Wildkätzchen im Wald lassen!

Wildkätzchen im Wald lassen!
von 25. April 2018

„Immer wieder lesen besorgte Tierfreundinnen und -freunde in dieser Jahreszeit junge Wildkätzchen auf, bringen sie zu Tierärzten oder Schutzstationen oder behalten sie einfach zu Hause. Davon raten wir dringend ab. Das Muttertier ist in der Regel nicht weit weg, gerade kurz auf Mäusejagd oder versteckt sich in unmittelbarer Nähe“, erläutert Nicole Hermes, Wildtierexpertin und Projektkoordinatorin des BUND-Regionalverbands Halle-Saalekreis. Zudem sei das Immunsystem der Wildkatze und insbesondere der Jungtiere nicht gegen Infektionen mit Hauskatzenkrankheiten gewappnet. Hermes rät: „Die Jungtiere sollten wenn überhaupt nur kurz aus größerer Entfernung beobachtet werden. Die Haltung der streng geschützten Wildkatzen in Privathaushalten ist darüber hinaus verboten. Die Tiere landen dann bestenfalls in Schutzstationen. Auswilderungen – wieder zurück in die freie Natur – klappen leider nicht immer. Daher gilt: Bitte nicht anfassen oder stören. Wenn Zweifel bestehen, ist es sinnvoll, den BUND-Regionalverband Halle-Saalekreis zu kontaktieren, und die Stelle, an der die Kätzchen gesichtet wurden, mitzuteilen. Meine Kollegin Therese Thümmler und ich kümmern sich dann darum.“

Junge Wildkatzen - Foto Thomas Stephan- BUND

Junge Wildkatzen – Foto Thomas Stephan- BUND

Häufig werden die grau-getigerten Wildkätzchen für Nachwuchs verwilderter Hauskatzen gehalten. „Insbesondere junge Wildkatzen sehen Hauskatzen zum Verwechseln ähnlich“, erläutert Projektmitarbeiterin Therese Thümmler. „Wenn sie älter werden, verblasst die Fellzeichnung und sie sind durch ihren kräftigen Körperbau und den buschigen Schwanz mit stumpfer, schwarzer Spitze als Wildkatze besser zu erkennen.“

Für die Aufzucht ihres Nachwuchses benötigen Wildkatzen Baumhöhlen, Totholz, umgeworfene Wurzelteller und dichtes Gestrüpp als Versteck für ihre Jungen. Sturmtief Friederike hatte Mitte Januar unzählige Bäume entwurzelt und damit vielerorts ideale natürliche Wurf- und Ruheplätze für die Wildkatze geschaffen. Fehlen diese, nutzen Wildkatzenmütter immer wieder auch Holzstapel, sogenannte Holzpolter. „Wenn Holzpolter oder vom Sturm geschaffene Verstecke in der Aufzuchtzeit der Wildkätzchen abgeräumt werden, können junge Wildkatzen leicht umkommen“, erläutert Hermes. „Wir fordern deswegen Förster und Försterinnen sowie Waldbesitzer auf, die Chance für strukturreichere Wälder zu nutzen und den Windwurf der Winterstürme wo immer möglich in den Wäldern zu belassen. Bei der regulären Holzernte sollten die Polter am besten erst im September beräumt oder das gewonnene Holz sofort und ohne Zwischenlagerung im Wald abtransportiert werden, um das Risiko für die gefährdete Wildkatze zu verringern.“

Erfreut zeigt sich auch Ralf Meyer, Vorsitzender des BUND Sachsen-Anhalt, über die gestiegene Anzahl von Wildkatzen, war die scheue Wildkatze doch einst fast ausgerottet. „Die größte Bedrohung für die Wildkatze ist und bleibt die Zerschneidung und Verarmung ihres Lebensraums durch Ackerflächen, Straßen und Siedlungen. Damit die isolierten Populationen und viele andere gefährdete Tiere eine Überlebenschance haben, ist ein Netzwerk aus miteinander verbundenen Wäldern notwendig.”

Weitere Informationen:

Die Wildkatze ist vor allem in Mittel- und Südwestdeutschland beheimatet. Der Harz ist eines der wichtigsten Verbreitungsareale der Wildkatze in Europa und in Sachsen-Anhalt das einzige Gebiet, in dem sich die Tierart in Zeiten ihrer stärksten Verfolgung als kleine Reliktpopulation halten konnte. Von hier hat sich die Art mittlerweile wieder in das nördliche und südliche Harzvorland ausgebreitet. Mit einem Vorkommen der Wildkatze ist ebenfalls in Gebieten wie dem Fläming oder der Dübener Heide zu rechnen.

Wer Wildkatzenjunge gesehen hat, kann dies dem BUND „Rettungsnetz Wildkatze“ melden: Wildkatze@bund-halle.de