der Strukturgestaltung der mitteldeutschen Region mitzuwirken.

„Wir müssen uns mit der ganzen Welt messen.“

Auch Jonas Kießler unterstützt und gibt sein Wissen gern weiter, leitet für den Uni-Verein Kurse zu 3D-Spielen, zu Softwareprojekten und hält Seminare zur Einführung in die digitale Spielwelt. Die Nachfrage ist groß, weiß der Student, die Tendenz steigend. Gründe dafür sieht er in der steigenden Bedeutung der Branche. Untermauert wird das vom Angebot fachspezifischer Studiengänge im Land. So steht in der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle „Spiel- und Lerndesign“ auf dem Lehrplan, in der Hochschule Anhalt gibt es Studiengänge wie „Angewandte Informatik – Digitale Medien und Spieleentwicklung“, „Digitale Medientechnologien“ oder „Interaktive Medien“. Zudem tauche vielerorts der Begriff „Gamification“ immer häufiger auf, weiß Jonas Kießler – die Übertragung spieltypischer Elemente in andere Bereiche wie der Gesundheitswirtschaft oder beim Lernen. Auch der junge „Moonlit Monitors“-Geschäftsführer hat sich in seiner Bachelor-Arbeit damit befasst und den Einsatz in der Bildung analysiert. „Faktenwissen kann man googeln“, sagt er, „viel wichtiger ist, das Verständnis für Hintergründe zu fördern“. Solche Erkenntnisse fließen auch in die Arbeit bei „Moonlit Monitors“ ein.

Viele Stunden sind seit anderthalb Jahren ins Planen, Programmieren, Gestalten und Testen des Epidemie-Spiels „Germinal“ geflossen. Was finanziert werden muss, kommt aus der eigenen Tasche. Einen Unternehmenssitz gibt es bisher nur auf dem Papier. Die Gruppe vernetzt sich digital oder trifft sich in privaten Räumen. Anfang 2022 soll das Spiel auf den Markt gebracht werden. Unter Druck setzen will sich jedoch niemand. „Es soll alles perfekt sein. Wir müssen uns mit der ganzen Welt messen“, sagt Barbara Mendes Jenner. Das schrecke allerdings niemanden. „Wir sind gut, in dem, was wir tun“, weiß sie. Und noch etwas steht fest. Jonas Kießler sagt: „Wenn wir durchstarten, dann tun wir das in Sachsen-Anhalt. Hier ist viel im Aufbruch.“

Manuela Bock/IMG Sachsen-Anhalt