Steuervorteile für Menschen mit Behinderung

von 1. Februar 2021
Das neue Jahr startete mit einer Panne: Anstatt die Behinderten-Pauschbeträge (in den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen) zu verdoppeln, wurden sie auf Null gesetzt. Das Landesamt für Steuern in Niedersachsen berichtete, dass ein Teil der Arbeitnehmer, die den Behinderten-Pauschbetrag erhalten, von der Panne betroffen sind. Nach Angaben der Behörde müssten sie damit rechnen, dass die Behebung des Fehlers noch bis März andauern könnte.

„Grundsätzlich raten wir allen Arbeitnehmern mit Behinderung, gerade in den ersten Monaten dieses Jahres ihre Gehaltsabrechnung zu prüfen“, sagt Gerd Wilhelm von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Lohnsteuerhilfeverein, Beratungsstelle Halle.

Was sich ab 2021 ändert

Die Behinderten-Pauschbeträge waren seit 1975 unverändert gültig bis Ende vergangenen Jahres. Jetzt hat der Gesetzgeber die Pauschalen verdoppelt. Gleichzeitig ändert sich auch die Systematik:

Grad der

Behinderung

Pauschbetrag

20

384 Euro (bisher Null)

30

620 Euro

40

860 Euro

50

1.140 Euro

60

1.440 Euro

70

1.780 Euro

80

2.120 Euro

90

2.460 Euro

100

2.840 Euro

Die Steuererleichterungen sollen dazu beitragen, die durch die Behinderung entstehenden höheren Ausgaben besser auszugleichen. Das Finanzamt gewährt die Pauschbeträge auch dann in voller Höhe, wenn die Voraussetzungen in dem betreffenden Jahr nur einige Monate vorlagen.

Die Eingangsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber stark vereinfacht. Vor allem für Menschen mit einem Grad der Behinderung von bis zu 50 gibt es eine Vereinfachung. Denn sie mussten bisher zusätzliche Voraussetzungen erfüllen. Dazu zählte zum Beispiel der Nachweis, dass die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat, oder die Behinderung auf einer typischen Berufskrankheit beruht. Alle diese zusätzlichen Voraussetzungen wurden mit Beginn des neuen Jahres jedoch ersatzlos gestrichen.

Weiterhin können Eltern in ihrer Steuererklärung die Pauschbeträge für ihre Kinder ansetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Eltern Anspruch auf den Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld haben.

Anstelle der Pauschbeträge besteht die Möglichkeit, die tatsächlichen behinderungsbedingten Kosten von der Steuer abzusetzen. Im Unterschied zu den Pauschbeträgen fallen diese Ausgaben jedoch unter die sogenannten „außergewöhnlichen Belastungen“. Das bedeutet: Die tatsächlichen Kosten mindern erst dann die Steuern, wenn sie über die „zumutbare Eigenbelastung“ hinausgehen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wer die Behinderten-Pauschale ansetzt kann natürlich trotzdem, falls vorhanden, Krankheitskosten absetzen.

Was ist vorteilhafter, tatsächliche Kosten absetzen oder den Pauschbetrag in Anspruch nehmen? „Bei dieser Frage können zum Beispiel die Lohnsteuerhilfevereine weiterhelfen“, sagt Gerd Wilhelm.

Pflegepauschbeträge

Wer einen Menschen mit Behinderung pflegt, dafür aber kein Geld erhält, der kann ebenfalls mit einer deutlichen Erhöhung der Steuererleichterungen rechnen. Auch hier ist es möglich, die tatsächlichen Kosten anzusetzen. Oder man nimmt einen der nunmehr drei Pauschbeträge in Anspruch. Bislang lag der Pauschbetrag bei 924 Euro. Seit Beginn des Jahres sind es:

  • 600 Euro bei Pflegegrad 2
  • 1.100 Euro bei Pflegegrad 3 oder
  • 1.800 Euro bei Pflegegrad 4,5 oder bei Hilflosigkeit.

Fahrtkosten-Pauschale

Auch bei den Fahrtkosten hat der Gesetzgeber Änderungen vorgenommen. Bislang mussten Menschen mit Behinderungen diese einzeln nachweisen. Nunmehr gelten zusätzlich zwei Pauschalen (§ 33 Abs. 2a EStG):

  • 900 Euro für Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen “G”,
  • 4.500 Euro für Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen “aG”, mit dem Merkzeichen “Bl” oder “H”.

Diese Pauschalen wurden bereits bisher angewandt, es fehlte jedoch die gesetzliche Verankerung. Tatsächliche Fahrtkosten, die darüber hinausgehen, berücksichtigt das Finanzamt jedoch ab diesem Jahr nicht mehr.

Wie bekommt man das?

Die Finanzbehörde versichert: Arbeitnehmer, die bisher schon einen Behinderten-Pauschbetrag in Anspruch genommen haben, müssen keinen neuen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung stellen. Vielmehr berücksichtigt das Finanzamt die erhöhten Pauschbeträge automatisch.

Von einer automatischen Erhöhung der Pauschbeträge sind nach Angaben des hessischen Finanzministeriums folgende Fälle ausgenommen: „Der Lohnsteuerabzug erfolgt unter Berücksichtigung des Faktorverfahrens; der Pauschbetrag für Menschen mit Behinderung verteilt sich auf mehrere Dienst- / Beschäftigungsverhältnisse; die Gültigkeit des Pauschbetrags für Menschen mit Behinderung ist zum 31. Dezember 2020 abgelaufen.“

Für viele Steuerzahler eröffnen die Gesetzesänderungen die Möglichkeit, erstmals einen Behinderten-Pauschbetrag in Anspruch zu nehmen.
Voraussetzung dazu ist ein Nachweis über einen Grad der Behinderung von mindestens 20. Diesen bekommt man über das örtliche Gesundheitsamt.

Mit diesem Nachweis kann man zum Beispiel einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung stellen. Alternativ kann man den Pauschbetrag auch mit Steuererklärung geltend machen.

„Wird die Erhöhung der Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung nachträglich berücksichtigt, kann der Arbeitgeber die bisherigen Lohn-/Gehaltsabrechnungen rückwirkend korrigieren“, schreibt das hessische Finanzministerium.

Gerd Wilhelm: „In der Beratungsstellen-Praxis erleben wir, dass viele Rentner die neuen Pauschbeträge nicht kennen. Dort stellen wir dann auch fest, dass viele den Behinderten-Nachweis gar nicht erst beantragt haben. Sie waren der Meinung, das bringt keine Vorteile.“

Weitere Informationen auch unter:

Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V.

Beratungsstelle Halle

Benkendorfer Straße 115

06128 Halle

Internet: www.halle-lohnsteuerhilfe.de