Damit die possierlichen Tierchen nicht von Autos plattgefahren werden, ist die Hilfe der Biologiestudenten nötig. Die werden auch in diesem Jahr wieder den Kröten über die Straße helfen. An der Talstraße sind Fangzäune angebracht worden, dahinter Eimer, in denen die Tiere gefangen und darin auf die andere Straßenseite getragen werden. Auf diese Weise sollen die Wanderungen der Grasfrösche, Teichmolche und Erdkröten unterstützt werden.Doch die Aktion hat auch einen anderen Effekt, soll den jungen Leuten im Studium helfen. Im Rahmen eines feldherpetologischen Fachpraktikums unter Leitung von Privatdozent Dr. Wolf-Rüdiger Große vom Institut für Biologie/Bereich Zoologie werden seit 1993 Daten zur Amphibienwanderung im Stadtgebiet erhoben. Untersucht wird die Wirkung der Talstraße als Barriere, die Amphibienpopulationen und ihre Lebensräume nahezu vollständig voneinander isoliert. Daneben forschen die Studierenden nach weiteren Ursachen der Veränderungen der Populationen im urbanen Raum. Die längerfristigen Wetterveränderungen spielen dabei eine vordergründige Rolle. Erstaunlich ist schon, dass die Kröten in den zurückliegenden zehn Jahren immer größer werden.”Die Praktikums-Untersuchungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Amphibien im Frühjahr aus der Saaleaue über die Talstraße in die Kreuzer Teiche zum Laichen wandern”, berichtet Wolf-Rüdiger Große. “Ein Teil der Erdkröten und Grasfrösche durchschwimmt die Wilde Saale ab der Peißnitz-Halbinsel und landet trotz der Strömung sicher am Talstraßenufer.” Über zwischengeschobene Fangeimer werden die anwandernden Amphibien an einem stationären Zaun in der Talstraße, Höhe Kreuzer Teiche abgefangen.Die Studierenden bergen nicht nur die Amphibien und tragen sie sicher über die Straße. Die Tiere werden auch biometrisch erfasst. Die Messdaten geben später detaillierte Auskunft zu Wanderungen, Alter und Kondition der Tiere.Hintergrund des Praktikums ist das drohende Aussterben der Amphibien. “Die Schätzungen aktueller Aussterberaten für Amphibien weisen weltweit auf den dramatischen Rückgang der Diversität und damit auf eine kritische Situation der Biosphäre hin”, erklärt Wolf-Rüdiger Große. In der von der World Conservation Union (IUCN) 2010 veröffentlichten Roten Liste der gefährdeten Tierarten seien immerhin die Hälfte aller Amphibienarten aufgelistet und gelten als bedrohte Tierarten.”Gerade Lurche besitzen sehr komplexe Habitatansprüche, ihr Jahreslebensraum zerfällt dabei in mehrere Aktionszentren”, weiß der hallesche Zoologe. Sie suchen für eine unterschiedlich lange Zeit Gewässer auf, um hier zu reproduzieren und die Larvalentwicklung zu vollziehen. Dabei besitzen einige Arten eine bemerkenswerte Ortstreue. Die Sommer- und Winterlebensräume befinden sich dagegen in der Regel an Land. Zwischen den einzelnen Standorten gibt es oft ausgeprägte saisonale Wanderungen, dabei sind die Wanderstrecken art- und standortabhängig. Die Lebensraumansprüche der meisten Arten werden vor allem im urbanen Bereich in immer stärkerem Maße beschnitten, so dass die Lurche zu den gefährdetsten Tiergruppen überhaupt gehören. “Nicht zuletzt wegen der hohen Sensitivität dieser Tiere gegenüber anthropogenen Einflüssen sind verschiedene naturschutzfachliche und raumwirksame Planungen unverzichtbar”, so Große.”Verkehrsopfer unter den Amphibien waren seit 1998 in der Talstraße kaum mehr zu verzeichnen, was den Aufwand des Krötenzauns jederzeit rechtfertigt. Trotzdem ist er nicht das Rezept für die Zukunft, da der Zaun nicht über Jahrzehnte betreut werden kann. Sinnvoll wäre es, über dauerhafte bauliche Maßnahmen für die wandernden Amphibien Durchlässe zu schaffen.” Denkbar sei auch, über weitere Gewässerneuanlagen und Habitatmanagement die Raumbeziehungen der Amphibienpopulation schrittweise zu verändern. Zum ersten Vorschlag existiere bereits eine Konzeptstudie des Naturschutzbundes Halle. “Zum zweiten Konzept laufen an der Martin-Luther-Universität ökologische Vorplanungen für eine Pilotstudie zur Gewässerökologie auf der Feuchtwiese und im Amselgrund”, sagt Große.