Ehrung für Halles Maire Streiber

von 11. März 2011

Wer Ludwig Carl Heinrich Streiber ist, das wissen wohl nur die wenigsten Hallenser. Dabei ist nach ihm eine Straße unweit des Hauptbahnhofs benannt. In der kommenden Woche sollen am Straßenschild der Streiberstraße nun Zusatzschilder angebracht, die über den Namensgeber informieren. Gespendet wurden die Schilder von Frau Dr. Ute Pietruschka und Reinhard Scherbaum im Rahmen des Projekts „Bildung im Vorübergehen“ der Bürgerstiftung.

Weder in den einschlägigen biografischen Lexika noch im Internet finden sich Angaben zur Biografie von Streiber. In den bekannten halleschen Chroniken taucht er unter dem Namen Leopold Friedrich auf. Im Stadtarchiv (FA3015) findet man die mageren Angaben: Oberbürgermeister und Landrat des Kreises Halle von 1818 bis 31. Dezember 1827. Als 1808 die französische Stadtverwaltung eingeführt wurde, nahm er das Amt des Maire an, tritt sein Amt am 1. Januar 1828 an den Bürgermeister Mellin ab.

Des Weiteren ist der Hinweis enthalten auf einen Streiber Dr. jur, Leopold Friedrich, Direktor des Pfälzer Kolonialgerichts, mit der Bemerkung, dass dieser wegen der ähnlichen Vornamen (?!) oft mit dem Oberbürgermeister verwechselt wird. Anlässlich seines Todestages findet man in der Liberal Demokratischen Zeitung Nr. 44 vom 5. März 1953 folgende Meldung: Am 5. März 1828 starb in Halle einer der verdienstvollsten früheren Oberbürgermeister Leopold Friedrich [sic!] Streiber. Er ist 1767 in Halle geboren, studierte Rechtswissenschaft und war Richter beim Kolonialgericht. Er entfaltete eine für unsere Stadt erfolgreiche Tätigkeit. So wurde ein Solbad im Fürstental in der Nähe des Mühlgrabens eröffnet und ein eigenes städtisches Theater in der Nähe der Universität gegründet.

Ebenfalls aus Anlass seines Todestages, 35 Jahre später, erschien ein in dergleichen Akte enthaltener Artikel der Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten Nr. 195 vom 18. August 1988, der etwas Licht in das Dunkel zu bringen scheint. Deshalb sei er hier vollständig wieder gegeben: Historische Kalenderblätter – Ludwig oder Leopold. In einer der jüngsten Folgen unserer Serie erwähnten wir den mutigen Brief des Halleschen Oberbürgermeisters (im Königreich Westfalen Maire genannt) Streiber an den König Jerome. Anlässlich seines Todestages wollen wir einen Blick auf das Leben Streibers werfen. Vor 160 Jahren, am 5. März 1828 starb in Halle Ludwig Carl Heinrich Streiber. Geboren wurde er am 3. April 1767. Seine ersten Lebensjahre liegen für uns im Dunkeln. Erst im Jahre 1808 findet sich sein Name in der stadtgeschichtlichen Literatur wieder. Als nach dem Tilsiter Frieden das Königreich Westfalen als französischer Vasallenstaat gebildet worden war, da folgte bald eine Neuorientierung der Verwaltung dieses Territoriums. Ende Juni 1808 hörte die alte Magistratsverwaltung auf zu bestehen, es wurde eine neue nach französischem Muster eingeführt. An der Spitze stand fortan der sogenannte Maire. In dieses Amt wurde Ludwig Carl Heinrich Streiber berufen. Dieser erwies sich in den Jahren der westfälischen Zeit keineswegs als willfähriges Werkzeug der französischen Behörden, sondern versuchte geschickt, die Folgen der napoleonischen Herrschaft für die Stadt zu mildern. Diesem Umstand ist es wohl auch zuzuschreiben, dass er nach der Vertreibung der Franzosen und der Wiedereingliederung Halles in den preußischen Staat seine Funktion beibehalten konnte. Mit der neuen Magistratsverfassung des Jahres 1818 wurde er Oberbürgermeister. Da es noch einen, das umliegende Land einbeziehenden Stadtkreis Halle gab, war er gleichzeitig Landrat. Gegen Ende 1827 zwangen ihn gesundheitliche Gründe zur Niederlegung seiner Ämter. Am späten Vormittag des 4. März erlitt er einen starken Schwindelanfall, am folgenden Tag starb er. In Würdigung seiner Verdienste um die Stadt Halle benannte man 1885 eine Straße nach ihm. Vergleicht man allerdings die alten halleschen Adressbücher, so stößt man dort auf andere Vornamen, nämlich Leopold Friedrich. Gleiches wiederfährt dem Interessierten nimmt er Schulze-Galeras Topographie, selbst der sonst doch so genaue Hertzbeg gibt keine Auskunft. Hagens zweibändiges Werk „Die Stadt Halle“ nennt einmal als Maire den Leopold Friedrich, später aber richtig Carl Heinrich. Geht man noch weiter zurück, so findet sich sogar in Rundes Chronik der Name Leopold Friedrich. Einen Leopold Friedrich Streiber gab es tatsächlich in Halle. Er war Dr. jur. und als Justizkommissar Direktor des Pfälzer Kolonialgerichts. 1811 ging er nach Berlin, war dort Justizkommissar und taucht in der Halleschen Chronik für das Jahr 1815 noch einmal in dieser Funktion auf. Die dem Oberbürgermeister Ludwig Carl Heinrich zugeschriebene juristische Laufbahn vor seiner Ernennung zum Maire ist also die Lebensgeschichte des Leopold Friedrich, ein Irrtum der leider immer wieder bis in unsere Zeit mitgeschleppt wird. (B. Werner)

Der im letzten Satz gezogenen Schlussfolgerung widerspricht allerdings eine handschriftliche Eintragung im „Personal-Etat des Magistrates der Stadt Halle“ von 1808. Dort finden wir zwar den Namen „Ludwig Carl Heinrich Streiber“, als Geburtsort ist allerdings „Dessau im Fürstenthum Anhalt“ angegeben und unter der Spalte frühere Bildung: „Hat zu Halle die Rechte studiert, war dann in Berlin und stand führderhin 10 Jahre lang im Preußischen Militärdienst“. In der von Freitag/Minner herausgegebenen zweibändigen „Geschichte der Stadt Halle“ (Halle 2006) finden wir nun im Namensregister den Eintrag Leopold Friedrich Streiber (Ludwig Carl Heinrich) und im Text des zweiten Bandes heißt es: Dieses Amt (des Maire) erhielt für Halle im Juli 1808 der preußische Kriegsrat Leopold Friedrich Streiber, der als echt „preußischer Patriot“ galt. Und an anderer Stelle: Er war vor 1808 als preußischer Kriegsrat Richter am Gericht der Pfälzer Kolonie. Fazit: Die Biografie Streibers, des Maire, Bürgermeisters und Oberbürgermeisters von Halle bleibt noch zu schreiben.

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