“Wer, wenn nicht wir ?”

von 9. Juni 2009

(ens) „Wer, wenn nicht wir ? Reformieren, d.h. MITMACHEN SDP Stadtgruppe – Halle / S.“ – mit diesem Transparent hat am 30. Oktober 1989 eine Gruppe von elf engagierten Hallensern auf ihre nur vier Tage zuvor gegründete Sozialdemokratische Partei der DDR aufmerksam gemacht. Ein Zeitzeugnis, das sich bis heute erhalten hat. Christel Riemann-Hanewinckel – damals unter den Gründern, übergab ihr Transparent am Dienstag als Leihgabe an das Stadtmuseum Halle (Saale). Nachgedacht werde noch, das Transparent als Dauerleihgabe dem Stadtmuseum zu geben. Eine Entscheidung darüber ist indes noch nicht gefallen.

Doch wie kam es zu dem Transparent? Unzufrieden über die Verhältnisse in der „Deutschen Demokratischen Republik“ gründeten zwei Frauen und neun Männer – viele von ihnen Theologen – die SDP. Die Sozialdemokratische Partei der DDR. Bewusst dieser Name, denn man wollte „kein Abklatsch“ der West-SPD sein, erklärte Riemann-Hanewinckel. Bei der Übergabe am Dienstag erzählte sie von ihren damaligen Ängsten vor der Stasi. Heute weiß sie, dass die Staatssicherheit von der damaligen Gründung am 27. Oktober 1989 in der Wohnung der Künstlerin Uli Hamers nichts mitbekam. Bewusst habe man nämlich eine Partei und keine Bürgerbewegung gründen wollen, den Alleinregierungsanspruch der Nationalen Front brechen. Einer der Gründe für Dagmar Szabados, zu den Sozialdemokraten zu gehen. Zunächst habe sie mit dem Neuen Forum geliebäugelt. Dort jedoch sei man beim Brechen der Vormachtstellung der SED etwas zurückhaltender.

Mit gerade mal 13 Paragraphen und ohne Parteiprogramm gingen die „Sozis“ damals an den Start. Oder – wie es Oberbürgermeisterin Szabados nannte – „Sozialdemokratische Partei der Pfarrer“ – so wurde damals gespottet, weil viele Kirchenmänner und –frauen in der SDP engagiert waren. Das kam für Riemann-Hanewinckel nicht von ungefähr, schließlich war die evangelische Kirche schon zu DDR-Zeiten parlamentarisch strukturiert durch ihre Synoden. Das erwies sich bei der Parteigründung von Vorteil.

Ungewöhnlich die Farbe blau des Transparents. Geschuldet ist das der Mangelwirtschaft. „Es gab nichts anderes als das FDJ-blau“, so Riemann-Hanewinckel. Nicht der einzige Mangel in der DDR. „Für mich war die DDR ein Unrechtsstaat“, so die SPD-Bundestagsabgeordnete, die seit 1990 im Parlament sitzt. So habe die Staatsführung selbst die eigene Verfassung nicht beachtet. Und das immer von „friedlicher Revolution“ die Rede ist, ist für Riemann-Hanewinckel auch irreführend. Denn friedlich sei es keinesfalls gewesen, habe es doch physischen und psychischen Druck gegeben, wurden Demonstranten abgeführt und mussten im Hof der Reideburger Straße Stunden in der Fliegerstellung ausharren.