Gedanken zum “HASI”

von 15. Februar 2016

Im Haus selbst ist es kalt und dunkel, die Fenster der ersten Etage vermauert, Vorhänge oder Felle verhängen die Türen, um die Wärme eines Ofens im Haus zu halten. Nicht alle Räume sind beleuchtet, mit der Taschenlampe des Smartphones leuchte ich in einige Zimmer. Dort steht ein Schlagzeug, liegen alte Kochtöpfe, sowie alte Matratzen und Schlafsäcke – wenig einladend. In der ersten Etage repariert jemand sein Fahrrad, die anderen sitzen beisammen, essen veganen Kuchen und unterhalten sich in verschiedenen Sprachen. Keinen stört es, dass ich mir alles ansehe; in fremden Eigentum einfach umhergehe. Da, mir wird Kuchen angeboten, aber schon danach wird sonst keine Notiz mehr von mir genommen. In der Küche, wohlgemerkt ein Raum mit Strom aber ohne Wasseranschluss, werde ich dann doch noch angesprochen. Mein Gegenüber kommt aus Leipzig, studiert Lehramt in Halle. Die anderen Besetzer seien vielfach Burgstudenten.

Im Gespräch erklärt er mir, dass sie seit Monaten ein Haus für eine Besetzung gesucht haben. Jetzt planen sie, Wände herauszureißen, das Haus gar umzubauen. Er zeigt mir einen Bauplan – eine 2D-Skizze – an der Wand. Morgen käme einer von der HWG, der zeigen würde, welche Wände nicht tragen. Offenkundig toleriert sie die Besetzung.

Und ansonsten – Strom soll bald bereitgestellt werden. Kostenlos versteht sich. Der Wasseranschluss dauert wohl noch, aber die Nachbarn würden das auch gerne bereitstellen. Aber haben die Nachbarn nicht eine Unterschriftenliste gegen die Besetzung veranlasst? Ja, doch, aber die sollen es sich hier mal anschauen kommen, wir wollen den Ort ja entwickeln, lautet die barsche Antwort.

Was denn ihr Ziel sei, frage ich weiter. Die Antwort ist zugleich eine Kritik. Die Stadt sagt, sie brauche Orte, wo Flüchtlinge Deutsch lernen könnten, finden aber keine. Hier ist jetzt der Platz. Unten sollen Tanzkurse stattfinden. Gemeinsame Kochabende, ein Kinosaal soll eingerichtet, ein Ort der Begegnung geschaffen werden.

Mit welchen Geldern, frage ich. Das sollen natürlich die anderen bezahlen – ach ja, wie den Strom – die Stadt brauche ja schließlich die Räume. Man habe eine Idee und jetzt hier den Raum gefunden; das klingt so gar nicht nach Besetzung. Das Gefühl, etwas unrechtmäßiges hier zu veranstalten, wird mir überhaupt nicht vermittelt. Es sei schließlich ihr recht, ihre Vision hier umzusetzen.

Dann fällt mir natürlich ein: ich muss Miete zahlen, ich muss Strom, Wasser, Heizung bezahlen. Anscheinend bin ich weniger klug. Vielleicht sollte ich mir auch mal ein Haus der HWG suchen und das einfach besetzen – ähh natürlich sozialen Wohnraum bereitstellen. Ja, warum denn nicht? Weil ich wohl noch fremdes Eigentum achte. Was soll es, bin halt zu konservativ, ja rechtsschaffend, würde ich sagen.

Ich verlasse das Haus, so unbemerkt, wie gekommen. Im Garten rattert weiter dumpf der Generator . Der erinnert mich übrigens an die Zeiten nach dem Hochwasser, als in meiner Straße so welche auch unentwegt liefen. Die Nächte waren laut. Ich verstehe jeden Anwohner, jeden rechtschaffenden Mieter, der sich beschwert. Und der Sommer der Gartengrillpartys steht noch bevor.

Nun gut, anscheinend reicht es in Deutschland inzwischen schon aus, eigenwillige Visionen zu haben, um die Rechtsstaatlichkeit ungestraft zu missachten – und das legitimiert zu bekommen. Haben unsere Politiker und die HWG Angst vor einer klaren Meinung gegen solche linken Projekte? Ich jedenfalls muss zum Grillen weiter auf die Peißnitz gehen – oder eben doch ein Haus mit Garten besetzen.

von Michel Kleinhans