Kassenkredite wieder gestiegen, Sorgen wegen TTIP

von 16. Juli 2015

Halles Finanzdezernent Egbert Geier nutzte die Gelegenheit, die Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen der Stadt einmal grundsätzlich, aber kurz und anschaulich zu erklären. Demnach hat die Kommune Pflichtaufgaben, freiwillige Aufgaben und Aufgaben, deren Status irgendwo dazwischen liegt. Der Katalog an freien und Pflicht-Aufgaben ändert sich immer wieder. Bis ein gültiger Haushaltsplan vorliegt, vergehen neun Monate. Los geht es im März mit einem Blick auf die voraussichtlich verfügbaren Mittel. Dann erarbeitet die Verwaltung einen Haushaltsentwurf, während sie parallel mit den Bürgern darüber diskutiert. Der Haushaltsentwurf wird dann vom Stadtrat diskutiert, ergänzt und beschlossen. Dann muss der Plan der Kommunalaufsicht vorgelegt werden, in dem Fall dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt. Im Idealfall gilt der Haushaltsplan ab dem 1. Januar. In den vergangenen zwei Jahren hat das geklappt, so Geier.

Im Haushaltsplan der Stadt sind rund 200 Dienstleistungen definiert. Gerade hat Halle viele Investitionen, erklärte der Finanzdezernent. „Hochwasserprogramm, Stadtbahnprogramm …“ Dann zählte er die vielen Pflichtaufgaben auf: Ver- und Entsorgung, Brandschutz, Kitas, Spielplätze, Städtebau … Bei den Pflichtaufgaben kann nur über das Wie, nicht aber über das Ob diskutiert werden. Kultur und Sport sind freiwillige Aufgaben. Aber sind politisch wichtig. Um die Bedeutung herauszustellen, nannte Geier beispielhaft Chemiepokal, Mitteldeutschen Marathon und Händel. „Die Schwarze Null im Haushalt ist wichtig.“ Nur so sind freie Entscheidungen möglich.

Aktuell an Mitteln verfügbar sind laut Geier unter anderem 270 Millionen Euro vom Land und 49 Millionen Euro öffentlich-rechtliche Transfers. Auf der Einnahmenseite der Stadt Halle (Saale) nannte er 60 Millionen Euro Gewerbesteuer und zog zum Vergleich Halles Partnerstadt Karlsruhe heran mit 240 Millionen Euro Gewerbesteuer. Halle verfügt zudem über 24 Millionen Euro Grundsteuer. Am Finanzausgleich vom Land wird ständig gedreht, so Geier. Die Stadt hat immer zu wenig Geld. „Das ist ein Problem.“ Denn wo das Geld fehlte, hat die Stadt Kassenkredite aufgenommen, die sich über die Jahre auf jetzt nicht ganz 300 Millionen Euro aufsummiert haben. Kassenkredite heißen auch Liquiditätskredite oder Dispokredite, erläuterte Halles Kämmerer. Mit fast 300 Millionen Euro Kassenkrediten bewegt sich Halle inzwischen auf dem Schuldenniveau, auf dem sie sich im Jahre 2004 mit den Investitionskrediten befand. 2004 lagen die Kassenkredite noch bei 120 Millionen Euro. Den bisher höchsten Punkt erreichten die Kassenkredite in 2010 mit 349 Millionen Euro. Im letzten Amtsjahr von Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados danken sie auf 239 Millionen Euro. Im ersten Jahr von OB Bernd Wiegand stiegen sie auf 278 Millionen und im zweiten Jahr auf über 298 Millionen Euro. Dabei profitiert die Stadt gerade von der allgemeinen Niedrigzinsphase und zahlt drei Millionen Euro Zinsen. Wie Geier sagte, waren es mal zwölf Millionen Euro Zinsen.

Rodney Thomas wollte in der ersten Fragerunde wissen, warum die Kassenkerdite so hoch sind. Geier erklärte, dass sich die Kredite der nicht ausgeglichenen Haushalte 1998 bis 2010 (Amtszeiten der OBs Rauen, Häußler und Szabados) aufsummiert haben. Warum die Investitionskredite sinken? Der Investitionsbedarf ist zurückgegangen und die Förderquote ist so günstig, dass mit 15 Millionen Euro Eigenmitteln eine Gesamtinvestition von 80 Millionen Euro möglich ist.

Dann kam Judith Marquardt zum Zuge, die Dezernentin für Kultur und Sport. Ihr stehen 20,7 Millionen Euro an Zuschüssen zur Verfügung, wobei Theater, Oper und Orchester (TOO) als kommunales Unternehmen einen eigenen Haushalt haben. Dazu kommen 12,2 Millionen Euro an Einnahmen. Von den rund 33 Millionen Euro sind 20,9 Millionen Euro Personalausgaben. „Wir sind sehr personalintensiv.“ Marquardt sprach von 400 Mitarbeitern, wobei 250 allein im Fachbereich Immobilien tätig sind, der Anfang 2015 mit Sport und Kultur zusammengelegt wurde. Für kulturelle Bildungseinrichtungen (KBE) stehen 6,4 Millionen Euro zur Verfügung, für Kultur 1,1 Millionen Euro, für Sport fünf Millionen Euro. 300.000 Euro sind als Zuschuss für die Händelhalle eingestellt, 570.000 Euro für die Pflege von Kunst und Kultur, 190.000 Euro für die Förderung von Kulturvereinen, 1,1 Millionen Euro für das Stadtmuseum, 2,5 Millionen Euro für die Stadtbibliothek, 1,3 Millionen Euro für das Konservatorium „Georg Friedrich Händel“ sowie 700.000 Euro für das Stadtarchiv. „Wir sind sehr dankbar für Spenden und Sponsoring“, so die Kulturdezernentin. Das Laternenfest ist mit 120.000 Euro angesetzt, davon 30.000 Euro als Sachmittelzuschuss. „Alle Märkte arbeiten kostendeckend.“ Im Sportbudget sind allein 700.000 Euro für die neu erbaute Robert-Koch-Schwimmhalle angesetzt (die weiteren vier Millionen Euro Zuschuss für die anderen kommunalen Bäder sind nicht bei Kultur, Sport und Immobilien angesiedelt), 300.000 Euro für den Eissport, eine Millionen Euro für die Förderung der Sportvereine, drei Millionen Euro für die Unterhaltung der Sportanlagen. Die Immobilien sind im Haushalt mit 7,4 Millionen Euro berechnet. Die Gebäudebewirtschaftung ist mit 3,5 Millionen Euro der größte Posten. 1,1 Millionen Euro stehen der Stadt zur Verfügung, um sich etwa um die Sicherung verwahrloster Gebäude zu kümmern.

Geier bezeichnete seine Kollegin Marquardt als „Misses Living Quality“ (Frau Lebensqualität) und kommentierte die finanzielle Ausstattung freiwilliger Aufgaben als politischen Willen. „Kultur und Sport müssen sein.“ Es geht um kostengünstige Angebote. Müssten Kultur und Sport kostendeckend arbeiten, ergäben sich Preise, die keiner mehr zu zahlen bereit wäre. Am Beispiel des Stadtarchivs erläuterte Geier, wie sich freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben mitunter überschneiden. Die freiwilligen Aufgaben des Stadtarchivs werden über die Gebührenordnung finanziert. Einzelanfragen kosten nach dieser Ordnung zwischen 40 bis 100 Euro, ergänzte Halles Stadtarchivar Ralf Jacob. Der Lesesaal des Archivs arbeitet nicht kostendeckend. Sollte die Kostendeckung für Ausstellungen des Archivs erreicht werden, lägen die Eintrittspreise bei 45 bis 50 Euro.

Acht Prozent des städtischen Haushaltes in Halle entfielen auf die freiwilligen Aufgaben. Doch die Kommunalaufsicht verweist bei notwendigen Einsparungen immer auf diese Aufgabenfelder, sagte Geier und rief die Bürger auf, sich auf der Internetseite des städtischen Haushalts die Daten selbst anzuschauen und Ideen zu entwickeln.

Abschließend fragte Rodney Thomas nach dem „Freihandelsabkommen“ TTIP, das von kritischen Stimmen begleitet wird. Tritt TTIP in Kraft, könnten Veranstalter aus den USA bei Angeboten in Halle als Konkurrenten auftreten und im Streitfall immense Summen fordern. Mit TTIP hat sich die Stadt noch nicht beschäftigt, gab Geier zu, verwies aber zugleich darauf, dass es eine Vereinbarung gibt, wonach der Deutsche Städtetag als Interessenvertreter der deutschen Städte mit dem Thema befassen soll. Die Kommunen, so Geier, wären über TTIP nicht erfreut.

„Rechne mit Halle“, Bürgerbeteiligung an der Haushaltsplanung der Stadt Halle

https://www.rechne-mit-halle.de/

Positionspapier des Deutschen Städtetages zu TTIP

http://www.staedtetag.de/fachinformationen/wirtschaft/073910/index.html

die Europäische Kommission zu TTIP

http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/

Kritik an und Bürgerengagement gegen TTIP

https://stop-ttip.org/

Rodney Thomas im Internet

http://paulusviertelautobahn.weebly.com/