Monatelanger Kampf um einen Tata Nano

von 25. September 2015

Der hallesche Aktionskünstler braucht Bilder und Storys. Daher sollte der erste Akt im jüngsten Kapitel seines Abenteuerdrangs die Beschaffung eines Tata Nano sein. Doch der lange Weg, an die indische Antwort auf den Trabi heranzukommen, erinnerte an DDR-Zeiten, als die meisten HO-Normalbürger zehn Jahre und mehr auf ein Auto warten mussten. Anders als im realexistierenden Sozialismus scheiterte Rolfs Tata-Kauf in Indien jedoch nicht an Produktionsengpässen. Vielmehr dürfen, so sagt er, Touristen ein solches Fahrzeug einfach nicht erwerben. Nach langem Hin und Her und etlichen Rückschlägen ist es ihm nun doch noch gelangen, einen Nano zu bekommen. Dieser Tage enterte er einen Mietwagen und machte damit zuerst Taj Mahal, den Ort der Liebe, unsicher.

Die einzigen Ausländer ohne indische Staatsbürgerschaft, die für gewöhnlich an den Miniflitzer kommen, sind in Indien registrierte Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Touristen haben keine Chance, so der Globetrotter aus Halle. Auf die setzt Rolf inzwischen, nachdem er wochenlang vergeblich versucht hatte, andere Strohmänner für sich zu gewinnen. Denn er will Wort halten: „Wenn D-Rolf sagt, er bringt medizinische Ausrüstung, wie Hebammenkoffer und Chirurgentasche, in die Krisengebiete, dann macht er das!“ Der weltweit bekannteste Hallenser nach Händel und Genscher wollte sein begrenztes Budget nicht in einen teuren Geländewagen stecken. Um Strohmänner für den Tata-Kauf zu bekommen, versprach D-Rolf, für sie zu werben und ihnen Plätze in den Medien zu verschaffen. Das ist ihm 25 Jahre lang gelungen. Warum nicht auch jetzt?

Nach zahllosen Versprechungen und Enttäuschungen hat es schließlich doch noch geklappt. Rolf konnte einen Tata mieten. Er ist begeistert vom kleinen Inder: „Der Nano fährt sich echt gut.“ Klimaanlage, zwei Spiegel, über 30 PS und vier Leute passen rein schwärmt er. Und, typisch, D-Rolf: „Wir waren auch sieben in Tata.“ Der Liebhaber geächteter Kleinwagen nimmt kein Blatt vor den Mund: „Der Nano wird von der Auto-Mafia schlecht geredet und von der Indern dilletantisch vermarktet.“ Auch wenn Rolf vorsichtig ist, weil er seinen Sponsoren und mögliche neue Partner nicht verprellen will, nimmt er am Ende kein Blatt vor den Mund. So kritisiert er an Indien unter anderem den Mangel an Zuverlässigkeit: „Permanent ändern sich Fronten und Fakten!“

Nicht nur der Tata-Plan war schwieriger umzusetzen als geplant. Auch die Idee, mit Hilfsgütern von Indien nach Nepal zu fahren, stellte sich als delikat heraus. Denn mit der guten Nachbarschaft ist es nicht weit her, musste Rolf leidlich erfahren. Mit der Fahrt nach Indien folgte er einer Ansage, wonach Deutschlands Zukunft in Indien liegt. Indizien dafür, wie Fortschritte in der Umwelttechnologie, können für ihn aber inzwischen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mit der Zukunft etwas komplizierter ist. Freilich gibt es Erfolgsgeschichten, etwa für den auch in Halle vertretenen Pumpenhersteller KSB und den deutschen Autohersteller Volkswagen.

Rolf will in Indien Bilder für seine neue Diashow sammeln. In Delhi wohnte er eine Woche lang nah am Zentrum. Er versuchte, Kontakt mit der ARD aufzunehmen. Ohne Erfolg. Schon am ersten Tag sah er die heiligen Kühe auf der Straße. Dann ging es nach Alt-Delhi. Rolf schwärmt von einem roten Fort. In Goa platzte ihm der Kragen, weil er immerzu fotografiert wird. Er mag Öffentlichkeit, er braucht Öffentlichkeit, aber was zu viel ist, ist zu viel. „Wir sind doch nicht im Zoo!“ Im Nachtzug ging es weiter nach Vadodara im Bundesstaat Gujarat. Ghandi ist dort geboren. Heute steht dort das Tata-Werk. Dann besuchte der Hallenser das Unternehmen Green Ashram, eine saubere Hightech-Oase mit vegetarischem Essen – ein Kontrast zu weiten Teilen Indiens.

Begeistert berichtet Rolf von Vadodara: Die Zwei-Millionen-Stadt mit alter Universität ist in ihrem Zentrum das Morgenland, wie man es sich vorstellt. Auch Mumbay gefällt ihm: „Hammer!“ Nur mit dem Tata wollte und wollte es nicht klappen. Selbst mit einem guten Gebrauchtwagen nicht. Die nächste Hoffnung ruhte auf Pune. Gepriesen als das Oxford Indiens fand Rolf nur die Ausstrahlung vom Neubauviertel Neubrandenburgs vor. Sein Herz schlug wieder höher in Margapatta. Moderne IT-Hochhäuser, Einkaufzentren wie in Dubai und alle „wichtigen Läden“ wie Clarks-Schuhe, Mark [&] Spencer, Lee, handgemachte Schuhe, Harley Davidson und VW fand er vor. Dann sollte der Deal in Goa zustande kommen. Rolf nahm den Nachtbus und sparte sich so ein Hotelzimmer. Endlose Verhandlungen wurde geführt mit dem Präsidenten der Indisch-Portugiesischen Gesellschaft. In den Verhandlungspausen ging der Hallenser auf Tour zu den Sehenswürdigkeiten in Colv, Calangute, Palolem und der Hauptstadt Panjim.

Über Goa sagt Rolf: Früher flogen deutsche Charterjets nach Goa, jetzt jammern viele über von Kühen und Hunden verschmutzte Strände. Den schönen Stränden stehen frustrierte Taxi-Fahrer gegenüber, welche Passanten regelrecht belästigen, um eine Fahrt zu bekommen und ihre „Opfer“ dann ordentlich melken. Statt 180 Rupien können es dann schonmal 800 Rupien sein.

Aber Rolf kann sich auf einige Helfer und Tippgeber verlassen. Zu ihren guten Geistern gehört Philpp Pulver, der Neffe von Schauspielerin Liselotte Pulver. „Er ist Multiplikator in der Reisbranche und der Indienspezialist. Phlipp ist ein uneigennütziger Freund, ruft jeden dritten Tag an und gibt gute Tipps und Connections.“ Was er und seine Begleiterin erleben, bemüht Rolf Superlative, dazu brauchen andere sieben Leben. Er kann mal wieder Bücher schreiben, aber er wird alles in seine neue Diashow packen, auch Mumbai, das größte Slum, mit dem Ganeshfest in der größten Moschee zum Abendgebet.