Zwei Physiologen der Medizinischen Fakultät Halle forschen in DFG-Projekten

Zwei Physiologen der Medizinischen Fakultät Halle forschen in DFG-Projekten
von 5. Dezember 2018

„Der P2X7-Rezeptor ist ein Eiweißmolekül, das sich in der Zellmembran von Immunzellen wie Lymphozyten, Makrophagen und Mikrogliazellen des Gehirns befindet“, erklärt Professor Markwardt. Der Rezeptor sei in Entzündungs- und Schmerzgeschehen involviert, weswegen Erkenntnisse über die Struktur und Funktion dieses Moleküls helfen können, neue Schmerzmittel und entzündungshemmende Wirkstoffe zu entwickeln.

P2X7 sei ein Rezeptormolekül, das auf die Anwesenheit des Moleküls Adenosintriphosphat (ATP) im Extrazellulärraum, also außerhalb der Zelle, reagiere. „Normalerweise ist ATP ein wichtiger Energieträger in den Zellen, der eine Vielzahl von Zellreaktionen antreibt. Werden Zellen unter krankhaften Bedingungen gestresst oder gar zerstört, geben sie ATP ab“, so Markwardt. ATP fungiere durch Bindung an den P2X7-Rezeptor als Gefahrensignal für das Immunsystem, das dann Entzündungs- und Schmerzreaktionen auslöse.

Wie genau ATP diesen Einfluss auf das Immunsystem (Immunmodulation) ausübt, ist noch nicht vollständig geklärt. Klar ist laut Markwardt aber, dass die ATP-Bindung eine Ionenkanalpore des P2X7-Rezeptors öffnet, was zu einem dauerhaften Einstrom von Natrium- und Kalzium-Ionen in die Zelle und zu einem Ausstrom von Kalium-Ionen aus den Zellen führt. Die daraus resultierenden Veränderungen der Ionenkonzentrationen können die Immunmodulationen auslösen. Die dauerhafte Aktivierung der P2X7-Rezeptoren führt zudem zur Ausbildung weiterer, größerer Poren in der Zellmembran, was möglicherweise für die Immunantwort von Bedeutung sein kann.

Das Projekt „Einfluss der extrazellulären Gewebeazidose auf die microRNA-Expression in Tumoren und Bedeutung dieser microRNAs für funktionelle Zelleigenschaften“ von Prof. Oliver Thews kann indes für die klinische Onkologie relevante Ergebnisse liefern. „Tumoren unterscheiden sich von Normalgeweben nicht nur darin, dass sich die Zellen unbeschränkt sehr schnell teilen, sondern sie besitzen auch verschiedene besondere Eigenschaften bezüglich der Physiologie und des Stoffwechsels“, sagt Thews. So finde man in vielen Tumoren einen ausgeprägten Sauerstoff-Mangel (Hypoxie), sodass die Zellen ihre Energie ohne Sauerstoff gewinnen müssen, wobei Glukose zu Milchsäure umgesetzt werde. Auch sei bekannt, dass Tumoren, selbst wenn ausreichend Sauerstoff zur Verfügung stehe, weiterhin Milchsäure produzieren, der sogenannte „Warburg-Effekt“. Neben der Hypoxie sei daher eine weitere charakteristische Eigenschaft eine Übersäuerung des Gewebes, Azidose genannt.

„Diese metabolischen Besonderheiten beeinflussen negativ das bösartige Verhalten von Tumoren, wie beispielsweise die Wachstumsgeschwindigkeit oder die Metastasierung. Die Mechanismen, wie die Übersäuerung dieses maligne Potenzial verändert, sind aber bisher nur unvollständig verstanden. Das aktuelle DFG-Projekt soll daher dazu dienen, die Zusammenhänge näher zu beleuchten, wobei ein neuer Aspekt im Mittelpunkt steht, nämlich die Bedeutung kleiner nicht-codierender RNA, sogenannter microRNA, die in der Zelle eine regulierende Funktion einnehmen, indem sie die Synthese von Funktionsproteinen hemmen oder fördern können“, sagt Thews. Die Hypothese sei, dass das saure Milieu des Tumors die Bildung von spezifischen microRNAs beeinflusse, und diese somit das maligne Verhalten des Tumors verändern. In Voruntersuchungen konnte bereits gezeigt werden, dass die microRNAs miR-7, miR-183, miR-203 und miR-215 säureabhängig verändert werden, sodass genau diese nun im Fokus stehen.

„Es wird daher analysiert, welche Funktionsproteine von Tumorzellen durch den sauren pH-Wert und durch microRNA-Veränderungen beeinflusst werden. Gleichzeitig wird der Einfluss von Veränderungen dieser microRNAs auf das Wachstumsverhalten, den Zelltod, das Migrationsverhalten sowie die Metastasierung von Tumorzellen untersucht“, sagt Thews. Hierzu werden die Zellen durch Einschleusen von microRNA verändert und das biologische Verhalten beispielsweise mittels Zeitraffer-Mikroskopie beobachtet. Die Ergebnisse sollen mit denen an Normalzellen verglichen werden, um tumorspezifische Besonderheiten zu identifizieren.

„Schließlich stellt sich noch die Frage, über welchen Weg die Azidose im Tumor die Synthese der microRNAs beeinflusst. Hierfür soll die Regulation der microRNA-Neubildung untersucht werden, wobei verschiedene Signalwege im Fokus stehen. Aus den Ergebnissen des Projekts können sich allgemeine zellbiologische Erkenntnisse zur Regulation der microRNA-Expression beziehungsweise -Funktion durch extrazelluläre Stoffwechselfaktoren ergeben, wodurch sich das Verständnis zur Entstehung eines malignen Phänotyps von Tumoren durch das metabolische Mikromilieu verbessert“, sagt Thews.

Für die klinische Onkologie können sich aus den Resultaten potenzielle Ansatzpunkte zur therapeutischen Beeinflussung des biologischen Verhaltens von Tumorzellen ableiten lassen, die entweder in die Synthese von microRNAs eingreifen oder die von den microRNAs regulierten Proteine beeinflussen. „Hierdurch könnte sich beispielsweise das Metastasierungsverhalten von Tumoren hemmen lassen“, so Thews.