Gedenken an die Opfer des Anschlags vom 9. Oktober 2019

Gedenken an die Opfer des Anschlags vom 9. Oktober 2019
von 9. Oktober 2022 0 Kommentare

Die Stadt Halle (Saale) und die Jüdische Gemeinde zu Halle haben am Sonntag, 9. Oktober 2022, gemeinsam der Opfer des antisemitisch und rechtsextremistisch motivierten Terroranschlags vom 9. Oktober 2019 gedacht. Die Gedenkzeremonie fand im Hof der Synagoge, Humboldtstraße 52, unter anderem im Beisein von SachsenAnhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, GemeindeVorstand Max Privorozki und Betroffenen des Anschlags, statt.

 

Worte des Gedenkens von Bürgermeister Egbert Geier:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Privorozki, liebe Frau Edel, liebe Gäste,

in den Wortbeiträgen ist bereits Folgendes deutlich zur Sprache gekommen: die Bedeutung, die der 9. Oktober 2019 für unsere Stadt und weit darüber hinaus hat; die Wunde und die Narbe, die dieser Tag hinterlassen hat; vor allem aber die Lehren, die wir aus diesem Attentat zu ziehen haben.

Ich möchte diesen Punkt gern noch einmal aufgreifen, anschließend an die Erläuterungen von Frau Edel zu ihrem Kunstwerk neunzehnneunzehn. Ich finde, diese Tür ist aus vielerlei Gründen ein ganz besonders eindringliches Mahnmal geworden.

Da ist das ganz Vordergründige, das konkrete Erinnern an den 9. Oktober 2019: die Tür als Bollwerk. Diese Tür hat dem Attentäter den Weg in die Synagoge versperrt, sie hat heute vor drei Jahren viele Menschenleben gerettet.

Doch da ist auch diese Botschaft auf den zweiten Blick. Denn eine Tür hat gleichwohl auch immer den Charakter des Verbindenden. Sie verbindet Räume, sie verbindet das Draußen und das Drinnen.

Ich halte diesen Punkt mit Blick auf die Lehren, die wir aus dem 9. Oktober 2019 ziehen müssen, für eine sehr wichtige Symbolik. Unsere Antwort auf dieses schreckliche Verbrechen darf nicht die Abschottung, die geschlossene Tür sein. Im Gegenteil. Wir brauchen offene Türen in allen Bereichen. Im Privaten, im Religiösen und auch im Kulturellen. Offene Türen das bedeutet, wir brauchen ein Mehr an gesellschaftlichem Austausch, ganz sicher kein Weniger.

Lieber Herr Privorozki, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie dies in Diskussionen und Reden auch im Namen der Jüdischen Gemeinde immer wieder so verdeutlichen. Wenn wir dem Attentat den Platz einräumen, das gesellschaftliche Leben in unserer Stadt zu verdrängen, „dann hat der Attentäter etwas erreicht“. Das sind Ihre Worte, lieber Herr Privorozki, und ich schließe mich dem vollends an.

Ich halte diesen Aspekt noch aus einem weiteren Grund für wichtig: Wir haben in der Aufarbeitung des fürchterlichen Attentats lernen müssen, dass sich der Täter weitgehend unbemerkt im Internet radikalisiert hatte. Im Anonymen. Dort, wo es ein unmittelbares soziales Miteinander nicht mehr gibt.
Diese Erkenntnis geht über den Einzelfall hinaus. Wir müssen leider immer wieder erleben, wie sich Hass und Hetze in unserer Gesellschaft verbreiten darunter auch antisemitische Hetze. Der letzte Vorfall liegt gerade einmal ein paar Tage zurück: Am Mittwoch haben Unbekannte mit Steinen Fenster der Synagoge in Hannover eingeworfen. Während drinnen die jüdische Gemeinde JomKippur feierte. Ich denke, nicht nur mir geht es so: Solche Ereignisse lassen mir einen eiskalten Schauer über den Rücken fahren. Es weckt fürchterliche Erinnerungen.

Wir wissen heute: Solcher Hass wird nicht zuletzt in der sozialen Abgeschiedenheit und Anonymität des Internets verstärkt. Entgegentreten können wir dieser hässlichen Fratze des Rassismus nur im offenen Dialog, in einer möglichst offenen Gesellschaft. Je vielfältiger unsere Gesellschaft ist, je mehr Miteinander es gibt, umso weniger stark sind Stereotype ausgeprägt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich habe eingangs mit Blick auf Frau Edels Kunstwerk den Begriff des Bollwerks genutzt. Es war ein großes, unermessliches Glück dieses 9. Oktober 2019, dass diese Tür tatsächlich als Bollwerk standgehalten hat. Die Lehre dieses schrecklichen Anschlags aber muss sein, dass es nicht genügt, eine solches physisches Bollwerk zu haben. Das wichtigste und stabilste Bollwerk gegen Rassismus, gegen Hass und Intoleranz sind am Ende wir selbst. Es sind unsere Einstellungen und Werte, es ist unser Wille, respektvoll aufeinander zuzugehen und sich kennenzulernen.

Dieser 9. Oktober 2019, als eine verschlossene Tür so viele Menschenleben gerettet hat, sollte uns immer wieder vor Augen führen, was wir für die Zukunft brauchen: offene Türen.

Vielen Dank!

Die Stadt Halle (Saale) legte vor der Synagoge und dem ehemaligen KiezDöner in der LudwigWuchererStraße dem zweiten Anschlagsort Kränze nieder.

 

 

Weitere Veranstaltungen im Kontext des Gedenkens am heutigen Tag:

KirchenglockenGeläut zum Zeitpunkt des Beginns des Anschlags um 12.03 Uhr stadtweit; Andacht in der Marktkirche um 12.30 Uhr.
HAVAG stoppte ihre Fahrzeuge und informierte mittels Durchsagen in den Fahrzeugen und Haltestellen zum Gedenken;
Eröffnung der Ausstellung „10 Jahre Tagebuch der Gefühle“ im Stadtmuseum, 14 Uhr;
im Saal des Neuen Theaters Performance „KEEP ME IN MIND“ (Bewahre mich in Erinnerung), 14 bis 18 Uhr;
im Puschkino Uraufführung des bei der Recherche zur Perfomance entstandenen Films mit anschließendem Gespräch, 19.30 Uhr
CarillonKonzert vom Roten Turm auf dem Marktplatz, 19 Uhr

         

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