Umweltzone: Stadt und Wirtschaft gegen Potemkinsche Dörfer

von 28. April 2010

Die Stadt Halle (Saale) kämpft mit aller Macht gegen die drohende Einführung einer Umweltzone. Mit einem Maßnahmenkatalog soll nun die Sperrung weiter Teile der Stadt für Autos begegnet werden. Sollte vom Land trotzdem die Auflage zur Umweltzone kommen, drohen auch rechtliche Auseinandersetzungen. “Das Land kann die Umweltzone anordnen. Dann gehen wir dagegen vor”, so Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados. “Das ist aber erstmal nicht unser Ziel.”

Nach Angaben der Oberbürgermeisterin sei das wichtigste zunächst der Maßnahmenkatalog. So denke man über einen verstärkten Einsatz von Gas-Bussen sowie eine Grüne Welle nach. Die Einführung des Jobtickets soll mehr Menschen animieren, das Auto stehen zu lassen. Für Elektroautos wolle man künftig das kostenlose Parken in der Innenstadt erlauben. Viele Unternehmen hätten eine Umrüstung auf die E6-Norm zugesagt. Außerdem stehe eine Tempo-30-Zone am Wasserturm in der Diskussion. Auch sollen möglicherweise HWG-Häuser an der Paracelsusstraße abgerissen werden, um laut Szabados eine bessere “Durchlüftung” zu erreichen.

Denn das größte Problem für die Stadt ist die Paracelsusstraße, durch die täglich 52.000 Autos rollen. Dort werden immer wieder Werte für Feinstaub und NO2 (Stickstoffdioxid) überschritten. Man lenke den Verkehr gezielt auf die großen Trassen, erläuterte Szabados am Mittwoch im Rahmen eines Pressegesprächs. Die Messstation an der Paracelsusstraße halte sie deshalb für deplatziert und nicht repräsentativ. “Um die Werte hier einzuhalten könnten wir natürlich die Paracelsusstraße sperren. Aber dann fahren die Autos durchs Paulusviertel”, so Szabados. Von der hohen Belastung rund um den Wasserturm seien kaum Menschen betroffen. “Da wohnt fast niemand, die meisten Häuser sind zugemauert. Und Fußgänger sieht man auch kaum.” Szabados hofft nun, mit ihrem Maßnahmenkatalog auf offene Ohren beim Umweltministerium zu stoßen. “Nächsten Montag habe ich dort einen Termin.” Daneben setze man auch auf den Bau der Osttangente und der A143. Nach deren Fertigstellung würde sich der Verkehr auf der Paracelsusstraße um ein Drittel auf 38.000 Autos am Tag reduzieren. Dies hätten Berechnungen der Stadt ergeben.

Deutliche Worte fand Szabados gegen die Umweltzone. Diese sei eine “Mogelpackung”. Durch die vielen Ausnahmen werde für die Bevölkerung nicht wirklich etwas getan. Freude über den Kampf “David gegen Goliath”, Stadt Halle gegen Land und EU, bei Jürgen Rogahn von der Handwerkskammer. Seinen Worten zufolge wären drei Viertel aller halleschen Betriebe von einer Umweltzone betroffen. Zwei Drittel sagen, dies hätte wirtschaftliche Konsequenzen. Manche drohten sogar mit einem Weggang aus der Stadt. “Deshalb sind wir gegen Potemkinsche Dörfer wie eine Umweltzone. Man tut formal etwas ohne etwas zu tun.” Stattdessen wolle man nun die Betriebe animieren, etwas zu tun – zum Beispiel Fahrzeuge umzurüsten oder auf unnötige Fahrten zu verzichten. Ins gleiche Horn bläst Reinhard Schröter von der IHK. “Wir freuen uns, dass erstmals in Deutschland Wirtschaft und Kommune gemeinsam gegen die Umweltzone vorgehen. Sie ist ein bürokratischer Etikettenschwindel ohne Wirkung.” Man sei als IHK für eine saubere Umwelt, aber gegen Aktionismus und Schnellschüsse. Die Umweltzone hätte schließlich direkte Auswirkungen auf zwei Drittel der IHK-Unternehmen mit 40.000 Beschäftigten.

Dankbar für die Initiative der OB zeigte sich auch Stadtwerke-Chef Wilfried Klose. In seinem Konzern reagiert man bereits jetzt. “Wir fangen in diesem Jahr an, unseren Fahrzeugpark umzurüsten”, so Klose. 200 Fahrzeuge erhalten demnach neue Filter, 30 Autos würden komplett ersetzt. Uni-Kanzler Martin Hecht sieht auch die Uni auf dem richtigen Weg in punkto Verkehrsvermeidung. “Wir konzentrieren unsere Standorte. Für Studenten haben wir außerdem das Semesterticket für Bus und Straßenbahn.” Dies soll künftig noch stärker beworben werden.

Ein direkt betroffenes Unternehmen ist Finsterwalder. 150 Laster habe man in der Region stationiert. Diese seien vor zwei Jahren auf die moderne Euro-5-Norm umgestellt worden. Sobald E6 verfügbar sei, werde man dementsprechend umrüsten, auch wenn sich dies bei den Beschaffungskosten für Neufahrzeuge in einem um 10 Prozent höheren Preis auswirke. In allen Fahrzeugen habe man bereits jetzt Messinstrumente, um die Fahrer zu einer spritsparenden Fahrweise zu bewegen.