Modellprojekt 4-Tage-Woche an Schulen – Pläne der Landesregierung sind realitätsfern

Modellprojekt 4-Tage-Woche an Schulen – Pläne der Landesregierung sind realitätsfern
von 12. Juli 2022 0 Kommentare

Das Bildungsministerium des Landes Sachsen-Anhalt schlägt in einem Modellprojekt 4+1 an zwölf Sekundar- und Gemeinschaftsschulen im Land eine 4-Tage-Woche vor. Der fünfte Tag soll für Praktika in Betrieben oder für digitalen Unterricht genutzt werden. Die Teilnahme am Modellversuch ist freiwillig und soll den Schulen mehr Flexibilität bei der Unterrichtsplanung und -durchführung geben. Die GEW Sachsen-Anhalt kritisiert diese Pläne scharf.

 

Vorgesehen ist nach Plänen des Bildungsministeriums, dass vier Tage die Woche der Unterricht in Präsenz stattfindet, am fünften Tag können zum Beispiel digitale oder hybride Formate für den Unterricht genutzt werden. Die Schüler*innen sollen die Möglichkeit erhalten, selbstorgansiert zu lernen sowie Firmen und Unternehmen besuchen, um praxisorientiert zu lernen. Das Modellprojekt bezieht sich scheinbar zunächst nur auf das Schuljahr 2022/2023 und soll vom Landesschulamt und vom Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung begleitet und evaluiert werden.

Das Bildungsministerium sah sich offensichtlich genötigt, ausdrücklich zu dementieren, dass die „4-Tage-Woche“ in einem Zusammenhang mit dem andauernden Lehrkräftemangel vor allem an den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen steht. Tatsächlich erscheint dieses unvorbereitete Modellprojekt jedoch ein weiterer Versuch zu sein, Unterrichtsausfälle schönzurechnen. „Das vorgeschlagene Modell ist amtlich sanktionierter Unterrichtsaufall und wälzt das Problem des Mangels auf die Schulen selbst ab, die ohne erkennbare Unterstützung mal eben nebenbei ein solches Projekt umsetzen sollen,“ sagt Eva Gerth, Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt.

Die Diskussion um neue Modelle und „zusätzliche Freiräume in der konzeptionellen Unterrichtsplanung und -durchführung für die Schulen“ bzw. selbstorganisiertes Lernen hat längst begonnen. Sie ist notwendig und wichtig. Es braucht dazu jedoch Zeit zur Konzeptentwicklung, intensive Absprachen mit allen am Schulleben Beteiligten, Beschlüsse der Gesamtkonferenzen, Beratung, eventuell eine wissenschaftliche Begleitung und vor allem Ressourcen.

Mit der derzeitigen Regelung legt das Bildungsministerium nichts von alledem vor – im Gegenteil: Engagierte Lehrkräfte und Schulleitungen werden verschlissen, weil von ihnen die entsprechenden konzeptionellen Überlegungen zusätzlich zu ihrer normalen Arbeit erwartet werden. Und es gibt einiges zu bedenken:  Ist die Gesamtkonferenz ausreichend beteiligt worden?
Eltern fragen sich, wie sie ihre Kinder zu Hause beim hybriden Lernen beaufsichtigen müssen, was ihr Arbeitgeber dazu sagt und ob überhaupt die Schulpflicht noch erfüllt ist. Betriebspraktika sind eine vernünftige Idee. Aber wer soll sie nebenbei organisieren und betreuen? Gibt es wirklich überall im Land genug Betriebe, die bereit wären, jede Woche Schüler*innen aufzunehmen?
Was ist, wenn das Internet zu Hause – oder in der Schule – dafür nicht ausreicht? Hantiert das Kind dann wieder mit dem Handy, weil nicht genügend Laptops für alle Schüler*innen da sind?

Auf viele dieser und weiterer Fragen gibt es keine ausreichenden Antworten. Offensichtlich will das Bildungsministerium auch nicht mit den „Kleinigkeiten“ der Umsetzung der Modelle behelligt werden.
Insofern bleibt eine erneute erhebliche Mehrbelastung für Lehrkräfte, das pädagogische Personal und die Schulleitungen.

„Dass die ‚4-Tage-Woche‘ nur Sekundar- und Gemeinschaftsschulen betrifft, ist ein weiteres Zeichen, dass im Ministerium das Thema Bildungsgerechtigkeit offensichtlich keine Rolle spielt.“

 

Die GEW Sachsen-Anhalt fordert das Bildungsministerium auf, dafür zu sorgen, dass

  • alle demokratischen Mitspracherechte bei Modellversuchen gewährleistet sind,
  • Zeit für die Konzeption, für Absprachen und Umsetzung von Modellen zur Verfügung gestellt wird,
  • die Schulen, die sich an Modellversuchen beteiligen, entsprechende personelle und sächliche Ressourcen erhalten,
  • Modelle wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden,
  • Chancengleichheit für alle Schüler*innen gewährleistet wird.

 

Weitere Sparmodelle lehnen wir ab. Sie werden auch nicht besser, wenn man ihnen einen innovativen Namen verpasst und ansonsten taten- und ideenlos bleibt.

         

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