„Mit Energie und Toleranz schaffen wir das!“

von 24. Januar 2017

Sicher ist, dass viele Syrer inzwischen in Deutschland sind, die meisten Kriegsflüchtlinge blieben jedoch entweder in Syrien oder gingen in die Nachbarstaaten, insbesondere in die Türkei, nach Libanon und Jordanien. Inzwischen ist auch klar, dass eine große Zahl der Neuankömmlinge in Deutschland nur behauptete, die syrische Staatsbürgerschaft zu besitzen, um die größtmögliche Chance im Asylverfahren zu bekommen. Allerdings wurde 2016 gerichtlich festgestellt, dass auch Syrer nicht automatisch einen Anspruch auf Asyl haben.

Hallelife hat drei echte Syrer in Halle getroffen und alle drei waren gut ausgebildet und definitiv keine Wirtschaftsflüchtlinge. Drei Menschen sind nicht repräsentativ, aber die Begegnungen waren nicht bewusst ausgewählt, sondern ergaben sich zufällig. Einen dieser drei Syrer hat Hallelife nun interviewt: Bashar Alhalbouni, Erzieher für Unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) beim Deutschen Roten Kreuz in Halle. Er wurde 1984 in Damaskus, der Hauptstadt Syriens, geboren. Dort wuchs er auch auf und ging zur Schule. Sein Vater ist Chef-Chirurg in der Orthopädie, seine Mutter arbeitet von Zuhause aus. Bashar Alhalbouni lebt seit acht Jahren in Deutschland und seit ungefähr sechs Jahren in Halle an der Saale. Alleine. Er hat Betriebswirtschaftslehre studiert.

Hallelife: Sie sprechen sehr gut Deutsch. Wann hatten Sie das erste Mal mit der Sprache zu tun und wie haben Sie es geschafft, so gute Fortschritte zu machen?

Bashar Alhalbouni: Ich habe schon in Syrien am Goethe-Institut die erste Stufe studiert sowie mit meinem besten Freund R. Alderi meine Deutschkenntnisse deutlich verbessert. In Deutschland habe ich mit anderen deutschen Studenten lange gewohnt und neben meinem Studium in verschiedenen Bereichen gearbeitet, damit ich mich selber finanzieren konnte.

Sie sagen, dass Sie die deutsche Sprache lieben. Wie haben Sie diese Sprache für sich entdeckt und was genau lieben Sie daran?

An der Arabischen Europäischen Universität habe ich deutsche Austauschstudenten kennengelernt und von ihnen viel gutes über das Thema “Deutschland und das Studentenleben in Deutschland” gehört, sowie mit den deutschen Austausch Dozenten, die Module und Seminare in meiner Uni durchgeführt haben, konnte ich die Sprache ständig praktizieren. Was mir geholfen hat, dass ich in mir andere Stärken und Horizonten entdecken konnte, noch dazu die ganze Atmosphäre, war als neue Eingabe meines Lebens bevor ich nach Deutschland gekommen bin.

Sind Sie nach Deutschland gekommen, weil Sie die Sprache lieben? Welche Gründe haben Sie hierher geführt?

Ich wollte in Deutschland mein Studium abschließen und konnte das an der MLU schaffen, da diese Partneruniversität meiner Universität in Damaskus ist.

Welchen Aufenthaltsstatus haben Sie in Deutschland? Sind Sie Flüchtling?

Ich hatte die regulären Studenten-Visa während des Studiums. Aktuell habe ich ein Arbeitsvisum und sollte keinen Asylantrag stellen.

Welche Vorstellungen hatten Sie von Deutschland, ehe Sie hierher gekommen sind?

Dass, wenn man als Student nach Deutschland kommt, man sehr viele Möglichkeiten hat, sich weiterzubilden und zu verbessern sowie Karriere für seine Zukunft zu machen. Ich erwartete genug Arbeitsstellen und einen guten Verdienst.

Was ist so, wie sie dachten und was ist anders?

Ich habe gehört, dass die Kinder ab dem 18. Lebensjahr ihre Eltern verlassen, was nicht genau stimmt nach meiner eigenen Erfahrung. Da habe ich selber gesehen, dass die Kinder einen guten Kontakt zu ihren Eltern halten und andersrum, aber meistens fehlt den Menschen die Zeit dafür.

Was mögen Sie in Deutschland und was weniger?

Ich mag das strukturierte Leben und weniger die Zeit, die ich brauchte, bis ich in die Arbeit eingestiegen bin.

In Deutschland wird viel über Integration diskutiert. Wie denken Sie darüber?

Ich denke, dass es mehr und mehr in Deutschland akzeptiert wird, auf der anderen Seite: Deutschland braucht junge, motivierte Menschen, um zu arbeiten, sowie eine höhere Zahl Bevölkerung.

Viele Menschen sorgen sich wegen des Einflusses des Islam auf das Leben in Deutschland. Was ist ihre Meinung zu dem Thema, zum Beispiel zur Rolle der Frau und so weiter?

Als offener freier Mensch erzähle ich gerne über meine Religion und Kultur und lasse jeden für sich entscheiden. Andersrum, möchte ich auch über andere Konfessionen und Kulturen wissen.

Kanzlerin Angela Merkel sagte im Herbst 2015 mit Blick auf den Massenansturm überwiegend junger, muslimischer Männer auf Deutschland: „Wir schaffen das!“ Inzwischen gibt es auch Flüchtlingshelfer, die diesen Satz negieren, von Chaos und massiven Integrationsproblemen sprechen. Sie arbeiten mit Flüchtlingen. Wie haben Sie das bisher erlebt?

Ich bin mit diesem Spruch einverstanden, denn mit unserer Energie, Toleranz und Bemühen, schaffen wir das!

Deutschland ist de facto ein Einwanderungsland. Kann es gelingen, dieses Land und seine Kultur zu bewahren oder ist die komplette Veränderung des Landes unausweichlich?

Die deutsche Kultur hat vieles, dass wir lernen können und wo wir uns integrieren dürfen. Das muss man natürlich beibehalten.

Was können Sie von den Deutschen lernen und was die Deutschen von Ihnen?

Von den Deutschen: die seriöse Arbeit und die Zuverlässigkeit. Von mir: Offen über alles reden.

Planen Sie Ihre Zukunft in Deutschland oder wollen Sie eines Tages nach Syrien zurückgehen?

Wenn ich meine eigene Familie gründen kann, sehe ich die Zukunft in Deutschland und nach Syrien will ich natürlich eines Tages zurück, wenn es die Möglichkeit gibt zusammen mit vielen Freunden, die mein Land gerne besuchen möchten.

Was machen Sie am liebsten in Ihrer Freizeit?

Ich treibe Sport und unterstütze andere Organisationen und Einrichtungen, die im Sozialbereich tätig sind.

Was ist zur Zeit ihr größter Wunsch?

Dass die Waffenproduktion endet, damit die Kriege aufhören können und jeder einen Platz auf der Welt findet.