Straftäter-Überwachung mit elektronischer Fußfessel

von 23. Februar 2012

Der Landtag hat den Weg für den Einsatz der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung,volkstümlich „Elektronische Fußfessel“ genannt, in Sachsen-Anhalt freigemacht. Er hat einem Staatsvertrag über den Beitritt zu einer Zentralstelle im hessischen Bad Vilbel zugestimmt, die bundesweit die Straftäter überwacht, die vom Gericht zum Tragen eines Gerätes zur Elektronischen Aufenthaltsüberwachung verpflichtet wurden. „Bisher hat in Sachsen-Anhalt kein Richter die elektronische Aufenthaltsbestimmung angeordnet“, sagte Justizministerin Professor Angela Kolb am Rande der Landtagssitzung. „Aber wir wären gerüstet: Über das hessische Justizministerium sind zehn Geräte bestellt, die eingesetzt werden könnten.“ Die ElektronischeAufenthaltsüberwachung (EAÜ) ist seit Anfang 2011 im Strafgesetzbuch als neue mögliche Maßnahme im Rahmen der Führungsaufsicht geregelt: Straftäter, die wegen eines schwerwiegenden Delikts verurteilt wurden und von denen weiterhin eine besondere Gefahr ausgeht, können vom Gericht dazu verpflichtet werden, eine sog. „Elektronische Fußfessel” zu tragen. Damit kann ihr Aufenthalt mittels GPS festgestellt werden. Sind die Träger in einem Bereichunterwegs sind, den sie nicht verlassen oder betreten dürfen, wird die gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL) informiert, die dann die zuständigen Landesbehörden einschaltet. Die bundesweite Kooperation gewährleiste bundeseinheitliche Kriterien bei der Anwendung der Aufenthaltsüberwachung und spare Kosten, sagte Kolb. Die Grünen sind gegen die Einführung. „Die vermeintlichen Sicherheitserwartungen sind trügerisch. Elektronische Fußfesseln schaffen eine neue Strafvollstreckungsmaßnahme zwischen Vollzugshaft und Bewährungsstrafe. Ich befürchte jedoch, dass durch sie der Gedanke der Resozialisierung in den Hintergrund tritt“, warnt der rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sören Herbst. Weiterhin unklar bliebe, wie mit Fußfesseln tatsächlich Straftaten verhindert werden sollen, meint der bündnisgrüne Politiker Herbst. „Hier bleiben, auch nach der Beratung in den Fachausschüssen des Landtages und der Anhörung von Expertinnen und Experten, viele Fragen offen. Die technische Komplexität des Systems verlangt ein diszipliniertes Mitwirken bei den Tragenden der Fußfessel. Und trotzdem kann sie nicht verhindern, dass diese unentdeckt Straftaten begehen, solange diese sich in den zugewiesenen Gebotszonen aufhalten.“ Auch sei ungeklärt, wie darauf reagiert werden könne, wenn die Tragenden sich in ein anderes Bundesland oder gar ins Ausland begeben. Herbst: „Bis heute ist für mich unklar, ob die Polizei in Sachsen-Anhalt überhaupt über die technischen und personellen Ressourcen verfügt, zeitnah zu reagieren, wenn die Tragenden die zugewiesene Gebotszone verlassen. Auf jeden Fall bringt die Einführung zwangsläufig eine Mehrbelastung der Polizei mit sich.“ Eine erfolgreiche Resozialisierung von Straftäterinnen und Straftätern – der effektivste Schutz vor Rückfällen – gewähren nur moderne Bewährungshilfeprogramme. „Dafür steht jedoch kein Geld zur Verfügung, für die elektronische Fußfessel aber schon. Brisant ist der Hintergrund, dass die Fußfessel vor allem im Bereich von Gewalt- und Sexualstraftaten eingesetzt werden soll. Gerade bei ihnen wären solche modernen Bewährungshilfeprogramme wichtig“, meint Herbst, „Resozialisierung durch einen digitalen Klotz kann kaum gelingen.“