Winter im Sommer – Frühling im Herbst

von 24. Februar 2010

„Wir sind das Volk, das war eine starke Losung. Das hieß nämlich, ich bin ein Bürger, und ihr da oben seit nichts, wenn ich ein Bürger bin. So wurden wir plötzlich stark. 40, 50 Jahre Ohnmacht und plötzlich sagst du deiner Angst auf Wiedersehen." (Joachim Gauck)

Eine Schlüsselfigur der jüngsten deutschen Geschichte erinnert sich. Joachim Gauck, engagierter Systemgegner in der friedlichen Revolution der DDR und herausragender Protagonist im Prozess der Wiedervereinigung als erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, ist am 4. März um 19 Uhr zu Gast im Freylinghausensaal der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale). Nach einer Lesung findet ein Gespräch zur Geschichte mit dem Journalisten Steffen Reichert statt.

Joachim Gauck verlebte seine Kindheit in einem Dorf an der Ostseeküste. Später studierte er Theologie in Rostock und fand seinen Weg in die Kirche in Mecklenburg. Distanz zum DDR-System prägte seine Tätigkeit von Anfang an. Wie selbstverständlich wurde er Teil einer kritischen Bewegung und schließlich zu einer Symbolfigur im Umbruch von 1989. Nach dem Mauerfall übernahm Gauck politische Verantwortung, er wurde Abgeordneter im ersten freien Parlament der DDR und erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Der Kampf gegen das Vergessen und Verdrängen blieb als Redner und Kommentator sein großes Thema, auch als er nach zehn Jahren aus dem Amt ausschied.

Zu seinem 70. Geburtstag hat Joachim Gauck seine Erinnerungen aufgeschrieben. Ihm ist ein gleichermaßen politisches wie emotional berührendes Buch gelungen, in dem er in klaren Bildern die traumatisierende Erfahrung der Unfreiheit und das beglückende Erlebnis der Freiheit nachzeichnet und den schwierigen Übergang von erzwungener Ohnmacht zu einem selbstbestimmten Leben beschreibt.