Zusatzschilder für Wissenschaftler

von 24. November 2009

Auch in diesem Monat werden im Rahmen des Projekts “Bildung im Vorübergehen” der Bürgerstiftung in Halle (Saale) wieder Straßenschilder mit Zusatzinformationen versehen. Geehrt werden diesmal Heinrich Damerow und Betty Heimann. Spender sind das TGZ Halle Technologie und Gründerzentrum Halle GmbH mit dem Vorsitzenden Wolfgang Lukas sowie Elke und Joachim Ulrich.

Heinrich Philipp August Damerow
Heinrich Damerow wurde als Sohn eines Geistlichen am 28. Dezember 1798 in Stettin geboren und wuchs bei seiner Mutter (der Vater verstarb bereits in den frühen Kinderjahren Heinrich Damerows) im so genannten Predigerwitwenhaus des Stettiner Johannisklosters auf. Schon damals scheint Damerow frühe Anregungen für seine spätere Berufswahl erhalten zu haben, waren doch in den Räumlichkeiten des Johannisklosters auch „Schwachsinnige“ und „Irre“ – wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß – untergebracht.

Damerow studierte Medizin in Berlin. Er wurde dort auch promoviert und habilitierte sich. Vorlesungen in Psychiatrie hörte er bei Ernst Horn, einem Schüler Reils, wie auch bei Schleiermacher in Psychologie und Didaktik sowie bei Hegel in Anthropologie, Psychologie und Philosophiegeschichte. In diese Zeit fielen auch Studienreisen in „Irrenhäuser“ in Frankreich und Deutschland. 1830 erhielt Damerow einen Ruf als außerordentlicher Professor an die Universität Greifswald. Seine Bemühungen um die Einrichtungen einer Irrenanstalt für Pommern schlugen jedoch fehl.

In den folgenden Jahren erwarb er sich durch Inspektionen der in Deutschland bestehenden Irrenanstalten umfangreiche Kenntnisse. 1832 kehrte er zurück nach Berlin und nahm eine Tätigkeit in der Medizinalabteilung des Kultusministeriums auf. Er wirkte zugleich im Kuratorium für Krankenhausangelegenheiten mit. In dieser Tätigkeit wurde ihm durch das preußische Kultusministerium der künftige Direktorenposten für die geplante Irrenanstalt für die Provinz Sachsen zugesichert.

1836 erfolgte die Berufung Damerows nach Halle mit gleichzeitiger Übernahme der ärztlichen Praxis des am 21. Juni 1816 gegründeten Königlichen Irreninstitutes. Zentrum seiner Tätigkeit wurde in dieser Zeit die Vorbereitung, Planung und Errichtung der Irren-, Heil- und Pflegeanstalt für die Provinz Sachsen (später: Provinzial-Irren-Anstalt Nietleben) in Halle-Nietleben auf dem Gelände der Weinbergwiesen im heutigen halleschen Stadtteil Heide-Süd. Mit ihrer Eröffnung im Jahre 1844 wurde Damerow ihr Direktor bis zu seinem Tode. Er starb am 22. September 1866 als letztes Opfer einer in dieser Anstalt ausgebrochenen Choleraepidemie. Spätere Untersuchungen zum Ausbruch dieser Epidemie ergaben als wahrscheinliche Ursache die Entnahme von Trinkwasser aus der nahe gelegenen Saale unterhalb des Einleitungsortes der Abwässer der Heilanstalt. Ein im wahrsten Sinne des Wortes tödlicher Kreislauf.

In der Psychiatrie bleibt Damerow vor allem als Gründer des Vorläufers der heutigen Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychologie und Nervenheilkunde (DGPPN), des Vereins Deutscher Irrenärzte, in Erinnerung. Seine Schrift “Pro Memoria an Deutschlands Irrenärzte“ aus dem Jahre 1841 gilt als sogenannte Gründungsurkunde der DGPPN. In gleicher Weise bleibt die von ihm ab dem Jahr 1844 herausgegebene „Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie“ mit seinem Wirken verbunden.

Sein Vermächtnis als Psychiater hat Damerow schon im Jahre 1846 formuliert, in dem sich nach seinen Worten in der Psychiatrie die Einheit von Leib, Seele und Geist verkörpert. Damerow wurde von seinem Biographen Hans Laehr (ein Sohn seines Schülers Heinrich Laehr) charakterlich gekennzeichnet: „Willensstärke, scharfe Beobachtungsgabe, Ordnungssinn, Pflichttreue und Hilfsbereitschaft vereinten sich mit einem heftigen Temperament, Empfindlichkeiten und Misstrauen zu einer „dämonischen“ Art, die den Umgang mit ihm schwierig machte.“ Auf der anderen Seite gibt es Schilderungen, die seine menschliche Wärme und Zuwendung zu den ihm anvertrauten Patienten in hohem Maße loben.

Quellen:
Eulner, Glatzel: Die Psychiatrie an der Universität Halle, Sonderdruck aus der Wissenschaftlichen Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Jg. VII, 1957/58, Heft 2, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe
Marneros, Pillmann: Das Wort Psychiatrie…wurde in Halle geboren, Schattauer Verlag 2005
Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 4, Leipzig, 1876
Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd. 3, Berlin, 1957
Stadtarchiv Halle (Saale), Archivale Nr. 3616

Betty Heimann
Betty Heimann wurde am 29. März 1888 geboren und wuchs als viertes Kind einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie in Wandsbek bei Hamburg auf. Nach dem Abitur studierte sie klassische Philologie und Indologie an den Universitäten Kiel (bei Deussen und Sieg), Göttingen (bei Oldenberg), Bonn (bei Jacobi) und Hamburg (bei Konow). 1919 bestand sie das Staatsexamen für klassische Philologie.

In den Jahren 1920/1921 war sie Assistentin an der Universität Kiel und promovierte bei Sieg im Jahre 1921 mit einer Arbeit über das Sanskrit mit „summa cum laude“ zum Dr. phil. Noch im gleichen Jahr wechselte sie an die Universität Halle und habilitierte sich hier bei Hultzsch im Jahre 1923 für Indologie.

1923 erhielt Betty Heimann an der Universität Halle als erste Frau überhaupt eine Privatdozentur für Indologie. Dies war der lokalen Presse eine gesonderte Meldung wert. So notierte die Tageszeitung „Hallische Nachrichten“ vom 19. Januar 1924 auf Seite 2 unter Hochschulnachrichten, dass Betty Heimann an der Philosophischen Fakultät der Universität Halle als Privatdozentin zugelassen worden sei. Am 1. April 1926 mündete die Privatdozentur dauerte bis 1931 an; sie mündete am in einen speziellen Lehrauftrag für indische Philosophie. Am 11. August 1931 wurde sie zum nichtbeamteten Professor für Indologie an der Universität Halle ernannt. Dieses Amt wurde ihr bereits am 7. September 1933 auf der Grundlage des von Nazi-Deutschland erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entzogen. Betty Heimann war schon seit geraumer Zeit als Jüdin verschiedenen Anfeindungen ausgesetzt gewesen. So hatte sie sich in einer Diskussion zur Rassenfrage, in der Herz die Rassentheorie der damaligen deutschen Reichsführung scharf kritisierte, ebenfalls kritisch geäußert. Sie wurde darauf hin beim Kultusministerium in Berlin denunziert, sie „hätte sich als Jüdin über den Unwert der Rassenreinheit geäußert“.

In den Jahren 1931/1932 hielt sie sich auf einer Studienreise auf dem indischen Subkontinent auf. Möglich wurde diese auf Grund eines von ihr sehr schwierig erworbenen Stipendiums aus den USA (eine andere Quelle spricht von einem britischen Stipendium). Nach dieser Studienreise unternahm sie eine Vortragsreise nach England, auf der sie die Mitteilung über den Entzug ihrer Lehrbefugnis und die Einstellung ihrer Bezüge erreichte. Heimann entschloss sich, in England zu bleiben. Sie kehrte nie wieder nach Deutschland zurück.

Von 1933 bis 1935 lehrte sie als Dozentin für Indische Philosophie an der Universität London, 1935 in Rom und von 1936 bis 1944 erneut in London. Von 1945 bis 1949 war sie Professorin für Sanskrit an der Universität Colombo auf Ceylon. Auch nach ihrer Versetzung in den Ruhestand im Jahre 1949 setzte sie Ihre Forschungen zur indischen Religion und Philosophie fort. Ein letztes Mal trat sie im Jahre 1960 beim Internationalen Orientalistentag in Moskau öffentlich auf.

In ihrer Lehrtätigkeit erntete Betty Heimann durch die lebendige Art der Darstellung bei ihren Studenten großen Zuspruch. Gleichwohl war ihre finanzielle Situation als Privatdozentin äußerst angespannt. Zu ihrer Existenzsicherung musste sie immer wieder beim preußischen Kultusministerium um einmalige Zuwendungen ersuchen. Dies veranlasste einen dortigen Beamten zu der lakonischen Bemerkung, „daß Frau Heimann in der Tat zu der Sorte Mensch gehört, die auf Erwerbsarbeit angewiesen“ sei.

In ihrer wissenschaftlichen Arbeit präferierte Heimann die „indische Weltanschauung, die sie in ihrer Eigenart als Produkt der geographisch-klimatischen Verhältnisse Indiens verstand.“ Dabei legte sie großen Wert darauf, den indischen Kulturraum im Zyklus der Jahreszeiten aus eigener Anschauung zu erleben. An philologischen Fragen zeigte sie weniger Interesse, was zu kritischen Auseinandersetzungen mit anderen Fachkollegen führte.

In ihrer Zeit in Halle wohnte Betty Heimann ausweislich des Halleschen Adressbuches 1931 im Mühlweg 3. Sie war unter anderem mit der halleschen Bildhauerin Grete Budde befreundet, die von ihr eine Porträtbüste schuf. Der Ehemann der Bildhauerin, Professor Werner Budde, der während der Abwesenheit von Heimann in Deutschland deren Rechte wahrnahm, übergab diese Porträtbüste in den Besitz der Martin-Luther-Universität. Im Robertinum fand sie einen würdigen Platz.

Betty Heimann starb am 19. Mai 1961 in Sirmione am Gardasee.

Quellen:
Stadtarchiv Halle (Saale), Archivale Nr. 5987
Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg, Philosophische Fakultät I, Institut für Altertumswissenschaften, Seminar Indologie,