Impflücken sind auch Informationslücken

von 9. Juli 2014

Dr. Burkhard Ruppert:Probleme haben wir noch bei der zweiten Masernimpfung, also bei der Auffrischimpfung Masern, Mumps, Röteln oder auch kombiniert mit Windpocken. Hier liegen die Daten etwas unterhalb von 95 Prozent und dieser Fakt erklärt, warum wir das WHO-Ziel bisher nicht erreicht haben, unter einem Masernfall pro eine Million Einwohner pro Jahr zu bleiben.”

Die Masernerreger sind also vorläufig noch unter uns. Allein zwischen 2012 und 2013 vermeldete das Robert Koch-Institut (RKI) einen Anstieg von 170 auf rund 1700 Masernfälle. Fragt man Impfexperten nach den Gründen für Impflücken, dann sagen viele, dass die Skepsis aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Impfen in der Bevölkerung zugenommen habe. Auch Dr. Ruppert kennt diese Ursachen, sieht darüber hinaus aber noch ein weiteres Problem:

Dr. Burkhard Ruppert:“Ich weiß gar nicht, ob man wirklich von Impfmüdigkeit sprechen kann. Ich denke, es ist eher eine Frage der Information darüber und worum es bei der Impfung eigentlich geht. Also die Erkenntnis, dass es sich hierbei wirklich um Krankheiten handelt, die man besser nicht durchmachen sollte.”

Um die Vorteile der Impfung zu erkennen, genügt ein Blick auf die Statistik. Nach Angaben des Impfexperten Ruppert kommt es bei einem von 1000 an Masern erkrankten Kindern zu einer lebensbedrohlichen Gehirnentzündung. Impft man aber eine Millionen Kinder gegen Masern, dann sei nur in einem Fall mit gefährlichen Nebenwirkungen durch die Impfung zu rechnen. Es gäbe dabei aber bisher keinen einzigen bekannt gewordenen Fall, bei dem das Impfvirus bei einer gesunden Person eine Hirnentzündung verursacht hätte. Glaubt man Dr. Ruppert, dann hat die Entwicklung moderner Impfstoffe mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten gebracht:

Dr. Burkhard Ruppert“Es ist schon ein Faszinosum, dass wir z. B. mittlerweile eine Sechsfach-Impfung haben, eine Impfung die gegen insgesamt sechs verschiedene Erkrankungen schützt. Das heißt also, wir können die Anzahl der Injektionen der Impftermine deutlich reduzieren und damit deutlich die möglichen Auswirkungen wie Reizungen an der Impfstelle, Röteln oder eben auch Infektionsgefahren.”

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Impfstatus bei Kindern:Die meisten Kinder in Deutschland sind zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchungen ausreichend durchgeimpft. So werden bei Krankheiten wie zum Beispiel Diphterie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung Impfquoten von 95 Prozent und mehr erreicht. Auch bei der ersten Masern-, Mumps- und Röteln-Impfung werden hohe Quoten erreicht. Defizite bestehen hier jedoch bei der Auffrischungsimpfung. So haben zum Beispiel bei Schuleintritt nur 92 Prozent der Kinder die zweite Masern-, Mumps- und Röteln-Impfung erhalten. Laut WHO sollte die Quote auch hier bei mindestens 95 Prozent liegen, um so wenige Krankheitsfälle wie möglich zu riskieren.

Impfen wirkt:In Deutschland war die Kinderlähmung noch in den 50er Jahren ein gefährliches Gesundheitsrisiko. Zeitweise erkrankten daran fast 10.000 Menschen. Als zu Beginn der 60er Jahre eine Impfung zur Verfügung stand, sank die Zahl der Erkrankungen drastisch von rund 5.000 Fällen im Jahr 1961 auf 61 Fälle im Jahr 1966. Im Jahr 1985 wurden nur noch fünf Polio-Fälle in Deutschland registriert. Heute ist die Kinderlähmung hierzulande faktisch ausgerottet. Im Jahr 1992 wurde der letzte Fall festgestellt.

Impflücken:Der aktuelle Tetanus- und Diphtherie-Impfstatus Erwachsener ist besser als vor zehn Jahren, dennoch sind immer noch rund 29 Prozent der Bevölkerung ohne aktuellen Impfschutz gegen Tetanus, und rund 43 Prozent erhielten in den letzten zehn Jahren keine Diphtherieimpfung. Insbesondere bei älteren Frauen und Männern, aber auch in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, zeigen sich hier Impflücken, die vermehrte Anstrengungen bei der Überprüfung des Impfschutzes und bei der Motivation zu Impfungen erfordern.

( Siehe Bilder)

Wussten Sie das:

• sich die Grippeimpfraten in Ost- und Westdeutschland nach wie vor stark unterscheiden? Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind in den neuen Bundesländern fast 60 Prozent der Menschen gegen Influenza geimpft, in den alten Bundesländern sind es dagegen nur rund 40 Prozent.

• die wichtigsten Schutzimpfungen für gesetzlich Versicherte kostenlos sind? Seit April 2007 gelten sie als Pflichtleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung.

• der Fachbegriff „Vakzination“ auf das lateinische Wort „vacca“, also „Kuh“ zurückgeht? Der Hintergrund: Bei der ersten erfolgreichen Impfung wurden Ende des 18. Jahrhunderts harmlose Kuhpockenerreger verwendet, um den Patienten gegen die echten Pocken zu immunisieren.

• die moderne Medizin Impfstoffe gegen mehr als 25 Infektionskrankheiten bereit hält? Die letzte bahnbrechende Neuentwicklung ist eine Impfung gegen die weit verbreiteten Meningokokken vom Serotyp B, die gefährliche Hirnhautentzündungen auslösen können.

• etwa 90 Prozent der Schulanfänger in Deutschland gegen Masern geimpft sind? Trotzdem kommt es bei uns immer wieder einmal zu begrenzten regionalen Ausbrüchen; in Amerika und Australien hingegen sind die Masern bereits ausgerottet.

• manche Tiere in Deutschland einer Impfpflicht unterliegen? So müssen zum Beispiel Schafe, Rinder und Ziegen gegen die von Stechmücken übertragene Blauzungenkrankheit geimpft werden.

• bislang kein Impfstoff gegen die Tropenkrankheit Malaria zugelassen ist? Es gibt aber Hoffnung: Nach Angaben von IMS Health hat die Pharmaindustrie aktuell 17 Arzneien in der Entwicklungspipeline.

• Impfungen Gesundheitskosten einsparen können? Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) senkt die Keuchhustenimpfung die direkten Behandlungskosten um mehr als 200 Millionen Euro.

• Europa und der amerikanische Kontinent bereits als poliofrei gelten? Die WHO-Impfprogramme fokussieren sich daher auf Indien, Nigeria, Ägypten und Pakistan, wo rund 99 Prozent der Kinderlähmungsfälle auftreten.