Neue Studie der WHO über Gesundheit und Wohlbefinden der Jugendlichen in Europa

von 18. Mai 2017

Besonders besorgniserregend ist, dass die Epidemie im östlichen Teil der Europäischen Region auf dem Vormarsch ist, wo sie bisher weniger stark verbreitet war“, erklärt Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.

„In Deutschland werden die Kinder jedoch nicht dicker“, sagt Professor Dr. Matthias Richter, der die Studie in Deutschland leitet und zudem Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie an der halleschen Universität ist. Der langfristige Trend – von 2002 auf 2014 – zeige, dass die Zahl der adipösen Jungen im Alter von 11 bzw. 13 Jahren abnimmt und bei den Mädchen stabil ist. Da die Ursachen für Übergewicht bzw. Adipositas multifaktoriell sind, kann der Wissenschaftlicher nicht den einen Grund für diese Entwicklung benennen. „Aber wir haben Indizien dafür, dass sich das Ernährungsverhalten verbessert“, erklärt Prof. Richter. So habe der Genuss von Softdrinks deutlich abgenommen. Der Konsum von Obst und Gemüse ist stabil. Gleichzeitig nahm die körperliche Aktivität in den frühen 2000er Jahren deutlich zu und ist seitdem stabil. Programme zur Verbesserung der Ernährungs- oder Bewegungsverhaltens scheinen ihre Früchte zu tragen. Der Soziologe stellt fest: „Diese Investitionen zahlen sich aus.“ Nachdenklich mache jedoch, dass sich beim Gesundheitsverhalten starke Wohlstands- und Bildungseffekte ablesen lassen. „Kinder aus ärmeren Haushalten ernähren sich oftmals schlechter und bewegen sich weniger.“ Dies sei in Deutschland so, aber auch in den anderen europäischen Staaten, die an der Studie teilnehmen, zu verzeichnen.

Ein ernstes globales Gesundheitsproblem

Adipositas im Kindesalter gilt als eine der ernstesten Herausforderungen für die Gesundheitspolitik im 21. Jahrhundert. An Adipositas erkrankte Kinder tragen auch ein erhöhtes Risiko in Bezug auf Typ-2-Diabetes, Asthma, Schlafstörungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen und künftige Herz-Kreislauf-Erkrankungen; außerdem fehlen sie auch öfter im Unterricht und leiden häufiger an psychologischen Problemen und sozialer Isolation.

Dr. Joao Breda, Leiter des Programms für Ernährung, Bewegung und Adipositas beim WHO-Regionalbüro für Europa, hebt die schweren Konsequenzen bis weit ins Erwachsenenalter hervor: „Die meisten jungen Menschen wachsen nicht aus der Adipositas heraus, sodass etwa vier von fünf Jugendlichen, die an Adipositas erkranken, auch als Erwachsene Gewichtsprobleme haben werden. Damit tragen sie auch weiterhin das erhöhte Risiko in Bezug auf Krankheit, Stigmatisierung und Diskriminierung. Außerdem kann der chronische Charakter der Adipositas die soziale Mobilität beeinträchtigen und dazu beitragen, einen schädlichen generationsübergreifenden Zyklus von Armut und Krankheit fortzuschreiben.“

In dem Bericht werden die anhaltenden Ungleichheiten unter jungen Menschen in Bezug auf Adipositas hervorgehoben. Allgemein tragen jüngere Jugendliche, Jungen und Kinder aus niedrigeren sozioökonomischen Schichten ein höheres Risiko, an Adipositas zu erkranken. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die anhaltenden Bemühungen um Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, die auf eine Bekämpfung der Adipositas im Kindesalter abzielen, die betroffenen Gruppen nicht wirksam erreichen.

Präventive Maßnahmen zur Umkehr negativer Trends

Gezielte Grundsatzinitiativen und Interventionen müssen auf stark gefährdete Jugendliche in ihrem familiären, schulischen und weiteren nachbarschaftlichen Umfeld abzielen und vorrangig solche Konzepte verfolgen, die jungen Menschen einen besseren Zugang zu gesunder Ernährung verschaffen. Darüber hinaus muss auch eine Verbesserung der bebauten Umgebung angestrebt werden, sodass Bewegung wieder zu einem integralen Bestandteil des täglichen Lebens wird.

Bericht: Adipositas bei Jugendlichen und damit verbundene Verhaltensweisen: Trends und Ungleichheiten in der Europäischen Region der WHO (2002–2014):http://www.euro.who.int/en/hbsc-obesity-report

Hintergrund:Die kooperative Studie der WHO über das Gesundheitsverhalten von Kindern im schulpflichtigen Alter (HBSC-Studie) ist eine bahnbrechende länderübergreifende Untersuchung und liefert seit über 25 Jahren Informationen von unschätzbarem Wert, indem sie Einblicke in das Wohlbefinden, das Gesundheitsverhalten und die sozialen Rahmenbedingungen junger Menschen gibt. Die daraus gewonnenen Ergebnisse wurden von der WHO und zahlreichen anderen Akteuren für die Gestaltung von Politik und Praxis in Ländern und Regionen in allen Teilen der Europäischen Region herangezogen und tragen zur Verbesserung des Lebens von Millionen junger Menschen bei.

In dem Bericht mit dem Titel Adipositas bei Jugendlichen und damit verbundene Verhaltensweisen: Trends und Ungleichheiten in der Europäischen Region der WHO (2002–2014)werden die neuesten Trends aus der HBSC-Studie in Bezug auf Adipositas, Essgewohnheiten sowie Bewegungs- und Sitzverhalten präsentiert und dabei bestehende geschlechtsbezogene und sozioökonomische Ungleichheiten innerhalb der Europäischen Region der WHO unterstrichen. Zwar wurden einzelne Trends auch davor schon gemeldet, doch diesem Bericht werden erstmals Daten aus der HBSC-Studie über Adipositas und damit verbundene Verhaltensweisen zusammengetragen, um die neuesten Erkenntnisse zu überprüfen und die Bandbreite und Komplexität der für Adipositas im Kindesalter maßgeblichen Einflussfaktoren zu untersuchen.

Text: WHO/UKH

     
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