An die schwarzen Schafe

von 11. August 2016

Viele offene Stellen sind entweder schlecht bezahlt oder zu schlecht für die Erwartungen an den künftigen Angestellten. Hinzu kommen Stellen, wo sich niemand wundern muss, dass das keiner freiwillig machen will. Andernorts werden Qualifikationen erwartet, für die in diesem Land jahrelang viel zu wenig getan worden ist. Wie eine grassierende Krankheit hat sich zudem die Befristung von Arbeitsverträgen ausgebreitet und das vielfach im Öffentlichen Dienst, der zur Zwei-Klassen-Gesellschaft degeneriert ist.

Mitarbeiter werden mal eben schnell vorübergehend gebraucht, sollen aber weiter schön den Bückling machen. Als Heuer-und-Feuer-Modell sehr beliebt sind nach wie vor Praktika und Freiberuflichkeit. Hinter den stolzen Zahlen von Unternehmensgründungen, wie sie von der Agentur für Arbeit und der Industrie- und Handelskammer verbreitet werden, verstecken sich nicht wenige Fälle, wo Menschen gegründet haben aus der blanken Not heraus und weil sie sich vom Behördenapparat nicht länger gängeln lassen wollten.

In die Röhre schauen zudem nicht eben wenige Menschen über 40, spätestens über 50. Dass diese Art der Diskriminierung gesetzlich verboten ist, nutzt herzlich wenig. Sie wird einfach praktiziert und hinter vorgehaltener Hand ist das kein Geheimnis. Noch immer ist der flockige Werbespruch vom jungen, dynamischen Team zu lesen und zu hören: 20 Jahre Erfahrung nimmt man gerne, nur sollte der Bewerber dann am besten 25 sein und am besten keine Kinder haben. Gepaart mit den neuesten Vorstellungen der Bundesregierung von der Rente mit 73 ist das eine Unverschämtheit sondergleichen. Obwohl die allgemeine Lebenserwartung gestiegen ist und die Gruppe der Menschen im Alter von 40 bis 59 Jahren inzwischen mit Abstand die größte ist, hat noch immer kein Umdenken eingesetzt. Soziale Defizite werden mit Stütze zugeschüttet. Schweigegeld!

Wie nicht eben selten mit Bewerbern umgesprungen wird, spottet zudem jeder Beschreibung. Während Anwärter sich ihrerseits im Schaulauf prostituieren sollen, erleben diese umgekehrt fehlenden Anstand. Sie warten vergebens auf Bestätigung ihrer Bewerbung. Unterlagen bekommen sie entweder gar nicht zurück oder so, dass man sich deren Misshandlung im Büro lebhaft vorstellen kann. Absagen enthalten oft das übliche Blabla: „Leider Sie nicht …. Viel Glück!“ Dabei sind Stellen mitunter bereits im Haus vergeben und werden nur, weil es der Gesetzgeber so will, pro forma öffentlich ausgeschrieben. Ärgerlich für Bewerber ist das Blabla auch, weil er nie erfährt, was zur Absage geführt hat und was er beim nächsten Mal vielleicht besser machen kann. Vermutlich erfährt er das deshalb nicht, weil die Gefahr einer gerichtlichen Auseinandersetzung bestünde. Die Krux an der Sache: Wäre eine fachlich fundierte Absagebegründung gesetzlich vorgeschrieben, würden sich die Absagenden sicher bald juristisch einwandfreie, aber ebenso unbrauchbare Begründungen ausdenken. Steigen würde am Ende nur der Aufwand in der Personalabteilung, die – das kommt noch dazu – heute sowieso teilweise an externe Dienstleister ausgelagert ist, die auf die Kopfgeldjagd spezialisiert sind.

Wer meinte, der vorgetragene Arbeitskräftemangel hätte bedeutende Teile der Unternehmerschaft entsprechend sozialisiert, sieht sich vielfach getäuscht. Vielmehr zeigt die verlogene Willkommenskultur-Kampagne, wie man sich im engeren Zirkel der Wirtschaftslenker offenbar die moderne Arbeitskräftebeschaffung vorstellt. Ganz oben auf der Agenda steht die Gewinnung junger, williger und billiger Arbeitskräfte. Wer durch das Raster fällt, wird im Sozialsystem entsorgt oder abgeschoben. Die Lage für viele Arbeitssuchende im Osten ist weiter besonders kompliziert. Die Region ist von Gewerkschaften weitgehend gesäubert, der Mindestlohn wurde dort, wo er greifen sollte, nicht selten ausgehebelt: zum Beispiel durch Streichen aller sonstigen Zahlungen und mehr Arbeit in kürzerer Zeit. Die attraktiveren Stellen gibt es nach wie vor im Westen.

Es ist an der Zeit, Unternehmen zu loben, die Bewerber und Mitarbeiter mit Respekt behandeln, Angestellte fair und auskömmlich bezahlen sowie Weiterbildungen und Spezialisierungen organisieren. Der Staat sollte diese Unternehmen systematisch fördern und das soziale Verhalten in den Mittelpunkt seiner Wirtschaftspolitik stellen. Der Verweis auf den internationalen Wettbewerb ist hingegen eine ganz miese Begründung für Lohndumping und Schikane, zumal es vielfach die Weltkonzerne mit Sitz im Westen, also auch in Deutschland, sind, welche die miserablen Arbeitsbedingungen in Asien, Afrika und Lateinamerika zu verantworten haben.

Erfolg kommt nicht vom Mitarbeiter, sondern nur mit Arbeiter! Dieser Gedanke gehört in jedes Chefzimmer und in jede Managerschulung. Die inzwischen populäre Rede von Verantwortung und Nachhaltigkeit darf keine Wortblase aus der Marketingabteilung bleiben.