Mindestlohn bedroht Sonderkulturen und schädigt Kulturlandschaften – Arbeitsplätze im Obstbau in Gefahr

von 13. Juni 2014

Löhne und Preise werden auf dem Markt gebildet, nicht im Bundestag.

Zugleich sind wir für tariflich geregelte Lohnuntergrenzen für alle unsere Fachkräfte und Arbeitnehmer in sozialversicherungsrelevanten Beschäftigungsverhältnissen. Der Obstbau in Deutschland als besonders betroffene Branche wurde als Sozialpartner bei der Entwicklung des Gesetzentwurfes zum Mindestlohn ignoriert und nicht in einen Dialog involviert.

Das Obst in verkaufsfähiger Qualität zu produzieren, bedarf intensiver Handarbeit. Insbesondere die Ernte (Hilfsarbeiten zu saisonalen Arbeitsspitzen) ist nur durch den überdurchschnittlichen Einsatz mit Saisonarbeitskräften einzubringen. Zur Bewältigung der Arbeitsspitzen sind in Sachsen und Sachsen-Anhalt über das Jahr mehr als 8000 Arbeitskräfte, vor allem Hausfrauen, Studenten und Rentner aus Deutschland und anderen EU-Mitglieds-Staaten saisonal kurzfristig beschäftigt, d.h. eine Beschäftigung von weniger als 50 Arbeitstagen im Jahr als Zuverdienst zum Einkommen im Heimatland, sozialversicherungsfrei, mit einer Auszahlung Bruttolohn = Nettolohn.

Unsere Obstbaubetriebe stehen in direkter Konkurrenz mit Produkten aus anderen europäischen und außereuropäischen Staaten. Durch die wesentlich geringeren Mindestlöhne, z.B. in Spanien 3,91 EUR/Std., in Polen 2,21 EUR/Std. und in Rumänien 0,92 EUR/Std., liegen die Produktionskosten in diesen EU-Ländern erheblich unter denen in Deutschland.

Bei uns liegt der Anteil der gesamten Arbeitskräftekosten z.B. bei der Apfelproduktion bei ca. 50%. Der Anteil der Arbeitskräftestunden, davon allein nur für Erntearbeiten, liegt bei ca. 71%. Mit dem vorgesehenen Mindestlohn werden wir gezwungen, für die Hauptkostenart Ernte das 3,9-fache zu zahlen gegenüber dem direkten Konkurrenzprodukt im Nachbarland Polen. Dieses Land ist Europas größter Apfelproduzent mit derzeit 3,5 Mio. t – Tendenz steigend auf 4 Mio. t (Deutschland ca. 1 Mio. t, Italien ca. 2 Mio. t).

Der aktuelle Erdbeerpreis im Großhandel liegt zwischen 80 und 90 Cent/kg für den Erzeuger.

Der Erdbeeranbau ist damit noch stärker gefährdet. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe geht dabei verloren. Die Folge ist eine Reduzierung der Produktion von besonders arbeitsintensiven Kulturen, wie den Erdbeer-, Kirsch- und auch den Apfelanbau.

Eine Kulturlandschaft wird verloren gehen.

Die Obstbauern haben alle Bundestagsabgeordneten aus Sachsen und Sachsen-Anhalt zu diesem Problem informiert und zu persönlichen Gesprächen eingeladen. Die Präsenz war von Seiten der CDU gut. Es wurde Verständnis zum Thema gezeigt und der Diskussionsstoff mit nach Berlin genommen.

Von der SPD und Die Linke kamen wenige Vertreter, andere Parteien reagierten auf unser Anschreiben und die Einladung gar nicht.

In den Gesprächen konnten wir feststellen, dass die Abgeordneten von der SPD und den Linken die Probleme der Branche leider überhaupt nicht kennen und den Spezialkulturanbau nicht verstehen.

Wirforderneine generelle Ausnahmeregelung vom Mindestlohn fürallekurzfristigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungen.

Im Obstbau sind das Hilfsarbeiten zu saisonalen Arbeitsspitzen, insbesondere die Ernte und Erntenebenarbeiten sowie die Handausdünnung. Für diese Arbeiten sind nur im geringen Umfang deutsche Arbeitskräfte verfügbar, es sind überwiegend Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland tätig. Die Arbeiten sind saisonal eng begrenzt und dienennichtzur Sicherung des Lebensunterhaltes. Sie sind Zusatz- bzw. Nebeneinkünfte des o.g. Personenkreises.

Da der Bruttolohn dem Nettolohn entspricht, werdenkeine Abgaben an die Sozialversicherung getätigt. Eine Entlastung des Sozialversicherungssystems erfolgt nicht.

Der Landesverband „Sächsisches Obst“ e.V., ein Zusammenschluss der Obsterzeuger Sachsens und Sachsen-Anhalts, vertritt die Interessen seiner Mitglieder. Der Verband sorgt für umfassende Informationen über wirtschaftliche und politische Angelegenheiten, die mit dem Obstbau in Zusammenhang stehen.

Mit einer Anbaufläche von über 4800 ha Obst und einem Ertragspotenzial von über 130.000 t Obst gehört er zu den großen Obstanbauregionen in Deutschland. In den 86 Mitgliedsbetrieben inklusive der Vermarktung arbeiten über 1000 Arbeitskräfte und Familienmitglieder.

Mit der Einführung des Mindestlohnes sind auch diese Arbeitsplätze in Gefahr.