Baumwipfelpfad bringt Naturschützer in Wallung

von 9. Januar 2012

(dpa) Spazieren zwischen Baumkronen in luftiger Höhe könnte bald auch im Harz möglich sein. Bei Thale soll ein Baumwipfelpfad entstehen, der in der Nähe von Roßtrappe und Hexentanzplatz einen einzigartigen Ausblick über das Bodetal bieten soll. Es wäre der erste in Sachsen-Anhalt. Wie Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) sagt, wird der Stadtrat voraussichtlich im Februar über das 1,5 Millionen Euro teure Projekt entscheiden.

Der Betreiber der Seilbahn Thale will es bauen. Doch noch müssen einige bürokratische Hürden genommen werden. Denn die Pläne für den etwa 600 Meter langen und 20 Meter hoch gelegenen Pfad haben nicht nur Befürworter. Der Grund: Er soll durch ein Landschaftsschutzgebiet führen.

«Der Baumwipfelpfad stößt bei Naturschützern auf Kritik, denn die Errichtung ist im Herzstück des Landschaftsschutzgebietes geplant», sagt die Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Sachsen-Anhalt, Annette Leipelt. Gerade im Bereich Roßtrappe und Hexentanzplatz gebe es jetzt schon mehr als genug touristische Attraktionen, die dem Gedanken an ein Landschaftsschutzgebiet zuwiderliefen. Die Stadt Thale vermarkte das Gebiet regelrecht. «Das wird dazu führen, dass eines Tages die Touristen fernbleiben, die die Schönheit und Einzigartigkeit des Bodetales einst schätzten», sagt Leipelt. Außerdem sieht sie die Gefahr, dass der im größeren Einzugbereich des Pfades brütende Wanderfalke vergrämt wird.

Balcerowski sieht das ganz anders: «Der Baumwipfelpfad ist ein Beitrag dazu, die Menschen zielgerichtet in die Natur zu führen, um sie dort mit ihr vertraut zu machen.» Er sei im Sinne des Naturschutzes, denn er helfe auch zu verhindern, dass Wanderer unkontrolliert durch das Landschaftsschutzgebiet laufen.

Der Chef des Nationalparks Hainich in Thüringen, Manfred Großmann, gibt dem Bürgermeister Recht. «Mit unserem Baumkronenpfad, der 2005 eröffnet und 2009 erweitert wurde, setzen wir vor allem auf Umweltbildung und Erholung», sagt er. Die Besucherzahlen bestätigten den Erfolg des Konzepts. Im Durchschnitt kämen 200 000 Gäste pro Jahr, 2011 waren es sogar 250 000. «Zwei Drittel bis drei Viertel unserer Nationalparkbesucher locken wir mit unserem Baumkronenpfad an.» Konkurrenz zieht Großmann nicht, wenn in Thale gebaut werden sollte. «Im Gegenteil: Jeder der bislang sieben Pfade in Deutschland hat seinen eigenen Reiz und ermuntert zum Besuch des anderen.»

Damit in Thale gebaut werden kann, muss das Projekt von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Halberstadt genehmigt werden. «Wir haben unser Gutachten abgeschlossen, nun liegt die Sache beim Landrat», sagt deren Chef, Egbert Günther. Wie seine Behörde entschieden hat, etwa ob das Terrain, wo der Pfad errichtet wird, aus dem Landschaftsschutzgebiet ausgegliedert wird, will er nicht verraten. Geheimnisvoll gibt sich auch die Pressestelle des Landkreises Harz. Dort ist lediglich zu erfahren, dass die «Prüfung des Antrages innerhalb der Kreisverwaltung zur Erbauung eines Baumwipfelpfades im Bodetal derzeit noch nicht abgeschlossen ist.»