Therapeutische Kühlung hilft Patienten

von 22. Juni 2011

Am vergangenen Samstag fand in Halle-Dölau das 1. Hallenser Hypothermiegespräch statt. An der Tagung zum Thema „Therapeutische Hypothermie“ im Krankenhaus Martha-Maria nahmen Mediziner und Rettungsassistenten aus ganz Deutschland teil. Unter therapeutischer Hypothermie versteht man die gezielte Absenkung der Körperkerntemperatur eines Patienten, beispielsweise nach einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einem Schädel-Hirn-Trauma. Aber auch bei Frühgeborenen wird die „Kühl-Therapie“ bereits eingesetzt: „Die Hypothermie kann entscheidend dazu beitragen, die Spätfolgen unterschiedlichster Akutschädigungen des Gehirns deutlich zu mindern“, betonte Privat-Dozent Dr. med. Harald Fritz, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau. „Schon die Absenkung der Hirntemperatur um wenige Grad Celsius schützt die Nervenzellen und Nervenfasern signifikant.“ So werden – etwa bei einem Herzstillstand – der Körper und insbesondere das Gehirn nicht mehr ausreichend durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Bereits nach fünf Minuten beginnen deshalb Abbauprozesse in den Gehirnzellen, die zu schwerwiegenden und irreversiblen Spätfolgen beim Patienten führen. Diese Abbauprozesse können durch eine Absenkung der Körperkern- und insbesondere der Hirntemperatur stark verlangsamt beziehungsweise aufgehalten werden.

Als Therapieform ist die Hypothermie schon seit den 1950er-Jahren bekannt, geriet jedoch – außerhalb der Verwendung bei Operationen am offenen Herzen mit Herz-Lungen-Maschinen – aufgrund der damals kaum beherrschbaren Nebenwirkungen wieder in Vergessenheit. Wurden früher die Patienten noch in Badewannen mit Eiswasser gelegt, stehen den Medizinern heute moderne Geräte für eine gezielte, schonende und konstante Kühlung zur Verfügung. Wie in vielen Bereichen ist aber auch hier die Finanzierung ein Problem: „Aus experimentellen Studien wissen wir sehr genau, wie hochwirksam die Hypothermie ist. Um umfangreiche klinische Studien durchzuführen – und damit auch eine Grundlage für eine ausreichende Finanzierung durch die Krankenkassen zu schaffen – fehlt es jedoch häufig an Mitteln, da hinter dieser Therapieform keine finanzstarke Industrie, wie etwa im Pharma-Bereich, steht“, erläutert Chefarzt Dr. Fritz. Der Initiator des 1. Hallenser Hypothermiegesprächs erhofft sich durch das Treffen der Fachleute auch eine Verbesserung im Austausch der Mediziner untereinander: „Noch gibt es keine zentrale Plattform, um beispielsweise Studienergebnisse und Praxiserfahrungen auszutauschen. Mit unserer Veranstaltung möchten wir Impulse setzen und die Zusammenarbeit weiter verbessern.“

Wichtig ist, nach Meinung aller anwesenden Experten, dass mit der therapeutischen Kühlung so früh wie möglich, also bereits durch den Rettungsdienst, begonnen wird. Die Hypothermie ist zum Beispiel bei der Herz-Kreislauf-Wiederbelebung auch in international geltenden medizinischen Standards als wichtige Maßnahme zum Schutz des Gehirns definiert. Eine Umfrage an allen Notarztstandorten in Baden-Württemberg ergab jedoch 2008, dass in nur 17 Prozent die therapeutische Kühlung regelmäßig angewendet wird. 23 Prozent der befragten Standorte setzen die Therapieform gelegentlich ein, 56 Prozent verzichteten gar ganz auf eine Kühlung der Patienten mit einer entsprechenden Erkrankung. „Dies liegt zum einen sicherlich an einer fehlenden Finanzierung, aber insbesondere auch an der bislang mangelnden Praktikabilität im Rettungsdienst“, so Chefarzt Dr. Fritz, der mit seinem Team deshalb auch an der klinischen Erprobung eines neuartigen, mobilen Hypothermiegeräts teilnahm: Rhino-Chill „verdampft“ über einen Nasenkatheter ein ungiftiges biochemisches Kühlmittel und nutzt dabei das Prinzip der Verdunstungskälte. Die Nasennebenhöhlen fungieren dabei als Wärmetauscher. Selbst bei einem Kreislaufstillstand kann so das Gehirn des Patienten effizient gekühlt und damit vor Schädigungen geschützt werden. „In den letzten Jahren wurden neue Geräte und Produkte entwickelt, die viel zu einer schnelleren und besseren Kühlung der betroffenen Patienten beitragen. Mit unserer Veranstaltung und den hier präsentierten Studienergebnissen hoffen wir, diese Therapieform auf einer breiten Ebene zu etablieren“, betonte Dr. Fritz. Das nächste Hypothermiegespräch in Halle ist für das Jahr 2013 geplant.