Gose ist kein Bier

von 13. Februar 2012

Die Große und die Kleine Gosenstraße werden oft mit der Biersorte „Gose“ in Verbindung gebracht. Kaum jemand weiß jedoch, dass diese beiden Straßen auf einen Bewohner Giebichensteins im 19. Jahrhundert zurückgehen.

Im Rahmen der Aktion „Bildung im Vorübergehen“ informiert die Bürgerstiftung Halle über den Maurer und Gemeindevertreter Johann Christian Gose, auf dessen Ackerland die beiden Straßen entstanden, und ehrt ihn mit einem Zusatzschild. Die Schilder werden am 16. Februar um 15 Uhr an der Großen Gosenstraße angebracht und wurden gespendet von Familie Axel und Annett Göhre, Henning und August Peker und Familie Catharina Bankert-Hahn und Christophe Hahn aus Halle sowie von Volkmar Weber aus Schweinfurth.

Johann Christian Gose (1799–1868)
Nicht die Döllnitzer Biersorte Gose, sondern ein Giebichensteiner Bewohner gab der Gosenstraße ihren Namen. Johann Christian Gose wurde am 10. September 1799 in Giebichenstein geboren als Sohn des Häuslers und Leinwebers Johann Christian Gose und der Maria Dorothea geb. Weickart. In den wenigen verfügbaren Quellen wird er als Häusler und Maurer, Maurergeselle und Maurerpolier in Giebichenstein genannt. Ihm gehörten in Giebichenstein ein Wohnhaus mit Nebenhaus und Hofraum, dazu ein Garten von etwa 150 m2 sowie ein Anger am Saalhang von beinahe 2000 m2. Sein größter Grundbesitz erstreckte sich über 7 Morgen und 68 Quadratruten auf der Fläche der heutigen Gosenstraßen (etwa 17.500 m2). Er war verheiratet mit Maria Friederike Scheibe (1801–1866).

Von 1854 bis 1867 gestaltete Johann Christian Gose das Gemeindeleben in Giebichenstein aktiv mit. Im April 1848 wurde ein Gemeinderat in Giebichenstein gebildet, der die Gemeinde vertreten und für sie Beschlüsse fassen sollte. Neben dem Ortsschulzen und zwei Schöppen wurde die Zahl der Gemeinderatsmitglieder auf acht Personen und vier Stellvertreter festgelegt. Im Laufe der Zeit variierte die Zahl der Gemeindeglieder jedoch stark. Zu Goses Zeit stimmten zuweilen bis zu 64 Personen über Beschlüsse ab. Unter anderen Dingen wurden in den Versammlungen Fragen zu Grundbesitz, Steuern und Armenversorgung diskutiert, die Anstellung eines Feldhüters zur Überwachung der Äcker sowie zweier Nachtwächter und die Anlage eines Brunnenhauses. In Goses Lebenszeit wuchs der Ort beständig, Johann Christian Gose hatte keinen geringen Anteil daran. 1821 gab es in Giebichenstein 91 Häuser und 705 Einwohner. Ab 1862 verkaufte Gose von seinem Ackergrundstück Parzellen, welche von verschiedenen Leuten in den nächsten Jahren bebaut wurden. Die ersten Wohnhäuser an der "neuen Straße auf den Ackerplan des Christian Gose" entstanden ab 1865 (Bauakte Gr. Gosenstraße 3, August 1865). Laut einer weiteren Bauakte legte Gose diese selbst an, vermutlich um sein Ackerland weiterhin zugänglich zu halten. Im Sprachgebrauch hat sich wohl bald der Name Gosenstraße eingebürgert, da sie in den Akten der Gebäudesteuer-Verwaltung des Schulzenamtes Giebichenstein als solche noch im selben Jahr benannt wurde. In diesem Jahr 1865 war Giebichenstein auf sechzehn öffentliche Gebäude und 513 Privathäuser mit 2682 Einwohnern angewachsen. In der Gosenstraße befanden sich fünf Häuser in Bau, zwei Jahre später gab es schon acht Wohnsitze, 1871 standen an der Straße siebzehn Häuser.

Goses erster Sohn, Friedrich Wilhelm Karl, von Beruf Gärtner, erwarb 1863 ein an den Advokatenweg grenzendes Stück des väterlichen Ackerlandes und errichtete dort sein Wohnhaus und Ställe. Drei Jahre später errichteten auch der zweite Sohn Goses, Zimmermeister Otto August Hermann und sein Schwiegersohn, der mit Goses Tochter Amalie verheiratete Handarbeiter Karl Otto, neue Wohnhäuser und Ställe auf Parzellen des vom Vater erworbenen Grundstücks. Zu dieser Zeit hatte Gose bereits einen Teil seines Ackerlandes verkauft, die ersten Neubesitzer bauten ihre Häuser, die Gosenstraße entstand. Das kleine Grundstück am Saalhang gehörte mittlerweile dem Bankier Ludwig Lehmann. Johann Christian Gose wird im Sterberegister zu Giebichenstein als Altsitzer bezeichnet, das heißt er hatte sich auf sein Altenteil zurückgezogen, besaß noch eine Stube auf seinem alten Besitz und wurde von seinen Kindern, denen er sein Hab und Gut vererbt hatte, versorgt.

Am 16. Februar 1868, um halb neun erlag Johann Christian Gose einem Schlaganfall. Er hinterließ fünf erwachsene Kinder und eine minderjährige Enkelin, Kind seiner 1866 an der Cholera gestorbenen Tochter Friederike Amalie. Wie in einem Kirchenführer von 1935 zu lesen ist, wurde er neben seiner Ehefrau beerdigt „beim Eingang an der Kirchhofspforte, am Fußweg, der zur Kirche führt“. Das Grab ist heute leider nicht mehr aufzufinden.

Die Gosenstraße reichte zunächst vom Schleifweg zum Advokatenweg. Nach der Eingemeindung Giebichensteins im Jahre 1900 wurde die anschließende Hohe Straße an die Gosenstraße angegliedert, um eine Verwechslung mit der Hochstraße im Süden Halles zu vermeiden. Die Kleine Gosenstraße wurde 1876 angelegt.

Antje Löhr-Dittrich

Quellen:
Herzlichen Dank an Volkmar Weber, Schweinfurth, für die wertvollen Informationen zur Geschichte seiner Vorfahren.
Schultze-Galléra, Siegmar Baron von: Topographie oder Häuser- und Strassen-Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale. Bd. 3 (Die Eingemeindungen der Stadt Halle : Giebichenstein, Trotha, Cröllwitz, Gimritz), 1924.
Stadtarchiv Halle (Akten zum Landratsamt des Saalkreises, Steuerakten, Gemeindebeschlüsse Giebichenstein, Bauakten Große Gosenstraße)
Gemeindebüro der Bartholomäusgemeinde in Giebichenstein (Sterberegister, "Die evangelische Bartholomäuskirche zu Halle-Giebichenstein ", 1937)
Adressbücher der Stadt Halle (ab 1867 mit Giebichenstein)