Im Gespräch: Andreas Fritschek, Vorstand Paul-Riebeck-Stiftung

von 15. September 2014

Und bringt neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Die demografische Entwicklung hin zu einer stetig alternden Gesellschaft ist dabei nur ein Aspekt. Aber genau dafür Impulse zu geben, sieht sich die Paul-Riebeck-Stiftung in der Verantwortung.

Wir suchen Antworten auf die Frage, wie wir zukünftig miteinander leben können und wollen. Wie müssen wir uns organisieren, damit die steigende Zahl der Pflegebedürftigen bis ins hohe Alter eine gute Lebensqualität erfährt? Was kann jeder persönlich dafür tun? Welche Hilfen brauchen Angehörige, damit sie in der Betreuung ihrer Familienmitglieder nicht in erster Linie eine Last sehen? Wie motivieren wir ehrenamtlichen Einsatz? Antworten darauf finden wir nur in einer breit angelegten öffentlichen Auseinandersetzung. Die „Alter:native“ will dafür eine Plattform sein. So aktiv, wie die Stiftung von 120 Jahren Akzente setzte, werden wir das auch heute tun.

Was erhoffen Sie sich von der Veranstaltungsreihe, welchen Mehrwert bringt sie Ihnen?

Der Kontakt mit vielen Menschen ist nicht nur spannend, sondern eröffnet dank unterschiedlicher, individueller Ansichten und Meinungen neue Horizonte. Für uns ist das immer wieder auch Anstoß, uns und unsere tägliche Arbeit zu hinterfragen oder sogar manche Gewohnheit auf den Prüfstand zu stellen. Letztlich muss doch die Frage selbst bei Profis der Altenpflege, wie wir es sind, immer wieder auch lauten: Wofür machen wir das eigentlich und was können wir besonders gut.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Lebensgefühl der Generation „60plus“ in den vergangenen Jahren verändert?

Dass die Lebenserwartung heute höher ist als noch vor 20 Jahren, wissen wir alle. Ich glaube, dass noch Anfang der 1990er Jahre mit dem Wort „alt“ auch gleichzeitig das Gefühl verbunden war, „raus zu sein“. Raus aus dem Berufsleben, raus aus der öffentlichen Wahrnehmung. Das ist heute nicht mehr ganz so. Ältere Menschen definieren sich inzwischen neu und anders. Ich freue mich über die umtriebigen 70-Jährigen, die in Sport- oder diversen anderen Vereinen aktiv sind, auf Reisen gehen, bei der Kinderbetreuung der Enkel einspringen oder den Nachbarn zur Hand gehen. Für die Generation unserer Urgroßeltern wäre das undenkbar gewesen. Die heutige Generation 60plus hat erfahren, übrigens auch dank des gesellschaftlichen Wandels ab 1989, dass nicht alles so bleiben muss, wie es ist. Sie sind sich selbst etwas wert und leben ihr Seniorenalter bewusster aus. Genau in dem Maße, wie sich das beschriebene Lebensgefühl verändert, verändert sich auch Pflege. Wir verzeichnen heute in unseren stationären Einrichtungen eine höhere Pflegebedürftigkeit, weil sich die meisten erst dann für diesen Schritt entscheiden, wenn es daheim wirklich nicht mehr geht. Mehr und intensivere Pflege ist für die Mitarbeiter natürlich auch anspruchsvoller. Mein Wunsch wäre, dass unsere Heime „Pflegehotels“ werden, deren Bewohner nach einer Erholungsphase entweder wieder ausziehen oder eben ihren letzten Weg ganz nach individuellem Wunsch mit unserer Hilfe gehen können.

Wie sollte oder könnte sich jeder persönlich auf die Zeit „60plus“ vorbereiten?

Ich plädiere für eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Alter. Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, dass Alt sein auch bedeutet, Ängste zu haben. Es geht schließlich für jeden um Abschied, Alleinsein, Tod und Trauer. Das gehört dazu und darf nicht ausgeklammert werden. So hat es übrigens Joachim Fuchsberger in seinem Buch „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ getan. Die mühsamen, beschwerlichen Tage ebenso annehmen wie die schönen, das ist für mich echte Lebensweisheit. Es gibt inzwischen übrigens eine ganze Reihe ähnlicher Bücher oder auch Filme, die sich mit dem Alter und dem Altern beschäftigen. Ich schaue gerne rein, das erweitert den Blick.