Konjunkturkrise erreicht Sachsen-Anhalt

von 9. April 2009

Das Jahr 2008 war – trotz bereits anhaltenden konjunkturellen Abschwungs – insgesamt ein gutes Jahr für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts. Dies gilt strukturell und insbesondere mit Blick auf die Beschäftigung. Der konjunkturelle Abschwung setzte bereits im Frühjahr 2007, also weit vor der im Herbst 2008 zugespitzten Finanzmarktkrise ein. Der Geschäftsklimaindex der Unternehmen des Landes bewegte sich bei fallender Tendenz konstant unter den Vergleichswerten des Vorjahres. Im vierten Quartal fiel der Index schließlich, getrieben durch äußerst pessimistische Erwartungswerte in allen Branchen, in den negativen Bereich. Dies wirkte sich auch auf die Beschäftigungs- und Investitionspläne der Unternehmen aus. Zu diesen Ergebnissen kommt die Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt (LAG) in ihrem Wirtschaftsreport 2008, für den mehr als 5.000 Unternehmen befragt wurden.

Aktuell wird durch die Umfrageergebnisse deutliche Zurückhaltung bei den Beschäftigungsabsichten sichtbar. Dies sei nach LAG-Meinung nach einem über mehrere Jahre anhaltenden Beschäftigungszuwachs nicht verwunderlich; zudem bedeute “die starke Korrektur der Beschäftigungsabsichten in allen Branchen aber nicht automatisch, dass im Jahr 2009 überall in Größenordnungen Entlassungen zu befürchten sind. Die Unternehmen werden zunächst die Möglichkeiten alternativer Instrumente wie Kurzarbeit oder flexible Arbeitszeitkonten ausschöpfen und ihre Stammbelegschaften, soweit es ihre Auftrags- und Ertragslage zulässt, halten“, schätzt Klaus Olbricht, LAG-Sprecher und Präsident der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, ein.

Bezüglich des wirtschaftspolitischen Handlungsspielraums in der gegenwärtigen Situation betonte Carola Schaar, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau: „Die aktuelle Renaissance der Konjunkturpolitik sehen wir grundsätzlich kritisch. Die konjunkturpolitische Zurückhaltung der Landesregierung mit Verweis auf die dringend gebotene Konsolidierung der Landesfinanzen ist überzeugend. Konjunkturpolitik ist im Kern zusätzliche Staatsverschuldung. Die konjunkturpolitische Hoffnung heißt Beschäftigungsimpulse. Diese Hoffnung ist sehr vage; mancher Wirtschaftshistoriker wüsste zu sagen, noch nie habe ein Konjunkturprogramm seine Wirkung zur rechten Zeit in der richtigen Dimensionierung gezeigt.“

Die aktuellen landespolitischen Forderungen der LAG lauten: Wohnort- und ausbildungsortnahe Beschulung sichern, Senkung der Schulabbrecherquote durch detaillierte Analyse, Engagement für eine Bundesratsinitiative zur Aussetzung der Mauterhöhung, weiterer zügiger Ausbau der Infrastruktur und weitere Verbesserungen im Entwurf des neuen Landesentwicklungsplanes.

Industrie: Unsicherer Blick in die Zukunft
Die konjunkturelle Dynamik in der Industrie hat deutlich nachgelassen. Die Auftragseingänge wurden zu Jahresbeginn in weiten Teilen noch als sehr zufriedenstellend bewertet – das hat sich inzwischen geändert. Das Geschäftsklima trübte sich im Verlauf des Jahres deutlich ein – der Index rutschte zum Jahresende erstmals ins Negative. Der wesentliche Abwärtstrend ging dabei von den Geschäftserwartungen aus, die Lagebewertungen zeigten sich stabiler. Die mediale Konzentration auf die Automobilzulieferindustrie, die mit echten Schwierigkeiten zu kämpfen hat, versperrt ein wenig den Blick auf die Gesamtsituation. So gibt es auch gegenwärtig Industriebranchen wie beispielsweise das Ernährungsgewerbe oder auch Teile des Maschinen- und Anlagenbaus, die unverändert von hohen Auslastungsgraden und stabilen Auftragseingängen berichten. Die Auslandsnachfrage ist allerdings deutlich zurückgegangen. Folgerichtig haben die Industrieunternehmen ihre Exporterwartungen am aktuellen Rand noch einmal deutlich nach unten korrigiert.

Baugewerbe: Hoffnung auf Konjunkturpakete der Bundesregierung
Das sachsen-anhaltische Baugewerbe sah sich 2008 mit einer im Vergleich zu 2007 abgeschwächten Auftragslage konfrontiert. Der saisonale Schub im dritten Quartal führte zu einem Anstieg der Lagebewertungen auf einen Positivsaldo, der sich im Folgequartal mit nur leichtem Verlust auf niedrigerem Niveau stabilisierte. Ganz aktuell sind Aufhellungen des Geschäftsklimas spürbar; hier spiegelt sich offenkundig ein gewisser Optimismus hinsichtlich positiver Effekte durch die Konjunkturpakete der Bundesregierung wieder.

Handel: Stimmung nur mäßig eingetrübt
Im Handel verlief die Stimmungseintrübung mäßiger als in anderen Branchen. Weite Teile des Einzelhandels meldeten zum Jahresende 2008 einen relativ zufriedenstellenden Verlauf des Weihnachtsgeschäfts. Zwar wirkte der nachlassende Preisdruck beim Kraftstoff im Jahresverlauf durchaus kaufkraftstärkend, insgesamt konnte und kann der private Konsum die in ihn gesetzten Hoffnungen als Treibkraft der Binnenkonjunktur in der Region aber nicht erfüllen. Die strukturellen Nachteile (Bevölkerungsrückgang, im Bundesvergleich noch immer unterdurchschnittliche Kaufkraft) wirken dem entgegen.

Dienstleistungsgewerbe: Stabilitätsanker in unruhigen Konjunkturzeiten
Das sachsen-anhaltische Dienstleistungsgewerbe zeigte sich, zumindest was die Geschäftslageeinschätzungen betrifft, noch relativ unberührt vom konjunkturellen Abwärtstrend. Das ausgezeichnete Niveau der Lagebewertungen aus dem Vorjahr wurde 2008 nahezu durchgängig wieder erreicht – damit wirken die Dienstleister als Stabilitätsanker in unruhigen Konjunkturzeiten. Dennoch kann sich auch diese Branche den gegenwärtigen Entwicklungen nicht verschließen – die Geschäftserwartungen rutschen zum Jahresende unter die Nulllinie. Beschäftigungs- und Investitionsabsichten sind gleichfalls eingetrübt, allerdings bei weitem nicht in dem Ausmaß wie bei anderen Branchen. Die Eintrübung der Geschäftserwartungen ist bei den unternehmensnahen Dienstleistern Folge der sich abschwächenden Industriekonjunktur. Bei den personennahen Dienstleistern, die letztendlich ähnlich wie der Handel stark mit der Region verhaftet sind, dürften die bereits aufgeführten strukturellen Defizite maßgeblich sein.

Verkehrsgewerbe: Mautschock drückt Stimmung
Das Verkehrsgewerbe erlebte ein besonders turbulentes Jahr 2008. Der Ölpreis und damit generell die Kraftstoffpreise erlebten in der ersten Jahreshälfte einen beispiellosen Schub nach oben, der in diesem Umfang nicht an die Kunden weitergereicht werden konnte. Folgerichtig trübte sich die Geschäftslage ein. Die Entspannung bei den Kraftstoffpreisen zum Jahresende hin wurde durch die politische Entscheidung zur Erhöhung der LKW-Maut ab dem 1. Januar 2009 sofort konterkariert. Diese Aussicht sowie ein gesunkenes Auftragsvolumen resultierten in einer starken Eintrübung der Geschäftserwartungen im vierten Quartal. Angesichts der schwierigen Kosten- und Ertragssituation ist kaum Spielraum für Ersatzinvestitionen. Auch die Beschäftigungspläne haben sich signifikant verschlechtert.