Zehn Jahre Orientwissenschaftliches Zentrum

von 8. Juli 2009

Vom 16. bis 18. Juli 2009 findet ein interdisziplinäres internationales Symposium zum zehnjährigen Bestehen des Orientwissenschaftlichen Zentrums der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg statt. Das Thema lautet "NEU-ORIENT-IERUNGEN – Geschichte, Pfadabhängigkeiten und Gegenwart orientalistischer Imaginationen aus interdisziplinärer Sicht". Eröffnet wird das Symposium mit einer Festveranstaltung in der Universitätsaula.

Im Mittelpunkt des Symposiums sollen Begegnungen zwischen "Orient" und "Okzident", "Morgenland" und "Abendland", der "fremden" und der "eigenen" Kultur stehen. Nicht nur Vertreter der Orientalistik, sondern in größerer Zahl auch Forscher systematischer Disziplinen mit Regionalexpertisen bezüglich Asiens und Afrikas versprechen in ihren Beiträgen eine kritische Auseinandersetzung mit sozio-kulturellen, ästhetischen, ökonomischen, historischen, politischen und religiösen Facetten des "Orients".

"Der ‚Orient’ ist seit jeher weniger als eine tatsächlich bestehende sozio-kulturelle Größe und Einheit zu betrachten als ein Spielfeld und letztlich Produkt westlicher Imaginationen und Machtpolitik", erläutert Professor Burkhard Schnepel, Geschäftsführender Direktor des Orientwissenschaftlichen Zentrums. "Dieses gemeinhin als ‚Orientalismus’ bekannte Phänomen der Selbstreflexion und -konstituierung im Fremden hat besonders an anglo-amerikanischen Universitäten dazu geführt, dass der Begriff ‚Orient’ als politisch nicht korrektes Relikt verschwunden ist."

Die intellektuelle Aufgabe, nicht nur von Wissenschaftlern aus den "Orientwissenschaften", müsse darin bestehen, den "Orient" in seinem dialektischen Verhältnis zum "Westen" oder "Okzident" ernst zu nehmen. Dabei gelte es, mithilfe interdisziplinärer Zugänge und unter Beachtung von Geschichte und Ideengeschichte des Orientalismus gegenwärtige Manifestationen und Spielarten des Orient-Okzident-Komplexes in einer sich stets weiter globalisierenden Welt zum Gegenstand der Beobachtung und Analyse zu machen. "Auch "Kontaktzonen" wie Tourismus, Sport, Medien und wirtschaftliche Zusammenarbeit sollten verstärkt unser Erkenntnisinteresse anziehen."

Die Vorträge des Symposiums finden am 17. und 18. Juli 2009 im Seminar für Ethnologie, Reichardtstr. 11, 06114 Halle, statt. Das Symposium wird am 16. Juli um 18 Uhr mit einer Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen des Orientwissenschaftlichen Zentrums in der Aula im Löwengebäude eröffnet. Die Festveranstaltung eröffnet Prof. Dr. Burkhard Schnepel, Seminar für Ethnologie, der das Zentrum seit 2007 als Geschäftsführender Direktor leitet. Es folgen ein Grußwort des Rektors der MLU, Prof. Dr. Wulf Diepenbrock, sowie ein Rückblick des Begründers und langjährigen Geschäftsführenden Direktors des OWZ, Prof. Dr. Stefan Leder, jetzt Direktor des Orient-Instituts in Beirut. Den Festvortrag hält Prof. Dr. Edouard Conte, Direktor des Berner Instituts für Sozialanthropologie und Beiratsmitglied des OWZ zum Thema "Julius Wellhausen und die ‚Kinder Adams’. Die Aktualität der Orientalisten". Eine Darbietung klassischer indischer Tanzkunst bildet den Abschluss der Veranstaltung.

Das OWZ bildet seit 1999 eine Dachorganisation für die Institutionen und Personen der Martin-Luther-Universität, die sich aus unterschiedlichen disziplinären Richtungen mit dem "Orient" befassen. Die dabei vom Zentrum wahrgenommenen Koordinierungs- und Denkwerk-Aktivitäten trugen maßgeblich bei zur Entstehung und Arbeit mehrerer Forschungsverbünde an der MLU, beispielsweise des Sonderforschungsbereichs 586 "Differenz und Integration" oder der Graduiertenschule "Society and Culture in Motion". Die seit Jahren etablierte Publikationsreihe "Orientwissenschaftliche Hefte" bietet zudem eine gemeinsame Plattform für eine große Anzahl von Veröffentlichungen. Neben den vielfältigen wissenschaftlichen Unternehmungen leistete das OWZ auch Vermittlung von Fachkompetenz in die außeruniversitäre Öffentlichkeit, wobei ein Schwerpunkt auf der Kooperation mit Schulen liegt.

Eine gegenwärtige Hauptaufgabe des Zentrums in einem dynamischen intellektuellen und akademischen Umfeld besteht nicht nur darin, die regionalen Expertisen der beteiligten Seminare, die vom Nahen und Mittleren Osten sowie Afrika über den Indischen Ozean bis hin nach Ostasien reichen, zu unterstützen und zu stärken. Das OWZ will auch und vor allem transregionale Synergien fördern und dabei die unterschiedlichen disziplinären Anbindungen und Rückkoppelungen von Regionalstudien mit "systematischen Disziplinen" beleben. Dieser wichtigen Rolle geht das Zentrum auch im Rahmen der Landesexzellenzinitiative "Society and Culture in Motion" nach.