Zeig draußen, was du drinnen denkst

von 14. Juni 2009

(ens) Das Wetter hätte schöner nicht sein können. Rund 1.000 Katholiken aus Halle (Saale) kamen am Sonntagvormittag in den Garten der Gemeinde “Zur heiligsten Dreieinigkeit”, um hier die traditionell im Freien stattfindende Fronleichnamsprozession zu begehen. Zum ersten Mal wurde der Gottesdienst gemeinsam als Dekanat veranstaltet. Neben Lesungen aus dem Brief der Hebräer und dem Buch Exodus standen auch kirchliche Lieder auf dem Programm.

1.000 Katholiken? Für viele Hallenser zunächst einmal eine ungewöhnliche Zahl. Denn sie haben zumeist nach 40 Jahren DDR mit Religion nichts mehr am Hut. Nur noch jeder neunte Hallenser ist konfessionell gebunden. Mit rund 20.000 Gläubigen zählt die evangelische Kirche die meisten Mitglieder. Ihnen stehen in Halle rund 8.500 Katholiken gegenüber.

Dabei hat auch die katholische Kirche in “Luthers Land” eine Tradition. Katholiken gab es zwar schon Jahrhunderte in der Saalestadt, doch gerade nach der Reformation war für sie das Leben nicht einfach. Das änderte sich erst mit dem Sieg der Franzosen über die Preußen, als das Königreich Westfalen errichtet wurde – zu dem auch Halle gehörte. Religionsfreiheit war damals die Devise. Und so wurde 1808 die katholische Gemeinde in Halle zur Pfarrei erhoben, erster Pfarrer wurde der Franziskaner-Missionar Franz-Josef Vahorn. Seit dem sind die katholischen Kirchgemeinden aktiv am städtischen Leben beteiligt, das hat der Gottesdienst mit vielen Teilnehmern – auch zahlreichen jungen Familien – gezeigt. Bischof Gerhard Feige zitierte in seiner Predigt aus dem Werk “Octavius” aus dem 2. Jahrhundert, in dem Minucius Felix über die Christen schrieb, diese seien eine verschworene Gemeinschaft, eine obskure, lichtscheue Gesellschaft. Vorurteile, die auch heute immer wieder aufkommen. “Seit Beginn der Neuzeit gab es immer wieder Bestrebungen, die Christen aus der Öffentlichkeit zurückzudrängen”, so Bischof Gerhard Feige. In der Säkularisation waren es die Fürsten, die sich an Kircheneigentum bereicherten. Später folgte der Nationalsozialismus, der katholische Schulen und Vereine schließen ließ. Auch in der DDR waren die Christen in der Glaubensausübung eingeschränkt.

Und heute? Werden die Christen wieder beschnitten, diesmal muss die “Toleranz” dafür herhalten, kritisierte Feige. Die Neutralität des Staats fordere es angeblich ein, dass die Religion immer mehr ins Private zurückgedrängt wird. Da sei das Kreuz im Klassenzimmer für andere Religionen eine Zumutung, werde argumentiert, oder werde der Religionsunterricht an den Schulen durch Fächer wie LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religion) ersetzt. Und so appellierte Feige an die Gläubigen, doch ihren Glauben wieder bewusster öffentlich auszuleben. “Warum tun wir uns so schwer, unseren Glauben zu zeigen?”, fragte Feige, “Warum haben wir so wenig Mut?” Wer von etwas begeistert sei, solle dies auch zeigen, forderte Feige und führte Fans von Musikgruppen oder Fußballanhänger an. “Zeig draußen, was du drinnen glaubst.”

An „Fronleichnam“, seit dem 13. Jahrhundert begangen, wird nach katholischem Glauben die „wirkliche Gegenwart des Gottessohnes Jesus Christus“ in den Zeichen des Abendmahles gefeiert, seine Präsenz im gesegneten Wein und Brot. Diese Überzeugung wurzelt in den Worten Jesu beim Letzten Abendmahl vor seiner Hinrichtung. Indem er seinen Freunden Brot und Wein reichte sprach Jesus die Verheißung, die der Verstand nicht fassen, die man nur glauben kann: „Das ist mein Leib und mein Blut“. In einigen Bundesländern ist “Fronleichnam”, der zweite Donnerstag nach Pfingsten, staatlicher Feiertag. In Sachsen-Anhalt nicht, deshalb wurde die Prozession am Sonntag gefeiert.