Bürgerstiftung Halle lädt zum Tag der Stiftungen

von 25. September 2014

Am kommenden Mittwoch wird europa- und bundesweit der Tag der Stiftungen begangen, um für die Idee des Stiftens zu werben. Natürlich ist auch die Bürgerstiftung Halle mit verschiedenen Aktionen dabei:

1) Bildung im Vorübergehen: Dr. Agnes Gosche

Agnes Gosche studierte Kunstgeschichte und Sprachen und gehörte Ende des 19. Jahrhunderts zu den ersten Frauen, die ihr Studium mit einem Doktortitel abschließen konnten. Ihr Lebensinhalt lag in der Verbesserung der Ausbildung der Frauen. Sie war Direktorin der Städtischen Frauenschule und gründete den Hallischen Frauenbildungsverein, den ersten Volkskindergarten und die erste Kinderlesehalle in Halle. (Weitere Information zum Projekt und zur Person finden Sie im Anhang.)

Zeit: Mittwoch, 1. Oktober, 16 Uhr

Ort: Agnes-Gosche-Straße/Ecke Ellen-Weber-Straße

Es spricht Dr. Agnes Gosche (alias Claudia Jandt/Courage e. V.). Die Schilder wurden gespendet von Dipl.-Med. Kerstin und Dr. André Öhlmann und von Burkhard Taube.

2) Singen auf der Würfelwiese: Das letzte Mal in diesem Jahr

Eine schöne Singsaison liegt hinter uns – zum 21. Mal treffen wir uns am 1. Oktober auf der Wiese um gemeinsam Volkslieder zu singen. In den vergangenen Wochen waren mehr als 100 Sänger vor Ort – das Würfelwiesensingen ist aus den halleschen Sommermonaten nicht mehr wegzudenken.

Zeit: 1. Oktober, 17 bis 18 Uhr

Ort: Würfelwiese (Nähe AOK-Gebäude)

Hintergrund zum Projekt „Bildung im Vorübergehen“:

Viele hallesche Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte benannt,doch häufig wissen die Bürgerinnen und Bürger gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Deshalbstattet die Bürgerstiftung Halle im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ seit Juli 2008monatlich eine Straße mit zusätzlichen Informationsschildern aus, die Auskunft über dieNamensgeberInnen der Straße geben. Die Initiatorin und „Anstifterin“ des Projektes, Dr. Ingeborgvon Lips, verbindet damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischenPersönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen.

Das Vorhaben fand von Anfang an eine breite Resonanz in der halleschen Bevölkerung und weitdarüber hinaus. Alle ursprünglich von der BÜRGER.STIFTUNG.HALLE vorgeschlagenen Straßen undetliche weitere fanden innerhalb kurzer Zeit ihre „Schilderpaten“. Dabei melden sich nicht nurHallenserinnen und Hallenser, sondern auch Nachfahren, die z. T. selbst noch nie in Halle waren.Das Projekt wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch den Grafiker BerndSchmidt, den Fachbereich Kultur der Stadt Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle, das hallescheStadtarchiv sowie die Firma Horn Verkehrstechnik Halle.

Eine aktuelle Liste der bereits in Vorbereitung befindlichen Straßen ist unterhttp://www.buergerstiftung-halle.de/bildung-im-voruebergehen/ abrufbar.

Agnes Gosche (1857-1928)

Am 26. August 1857 wurde Agnes Gosche als zweite von drei Töchtern des Orientalisten undLiteraturwissenschaftlers Dr. Richard Gosche und seiner Frau Klara geb. Dieterici in Berlin geboren.1863 zog die Familie nach Halle, nachdem der Vater als Professor an die hiesige Universität berufenworden war. Ihre Schulausbildung erhielt sie durch privaten Unterricht bei der Hallenserin Luise Leneund später durch ihren Vater. 1875 bestand Agnes Gosche nach privater Vorbereitung dasLehrerinnenexamen. Zunächst nahm sie für den Sommer 1876 eine Erzieherinnenstellung in derfranzösischen Schweiz an und war danach in Halle als Lehrerin tätig, u. a. an der städtischenMittelschule. Aus Interesse für die höhere Mädchenbildung richtete sie Privatzirkel für schulpflichtigeKinder ein und gab jungen Mädchen nach dem schulpflichtigen Alter Privatstunden, vor allem infranzösischer Sprache, Kunst- und Literaturgeschichte.

Von 1885 bis 1896 unterrichtete sie amSeydlitzgymnasium (Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße). Gleichzeitig studierte Agnes GoscheKunstgeschichte, Französisch, Deutsch und Ästhetik in Paris (1881/82 zwei Semester und 1889 einSemester), in Halle und Leipzig (1894-98). 1898 schloss sie ihr Studium in Zürich mit demDoktorexamen im Hauptfach Kunstgeschichte ab. Der Titel ihrer Dissertation lautete: „SimoneMartini: ein Beitrag zur Geschichte der Sienesischen Malerei im XIV. Jahrhundert“. Zurück in Hallenahm sie die Fortbildungskurse für die schulentlassenen Mädchen mit höherer Töchterschulbildungwieder auf und erweiterte die Ausbildung, indem sie weitere Lehrkräfte für die Ausbildung inGeschichte und Biologie hinzuzog. Im Wintersemester 1903 unterrichtete Agnes Gosche 70 bis 80Schülerinnen. Zusammen mit ihrer Schwester Lisbeth führte sie eine Mädchenpension in ihremHause in der Karlstraße 9 (heute Franz-Andres-Straße).

1900 gründete Agnes Gosche den Hallischen Frauenbildungsverein als Ableger des AllgemeinenDeutschen Frauenvereins und leitete diesen 28 Jahre. Zusätzlich vertrat sie viele Jahre den HallischenLehrerinnenverein als Vorstandsmitglied.

1904 übernahm Agnes Gosche die Leitung des von Dr. Henriette Goldschmidt gegründeten Lyzeumsfür Damen in Leipzig und unterrichtete dort Deutsch, Literatur, Kunstgeschichte und Pädagogik. Eswar die erste Anstalt in Deutschland, welche die Ausbildung des Erzieherinnenberufs auf FröbelscherGrundlage und die Allgemeinbildung nach der höheren Mädchenschule in einem Lehrplan verband.Auch ihre Mädchenpension nahmen die beiden Schwestern Gosche mit nach Leipzig. Einen Tag in derWoche kam sie nach Halle, um ihre Arbeit im Frauenbildungsverein fortzusetzen.

1911 nahm Agnes Gosche die Direktorenstelle der neu gegründeten Städtischen Frauenschule in Halle an und führte diese mit großem Erfolg bis zu ihrer Pensionierung 1923. Auf ihre Initiative hin war es hier Frauen erstmals möglich, Abschlüsse als Kindergärtnerin, Horterzieherin und Jugendleiterin zu machen. Im Jahre 1908, noch während ihrer Zeit in Leipzig gründete Agnes Gosche den ersten Volkskindergarten in Halle, 1912 folgte auf ihre Anregung die erste Kinderlesehalle. Agnes Gosche hielt zahlreiche Vorträge zu kunstwissenschaftlichen, pädagogischen und frauenpolitischen Themen. Neben ihrer Dissertation veröffentlichte sie 1904 den Aufsatz „Mailand“

in der Zeitschrift „Berühmte Kunststätten“, 1910 einen „Abriss der Kunstgeschichte“ im Verlag des Waisenhauses und Artikel über Kunstgeschichte, Literatur und über die Frauenbewegung in verschiedenen Zeitschriften. Außerdem hat sie an MaÅNrchenbüchern mitgearbeitet. Nachdem in der Zeit der Weimarer Republik das Wahlrecht für Frauen eingeführt worden war, kandidierte Agnes Gosche bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1919 für die Deutsche Demokratische Partei (DDP).

Anlässlich ihres 70. Geburtstages wurde Dr. Agnes Gosche am 26. Aug 1927 zur Ehrenvorsitzenden des Verbandes hallescher Frauenvereine. Sie starb am 14.3.1928 und wurde unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit auf dem Stadtgottesacker beigesetzt.

Antje Löhr-Dittrich