Angersdorf: Angst vor dem Seveso-Gift

von 23. Februar 2011

Was soll da vor den Toren von Halle (Saale) passieren? Seit Monaten gibt es Diskussionen um die geplante Dickstoffversatzanlage in Angersdorf. Der Halle-Neustadt-Verein und die Bürgerinitiative gegen eine Giftmüllregion Halle (Saale) e. V. hatten am Mittwoch zu einer Informationsveranstaltung in den Kulturtreff nach Halle-Neustadt eingeladen, um hier über ihre Sorgen zu informieren. Die große Befürchtung: Hier soll Giftmüll eingelagert werden. Mehrere Experten hatten die Veranstalter eingeladen. Außerdem war ein Vertreter des Landes da. Trotz Einladung hatte die Stadtverwaltung hingegen keinen Vertreter geschickt.

Seit der Wende seien die Luft sauberer und die Flüsse reiner geworden, sagte Udo Mittinger vom Neustadt-Verein. Das alles stehe nun durch die Giftmülleinlagerung auf dem Spiel. Es drohen Gefahren für Mensch und Natur, große Investoren könnten abgeschreckt werden und Wegzüge drohen. Auch der BI-Vorsitzende Thomas Wisgalla sprach von einer Imagefrage. Man habe zudem Angst, dass die Region als europäische Müllhalde ausgebeutet werde.

Der Bergbauexperte Karl-Heinz Götz, der selbst 24 Jahre lang in der Grube Teutschenthal gearbeitet hat, warnte unter anderem vor unsicheren Kavernen und Kali-Lauge in Wetterschächten. Die komplette Angersdorfer Grube drohe “abzusaufen”. Er forderte deshalb die Einrichtung einer sicheren Laugen- und Solehaltung.

Der Chemiker Manfred Gebauer warnte vor ausgasendem Ammoniak und Wasserstoff. Er lieferte einige Zahlen. So sollen in Angersdorf pro Stunde 50 Tonnen von Filterstäuben aus 25 verschiedenen europäischen Müllverbrennungsanlagen verpresst werden. 35 LKW würden pro Tag die gefährliche Fracht anliefern. Jede Lasterfracht enthalte 0,5 Kilogramm Arsen, zwei Kilogramm Quecksilber, 31 Kilogramm Cadmium und 416 Kilogramm Blei. Enthalten sei in den Aschen zudem das hochgiftige Dioxin, bekannt als Seveso-Gift. Sulfate, Chloride, Aluminium, PCDD und PCDF seien ebenso enthalten. Gebauer wies daraufhin, dass es in den letzten drei Jahren zu sieben Schlauchplatzern in der Anlage in Teutschenthal kam. In Angersdorf hätte ein Unglück wegen der doppelten zu verarbeitenden Menge verheerende Auswirkungen, zumal die Anlage im Haupt-Frischluftzufuhrgebiet für Halle liege. Bei einer Windgeschwindigkeit von 40 km/h sei das Gift nach 7,5 Minuten in der Südstadt, hieß es.

Der Biologe Gerald B. Moritz wies daraufhin, dass sich die Gifte im Körper anreichern und nicht abgebaut werden. Es werde chronische Auswirkungen geben. Der Dioxingehalt der Luft erhöhe sich, Luft und Oberflächenwasser würden mehr belastet.

Gespannt schauen die Anwohner auf das Land, dass die Aufsicht über die Bergbauschächte hat. Christian Sladek, Leiter des Bergbaureferates im Wirtschaftsministerium, erklärte, wegen drohender neuer Gebirgsschläge sei eine Verfüllung dringend notwendig. Allerdings prüfe man die Unterlagen der GTS sorgfältig, die geplanten Filteraschen in der Dickstoffversatzanlage zu verpressen. Die Anträge müssen Bestand haben. “Es darf keine Gefahren für die Umwelt geben.” Die Einlagerung in Angersdorf könne erst genehmigt werden, wenn die GTS die Langzeitsicherheit nachweise. Die Messlatte dafür sei sehr hoch gelegt. Sladek erklärte, auch die Einwendungen der Bürger – derzeit 5.000 an der Zahl – würden berücksichtigt.

Auf der Bürgerversammlung meldeten sich auch mehrere Stadträte zu Wort. Das Thema spiele auch in der Politik eine Rolle, sagten sie. Zu erfahren war, dass die Anlage in Teutschenthal ein Pilotprojekt sei. Dort würden aber nur trockene Aschen eingelagert. In Angersdorf würden sie sich mit Flüssigkeit vermischen. Das sei neu, und noch nie getestet worden, wurde erklärt. Ansonsten hielt man sich mit Vorwürfen an GTS zurück. Denn nach Angaben des BI-Vorsitzenden Thomas Wisgalla werde die Bürgerinitiative gerade wegen Aussagen gegen die Anlage verklagt. Hintergrund ist eine Pressemitteilung der BI aus dem Oktober. Gefährliche Abfälle seien ohne gültigen Langzeitsicherheitsnachweis eingelagert wurden, heißt es darin. GTS sieht das anders.