Kirchenkreis setzt den Rotstift an

von 21. April 2012

Nicht nur die Städte und Landkreise klagen über den Einwohnerschwund in Sachsen-Anhalt. Auch die Kirchen trifft es hart. Der evangelische Kirchenkreis will sich von dieser Entwicklung nicht überraschen lassen. Am Samstag hat die Kreissynode bei ihrer Tagung den Weg frei gemacht für die neue Stellenplanung, die bis ins Jahr 2025 reicht. „Prognosen gehen davon aus, dass die Zahl der Gemeindemitglieder von jetzt 31.000 in diesem Zeitraum auf nur noch 22.300 zurückgeht“, sagte Superintendent Hans-Jürgen Kant. Die Zahl der Einwohner im Territorium des Kirchenkreises Halle-Saalkreis, der neben Halle und dem nördlichen Saalekreis auch Teile des Salzlandkreises bei Könnern umfasst, werde von aktuell 380.000 auf 279.000 sinken. Den drastischen Rückgang der Gemeindeglieder führt Kant auf einen Rückgang auf dem Land zurück, einige städtische Gemeinden konnten dagegen sogar neue Mitglieder gewinnen.  Es kann schon als revolutionär bezeichnet werden, in der Stellenplanung bis ins Jahr 2025 zu schauen. „Wir haben Mut, Schwerpunkte zu setzen“, so Kant. Das honorierten auch die Synodale. Sie lobten die Weitsicht, immerhin stehe man dadurch nicht jedes Jahr vor der immergleichen Diskussion um Stellenpläne und könne endlich mehr inhaltlich in den Gremien arbeiten. Am Ende gab es sogar eine überwältigende Mehrheit für den Stellenplan. 31 Mitglieder der Kreissynode votierten für den Plan, 4 waren dagegen und 5 enthielten sich. Beschlossen wurde daneben, eine auf drei Jahre befristete Kreispfarrstelle einzurichten. Die Gelder dafür kommen aus der Personalkostenrücklage, die Stelle erscheint deshalb nicht im Stellenplan. Zuvor hatten sich bereits der Kreiskirchenrat und der Stellenausschuss mit dem Plan befasst. Und der sieht enorme Einschnitte vor. 41,30 Stellen hat der Kirchenkreis aktuell, 2025 sollen davon noch 32,85 übrig bleiben. Schaut man auf das Jahr 2010, fällt die Kürzung sogar noch drastischer aus. 44,8 Stellen hatte der evangelische Kirchenkreis damals noch. Die Zahlen hinter dem Komma kommen dadurch zustande, dass nicht jede Stelle eine Vollzeitstelle ist.  In den einzelnen Gemeinden stießen die Kürzungen freilich nicht immer auf Wohlwollen. Mehr als 30 Schreiben hat Superintendent Kant erhalten. Diese würden in Zahlen ausgedrückt ein Mehr von 5 bis 6 Stellen bedeuten.  [b]Zuschnitte der Pfarrbereiche als Kritikpunkt[/b]Dass die Pfarrstelle Halle-Neustadt aufgehoben und mit Nietleben, Zscherben und Angersdorf zu einer neuen Pfarrstelle zusammengefasst werden soll, sorgte vor allem beim jetzigen Neustädter Pfarrer Holger Herfurth für Unbehagen. Denn sobald er in den Ruhestand geht, ist es mit der Eigenständigkeit der Neustädter vorbei. „Ich finde das nicht sinnvoll, Neustadt ist der größte hallesche Stadtteil“, sagte er. Daneben sei der Gemeindekirchenrat nicht angehört worden. „Das ist ein politisch falsches Signal.“ Andere Redner kritisierten den geplanten Zuschnitt der Pfarrbereiche gerade auf dem Land. „Dieser Zuschnitt ist nicht günstig“, sagte beispielsweise der Schochwitzer Pfarrer Heiner Urmoneit und verwies auf so entstehende lange Fahrwege. Immerhin würden der südwestliche Bereich des Kirchenkreises von Schockwitz bis Lochau gehen, der nordöstliche von Hohenthurm bis Könnern. Herr Eichner sprach gar von „Bananenbereich“ um die Stadt Halle drumherum. Es sei nicht zukunftsfähig, das Land so abzukoppeln. Und Pfarrer Helmut Becker erachtete es als nicht sinnvoll, den Bereich Bartholomäus-Petrus mit Marktkirche und Laurentius zusammenzulegen und sich mit diesen die Mitarbeiter zu teilen. Wie sich in den Diskussionen immer mehr herausstellte, gibt es zumindest bei den Zuschnitten der Pfarrbereiche noch einigen Diskussionsbedarf. Deshalb wurde dieser Bereich zunächst einmal abgekoppelt und soll in der Herbstsynode neu beraten werden. Vorschläge gab es unter anderem, den Kirchenkreis mit den Pfarrbereichen von der Mitte her wie ein Tortenstück aufzuteilen.  [b]Jahresrechnung[/b]Weniger strittig war dagegen die Jahresrechnung für das Jahr 2011. Einstimmig wurde diese abgesegnet. Der Kirchenkreis hatte im vergangenen Jahr Einnahmen von 10,8 Millionen Euro und Ausgaben von 9,2 Millionen Euro. Kurze Nachfragen gab es zum angelegten Vermögen des Kirchenkreises. Dies liegt vorrangig bei einer Genossenschaftsbank. Finanziell unterstützt wurden im vergangenen Jahr unter anderem die Telefonseelsorge (15.000 Euro), Bahnhofsmission (30.000), Stadtmission (35.000), Freie Schulen (15.000), Jugendwerkstatt Bauhof (48.000).  [b]2-Prozent-Appell[/b]Zwei Prozent der Kirchensteuereinnahmen fließen in die Partnerschafts- und Entwicklungsarbeit. Der evangelische Kirchenkreis will über den Verein Osteuropahilfe ein Kinderheim in der Ukraine unterstützen und die Bedingungen verbessern.  Judith Wache berichtete dazu von ihren Erfahrungen dort während ihres freiwilligen sozialen Jahres. 170 Kinder gebe es in dem Heim, sagte sie. Diese seien teilweise schwerst und mehrfach behindert. Problem sei, dass Behinderte in der Ukraine nicht anerkannt seien und abgewertet würden. Sie selbst hat in dem Heim in einer Gruppe von 40 Kindern gearbeitet, die in vier Zehn-Betten-Zimmern untergebracht waren. „Viele konnten nicht essen, nicht reden und teilweise sogar nicht einmal spielen“, so Judith Wache. Das liege auch daran, dass es in dem Heim nur wenig Spielsachen gebe. Das Füttern der Kinder gehe im Heim nach dem Schnelligkeitsprinzip. Kaum jemand nehme sich Zeit für die Jungen und Mädchen. Dem kleinen Artjom habe sie in ihrer Zeit beibringen können, den Löffel selbst zu halten und zu essen. Ein kleines Mädchen im Heim habe an einem Wasserkopf gelitten, doch das Geld für eine Operation fehlte. Neben dem Kinderheim hat sich Judith Wache auch in einem Altenheim mit 200 Bewohnern umgesehen, wo auch die behinderten Jugendlichen ab 18 Jahren untergebracht werden und vor sich hin vegetieren. Die Sanitäranlagen seien in einem schlimmen Zustand, die Bäder verrostet. Geholfen hat sie auch in einer Suppenküche, in der täglich 35 Menschen warmes Mittagessen bekommen. 50 Personen erhalten dort monatliche Lebensmittelpakete.