Interdisziplinäres Symposium zu “Stolz und Scham”

von 27. Februar 2009

(jul) Mittlerweile zum 7. Mal findet am 27. Und 28.02.2009 das „Hallenser Gespräch zu Psychotherapie, Religion und Naturwissenschaften“ der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Krankenhaus St. Elisabeth und Barbara statt. Nachdem 2008 der Komplex „Vertrauen und Zweifel“ thematisiert wurde, steht in diesem Jahr „Stolz und Scham“ im Mittelpunkt der fächerübergreifenden Veranstaltung. Dabei kommen, neben der hauseigenen medizinischen und psychotherapeutischen Sichtweise, auch Experten der Religions-, Erziehungs- und Rechtswissenschaft zu Wort. In dieser Hinsicht wurde bereits bei der Eröffnung am Freitag Nachmittag hervorgehoben, dass man mit den „Hallenser Gesprächen“ den medizinischen Elfenbeinturm verlassen wolle.

Nach der Begrüßung der zahlreich erschienenen Symposiumsteilnehmer durch die Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. Claudia Bahn, richtete ihr Vorgänger und Mitorganisator der Veranstaltung, Dr. Johannes Piskorz, einige einleitende Gedanken zum Thema „Stolz und Scham“ an die Zuhörerschaft. In diesen erwähnte er unter anderem eine Studie von kanadischen Wissenschaftlern, die paralympische Judoka beobachteten und anhand ihrer Gestik feststellten, dass kultur- und nationenübergreifend Stolz auf die gleiche Weise präsentiert wird, Scham jedoch nicht. Besonders Sehende aus westlichen Ländern Gesten der Niederlage unterdrückten, woraus die Wissenschaftler schlossen, dass besonders solche Verhaltensweisen in bestimmten Kulturen negativ behaftet sind.

Das weite Feld von „Stolz und Scham“ rollte nachfolgend im ersten Vortrag der Bonner Professor Volker Ladenthin von pädagogischer Seite her auf. Für ihn bedeutet Stolz vor allem ein gehobenes Selbstwertgefühl, das sich auf erbrachte Leistungen gründet. Dementsprechend kann man auf einen sportlichen Erfolg stolz sein, nicht jedoch darauf das man blond oder ein Mann ist. Als Scham erkennt Ladenthin eine innere Nötigung, sich an bestimmte Werte und Normen zu halten. Da diese jedoch veränderlich und individuell unterschiedlich sind, sieht er zusätzlich ein anthropologisches Grundschamgefühl, an das sich kulturübergreifend gehalten wird und beispielsweise gegenüber den Eltern oder Toten empfunden wird.

Zweiter Redner des Symposiums war der baden-württembergische Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger, der Haftrichter in Stammheim war und den Bader-Meinhof-Prozess im Gerichtssaal miterlebte. Er erzählte aus juristischer und teilweise auch sehr persönlicher Sicht, wie Stolz und Scham im deutschen Rechtssystem gehandhabt werden, dass man auch den Stolz von Beschuldigten nicht verletzen dürfe und ihre Würde immerzu schützen sollte. Am Ende seines Vortrages bewies Pflieger dann noch anhand seiner eigenen Person, dass auch die Justiz dazu fähig sein muss den eigenen Stolz zu überwinden. Er entschuldigte sich vor den Zuhörern bei Stefan Aust, gegen den er wegen seines Austs Buch „Der Bader-Meinhof-Komplex“ geklagt hatte.

Den Abschluss des ersten Veranstaltungstages bildete dann ein Vortrag der Religionswissenschaftlerin Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz aus Dresden, die Stolz und Scham als Gegensätze darstellte, die alle Religionen und Kulturen auf unterschiedlichen Wegen in ein Gleichgewicht bringen wollen.

Am Samstag dem 28.02. geht das „Hallenser Gespräch zu Psychotherapie, Religion und Naturwissenschaften“ um 9 Uhr weiter. Neben einer Podiumsdiskussion spricht dann Dr. med. C. Münch aus Bremen zum Thema "Stolz und Scham aus psychoanalytischer Sicht" und Prof. M. Gabel aus Erfurt zu "Kraft der Transzendenz. Scham zwischen Demut und Stolz“.