Post- und Long-Covid in Sachsen-Anhalt

Post- und Long-Covid in Sachsen-Anhalt
2023 wurden weniger Menschen in Sachsen-Anhalt aufgrund von Long- oder Post-Covid krankgeschrieben. Mit mehr als 30 Tagen haben die Betroffenen aber sehr lange Fehlzeiten. Foto: AOK-Mediendienst
von 4. März 2024 0 Kommentare

Die Zahl der Menschen in Sachsen-Anhalt, die nach einer akuten Covid-19-Infektion wegen Post-Covid, Long-Covid oder eines chronischen Erschöpfungssyndroms krankgeschrieben werden mussten, lag im vergangenen Jahr deutlich niedriger als in den „Pandemie-Jahren“ 2021 und 2022. Die Betroffenen haben aber weiterhin sehr lange Fehlzeiten. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Die Bilanz der allgemeinen Krankmeldungen für das Jahr 2023 zeigt erneut einen sehr hohen Krankenstand auf dem Niveau des Rekordjahres 2022.

 

Laut der Auswertung sind in Sachsen-Anhalt seit Beginn der Pandemie im März 2020 bis einschließlich Dezember 2023 rund 56.000 durchgehend erwerbstätige AOK-Versicherte mindestens einmal im Zusammenhang mit einer akuten Covid-19-Infektion krankgeschrieben worden. Das sind 29,7 Prozent bzw. fast jeder Dritte der rund 190.000 ausgewerteten durchgehend erwerbstätigen AOK-Versicherten in Sachsen-Anhalt.

Von diesen akut erkrankten Personen wurde bei 2,7 Prozent (1.515 Personen) mindestens einmal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund einer Long-Covid-Diagnose ausgestellt, bei 1,7 Prozent (979 Personen) aufgrund einer Post-Covid-Diagnose. Bei 0,3 Prozent (144 Personen) gab es eine Folge-Krankschreibung aufgrund des chronischen Fatigue-Syndroms (CFS). Dazu kommen 989 Versicherte mit einer Post-Covid-Diagnose und 226 Versicherte mit einer CFS-Diagnose, bei denen vorab keine akute Covid-19-Erkrankung dokumentiert wurde. Insgesamt litten somit im Auswertungszeitraum 3.853 Personen mindestens einmal an Long-Covid, Post-Covid oder CFS.

„Die Analyse zeigt aber auch, dass zuletzt deutlich weniger Menschen wegen Post-Covid, Long-Covid oder CFS krankgeschrieben waren als in den Jahren 2021 und 2022“, sagt Rene Bethke, Leiter des Bereiches Gesundheitsmanagement bei der AOK Sachsen-Anhalt. „Der Spitzenwert lag 2023 im Januar bei 280 Betroffenen je 100.000 AOK-versicherten Beschäftigten und damit noch deutlich unter dem niedrigsten Wert des Jahres 2022“, sagt Bethke. 2022 lag der Spitzenwert im April noch bei 590, der niedrigste Wert bei 292.

 

Lange berufliche Ausfallzeiten bei Spätfolgen einer Infektion

Die Analyse zeigt weiterhin, dass Long-Covid zu deutlich längeren Ausfallzeiten führt. So lag die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (AU) bei Long-Covid-Erkrankungen in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt bei 38,8 Tagen je AU-Fall. Bei Post-Covid-Erkrankungen waren es 30,9 Tage je Fall, bei CFS 34,9 Tage je Fall. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag die allgemeine durchschnittliche Krankheitsdauer bei 12,9 Tagen je Fall. Langzeitarbeitsunfähig, also 43 Tage oder länger, waren 22 Prozent aller Long-Covid-Betroffenen, 13 Prozent aller Post-Covid-Betroffenen sowie 17 aller CFS-Betroffenen.

In diesem Zusammenhang gibt das die Auswertung durchführende WIdO zu bedenken, dass die tatsächliche Anzahl der betroffenen Beschäftigten möglicherweise höher ist, als es die vorliegenden Zahlen vermuten lassen. „So muss nicht jeder von Spätfolgen betroffene Beschäftigte in der Praxis mit den berücksichtigten Diagnosen arbeitsunfähig geschrieben werden“, betont WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder. „Unsere Analysen der Arbeitsunfähigkeitsdaten erlauben aber trotz aller Limitationen immer noch die bestmögliche Quantifizierung der Spätfolgen von Covid-19-Infektionen in der erwerbstätigen Bevölkerung.“

Grundsätzlich wird eine realitätsgetreue Abbildung der Ausfallzeiten aufgrund der langfristigen Folgen von Covid-19-Infektionen durch viele Faktoren erschwert, wie z.B. durch die Verteilung des Krankheitsgeschehens auf diverse Abrechnungsdiagnosen, unterschiedliche Dokumentationsgewohnheiten bei den Leistungserbringern und die Vielzahl unterschiedlicher Folgeerkrankungen von akuten Covid-Infektionen. „Auch das Robert-Koch-Institut kritisiert in diesem Zusammenhang den Mangel an bevölkerungsrepräsentativen, kontrollierten Studien mit ausreichender Nachbeobachtungszeit, die einen Vergleich von Personen mit und ohne akute Covid-19-Infektion ermöglichen“, erläutert Schröder.

 

Soziale und Gesundheitsberufe am stärksten betroffen

Wie frühere Auswertungen zeigt auch die aktuelle Analyse des WIdO, dass sowohl akute Covid-19-Infektionen als auch deren Spätfolgen am häufigsten unter Beschäftigten in Sozial- und Gesundheitsberufen diagnostiziert wurden. Bei den akuten Covid-Erkrankungen lagen in Sachsen-Anhalt Berufe in der Kinderbetreuung und -erziehung an der Spitze: Fast die Hälfte der Angehörigen dieser Berufsgruppe (40,5 Prozent) war zwischen März 2020 und Dezember 2023 mindestens einmal wegen einer akuten Covid-19-Infektion krankgeschrieben. Damit lagen sie deutlich über dem landesweiten Durchschnittswert von 29,7 Prozent.

Krankschreibungen aufgrund von Long-Covid, Post-Covid oder chronischem Erschöpfungssyndrom kamen in der Berufsgruppe der Sozialverwaltung und -versicherung mit 3,8 Prozent am häufigsten vor, gefolgt von Berufen in der Ergotherapie (3,5 Prozent). „Die vielen sozialen Kontakte in diesen Berufen dürften der Hauptgrund für die besondere Betroffenheit der Sozial- und Gesundheitsberufe sein. Zu beachten sind aber auch unterschiedliche Geschlechtsverteilungen, Altersverteilungen und damit verbundene Vorerkrankungen in den verschiedenen Berufsgruppen“, erläutert Bethke.

 

Frauen und ältere Menschen besonders betroffen

Die Auswertung zeigt auch, dass Frauen offensichtlich häufiger von Spätfolgen aufgrund einer Covid-Erkrankung betroffen sind. Zwischen März 2020 und Dezember 2023 gab es bei den Frauen 1.025 Erkrankte je 100.000 Mitglieder aufgrund von Long-Covid. Bei den Männern waren es mit 589 Erkrankten je 100.000 Mitglieder nur fast halb so viele. Bei Post-Covid ergibt sich ein ähnliches Bild: Während bei den Männern 724 je 100.000 Mitglieder erkrankten, gab es bei den Frauen 1.376 Erkrankte je 100.000 Mitglieder. Bei CFS gab es bei den Männern 125 Erkrankte je 100.000 Mitglieder, bei den Frauen 271.

„Ein Grund dafür könnte sein, dass der Frauenanteil in den Berufen, die am häufigsten von Krankschreibungen aufgrund von Covid betroffen sind, besonders hoch ist, wie etwa in Sozial- und Gesundheitsberufen oder der Kindererziehung. Als Folge waren auch mehr Frauen von akuten Covid-Erkrankungen betroffen, die zu Spätfolgen führen können“, so Bethke.

Die Ergebnisse des WIdO zeigen außerdem, dass ältere Beschäftigte häufiger wegen der Spätfolgen einer Covid-19-Infektion ausfallen. So entfallen beispielsweise mehr als 43 Prozent aller Long-Covid-Fälle auf die Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen. Über alle anderen Erkrankungen hinweg entfallen nur 32 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle auf diese Altersgruppe. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Post-Covid-Erkrankungen und beim chronischen Fatigue-Syndrom.

 

Allgemeiner Krankenstand 2023 weiter auf sehr hohem Niveau

Der allgemeine Krankenstand in Sachsen-Anhalt lag 2023 mit 7,9 Prozent auf dem historischen Höchststand von 2022. Nachdem die Corona-Pandemie im Jahr 2022 für einen Spitzenwert bei den beruflichen Fehlzeiten aufgrund von Atemwegserkrankungen gesorgt hatte, sind diese im Jahr 2023 wieder etwas rückläufig. „Die Erkältungswellen hatten Deutschland aber auch 2023 wieder fest im Griff – sowohl am Anfang als auch am Ende des Jahres“, so Bethke.

Während 2019, also im Jahr vor der Pandemie, fast jeder vierte Beschäftigte (23,1 Prozent) in Sachsen-Anhalt wegen einer Atemwegserkrankung krankgeschrieben werden musste, war es 2023 mehr als jeder Dritte (39,9 Prozent). Die Dauer der Krankschreibungen pro Fall nahm bei den Atemwegserkrankungen zuletzt etwas ab (von 8,5 AU-Tagen je Fall im Jahr 2022 auf 7,5 Tage je Fall im Jahr 2023).

Auch bei den psychischen Erkrankungen gab es von 2019 bis 2023 einen starken Anstieg um 28 Prozent. Die AU-Quote aufgrund psychischer Erkrankungen lag 2023 in Sachsen-Anhalt bei 10,4 Prozent. Das ist im Vergleich zum Vorjahr 2022 (AU-Quote: 9,3 Prozent) ein Plus von 12 Prozent. „Die psychischen Erkrankungen sorgten somit für wesentlich weniger Krankschreibungen als die Atemwegserkrankungen, aber die damit verbundenen Ausfallzeiten sind deutlich länger“, berichtet Rene Bethke. Die durchschnittliche Dauer der Krankschreibungen aufgrund von psychischen Erkrankungen war zwar mit 26,9 Tagen im Vergleich zu 2022 (28,9 Tage) zuletzt etwas rückläufig, lag aber immer noch höher als 2019, also dem Jahr vor der Pandemie. „Der langjährige Trend bei den psychischen Erkrankungen ist ungebrochen. Sowohl die Anzahl der Betroffenen als auch die damit verbundenen Ausfalltage in den Betrieben Deutschlands steigen seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend nochmals beschleunigt“, so Bethke.

Bei der AU-Quote der Muskel-Skelett-Erkrankungen war zwischen 2019 und 2023 ebenfalls ein Anstieg um 19 Prozent zu verzeichnen. Gleichzeitig zeigt sich bei den damit verbundenen Ausfallzeiten je Fall ein deutlicher Trend nach unten: Während die Beschäftigten 2019 noch durchschnittlich 20,3 Tage pro Fall krankgeschrieben waren, waren es 2023 17,7 Tage je Fall.

 

Hilfe für Betroffene:

Die AOK bietet Personen, die wegen einer COVID-Infektion an Long-COVID-Symptomen leiden, ein Online-Programm an. Der „Long-COVID-Coach“ ist mit Hilfe von Expertinnen und Experten entstanden und gibt allgemeine Auskünfte über die Erkrankung, Diagnostik und Therapie. Auch spezifische Symptome, wie das Fatigue-Syndrom und Atemnot, werden thematisiert. Inhalte des Coaches werden mit verständlichen Informations- und Übungsvideos kostenfrei, anonym und für jeden frei zugänglich zur Verfügung gestellt.

Weitere Informationen unter Long-COVID-Coach | AOK Sachsen-Anhalt (deine-gesundheitswelt.de)

Menschen, die am Erschöpfungssyndrom nach einer Covid-19 Infektion leiden, bieten wir außerdem in Kürze begleitend zur ärztlichen Behandlung eine digitale Anwendung, die sie in einem virtuellen Dialog mit vielen Informationen versorgt und therapeutische Übungen zum verbesserten Umgang mit dem Fatigue-Syndroms vorschlägt.

 

Methodische Hinweise zu den Covid-Auswertungen:

Um eine bestmögliche Schätzung der langfristigen Folgen von Covid-bedingten Erkrankungen zu ermöglichen und eine Unterschätzung des Erkrankungsgeschehens zu minimieren, wurden in den Analysen der Arbeitsunfähigkeitsdaten zusätzlich zur expliziten Diagnose „Post-Covid-Zustand“ (Diagnose-Code U07.4, U09 und U09.9) die Diagnosen Long-Covid und CFS berücksichtigt. Von einer Long-Covid-Erkrankung wird gesprochen, wenn die Beschwerden der Patientinnen und Patienten länger als 28 Tage andauern und im Zusammenhang mit einer Diagnose stehen, die vornehmlich zur Attestierung akuter Covid-Erkrankungen genutzt wird (Diagnose-Codes U07.1, U07.2, U07.3, U7.5, U08, U08.9, U10 und U10.9). Long-Covid-Erkrankungen werden in den Arztpraxen nicht als eigenständige Abrechnungsdiagnose dokumentiert. Vor diesem Hintergrund wurden bei der Berechnung der Falldauer von Long-Covid-Erkrankungen jeweils 28 Tage pro Fall abgezogen.

Zusätzlich ist in den Analysen auch die Diagnose „Chronische Fatiguesyndrom/Myalgische Enzephalopathie“ (Diagnose-Code G93.3) berücksichtigt. Sie gilt als häufig spezifisch postvirale, langjährige und in Analysen zu den Folgen der Covid-19-Pandemie bisher vernachlässigte Erkrankung. In einer Analyse der AU-Tage aufgrund dieser Diagnose zeigt sich seit 2018 ein Anstieg von über 350 Prozent – bei allen anderen Erkrankungen waren es dagegen nur 20,1 Prozent. Darüber hinaus werden Post-Covid-Erkrankungen teilweise über die Diagnosen Fatigue (ICDs: G93, F43, F48), Dyspnoe (ICDs: R06, J96, F45) oder kognitive Störungen (ICDs: F06, F07) abgerechnet. Die Spätfolgen einer akuten Covid-19-Infektion können sich zudem in organspezifischen Erkrankungen sowie in unterschiedlichen psychosomatischen und psychiatrischen Beschwerden äußern. Da jedoch nicht alle Betroffenen dieser Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Covid-Infektion stehen müssen, kann man den Anteil der Betroffenen in diesen Diagnosegruppen auf Basis von Routinedaten nicht erfassen.

         

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