Konserven der Steinzeit – Schildkröten als lebender Proviant

Konserven der Steinzeit – Schildkröten als lebender Proviant
Foto: Manfred Boide
von 25. April 2024

Auf den Spuren unserer Vorfahren aus der Steinzeit führt eine faszinierende Reise zurück in eine Ära, in der die Natur die Speisekammer der Menschheit bildete.
Neue Erkenntnisse, gewonnen aus den tiefen Schichten einer Kiesgrube bei Barleben im Landkreis Börde, werfen ein helles Licht auf die eiszeitlichen Gewohnheiten unserer Ahnen, insbesondere wenn es um ihre Reisen und ihre Nahrungsversorgung ging. Die Kiesgruben im mittleren Elbtal sind längst nicht mehr nur Arbeitsstätten für moderne Bauprojekte, sondern wahre Schatzkammern archäologischer Relikte.
Die Abbaubedingungen, geprägt von einem erhöhten Grundwasserspiegel, machen die direkte Beobachtung von Fundschichten nahezu unmöglich. Stattdessen ist man auf die Hilfe modernster wissenschaftlicher Methoden angewiesen, um die verborgenen Geheimnisse der Vergangenheit zu enthüllen. Hier kommt die Radiocarbonmethode zum Einsatz, um das Alter der Funde zu bestimmen. Geborgen wurden Funde über die Rüttelsiebe der Bagger.
In diesem spannenden Forschungsfeld hat sich der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Uwe Beye als eine entscheidende Figur erwiesen, dessen Engagement maßgeblich zur Entdeckung zahlreicher Artefakte beigetragen hat.
Unter den Funden aus dem Bereich des Adamsees bei Barleben sind Fragmente von Schildkrötenpanzern von besonderem Interesse. Die Altersbestimmung mittels der C4-Methode ergab ein erstaunliches Alter zwischen etwa 42.000 und 50.000 Jahren.
Frau Dr. Friederich vom Landesmuseum für Archäologie kommentiert diese Entdeckungen mit einem Vergleich, der die Schwierigkeiten der archäologischen Arbeit in einer mit Wasser gefüllten Kiesgrube treffend beschreibt: “Die Suche von Funden in einer mit Wasser gefüllten Kiesgrube ist wie die Suche nach einem vierblättrigen Kleeblatt.” Dennoch haben die Bemühungen der Forscher bereits Früchte getragen. Über 275 Funde, darunter die Fragmente von Schildkrötenpanzern, wurden bisher geborgen und warten darauf, ihre Geschichten zu erzählen. Die Frage, ob diese Fragmente tatsächlich als “transportierbare Nahrungsreserven” für eiszeitliche Jäger dienten, wirft ein faszinierendes Licht auf die Überlebensstrategien unserer Vorfahren. Es ist anzunehmen, dass sowohl Neandertaler als auch moderne Menschen sich in nördlichen, kühleren Gefilden aufhielten und möglicherweise Schildkröten als Proviant mitbrachten.
Doch weitere Forschungen sind erforderlich, um diese Hypothese zu bestätigen oder zu widerlegen. Neben den Schildkrötenfragmenten wurden auch etwa 180 Feuersteinartefakte entdeckt, darunter Faustkeile und eine bemerkenswerte 41,8 Zentimeter lange Spitze, möglicherweise aus einem Ur oder Wisent angefertigt.
Diese Funde zeugen von der handwerklichen Geschicklichkeit und den Jagdfähigkeiten unserer Vorfahren, die in einer Welt der eiszeitlichen Herausforderungen um ihr Überleben kämpften.
Die Ausgrabungen in der Kiesgrube bei Barleben bieten einen faszinierenden Einblick in die Lebensweise und Überlebensstrategien der Menschen vor Tausenden von Jahren. Jedes gefundene Artefakt erzählt eine Geschichte von Anpassung, Innovation und dem unermüdlichen Streben nach Nahrung und Sicherheit in einer Welt, die oft unbarmherzig war.
Die weiteren Forschungen werden zweifellos noch viele weitere faszinierende Erkenntnisse über unsere fernen Vorfahren ans Licht bringen und unser Verständnis ihrer Lebensweise weiter vertiefen.

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