Acht Wochen ohne Kontrolle im Herbst 2015

von 28. Februar 2016

An den Stammtischen, auf der Straße und im Internet diskutieren vielen Menschen nach wie vor kontrovers, verunsichert und teilweise sehr aggressiv, was die Einwanderung von mehr als einer Millionen Menschen in 2015 und die anhaltende Einwanderung von mindestens einer weiteren Millionen Menschen in 2016 aus überwiegend muslimisch geprägten Länder für Deutschland und das Leben jedes Einzelnen bedeutet und wie damit umzugehen ist. Ein Kernthema neben Werten und Integrationsfähigkeit ist die Kriminalität. Was die Kriminalität betrifft, so hat die Polizei in Halle an der Saale Ende Februar 2016 Zahlen vorgelegt (Hallelife berichtete: „Diebstähle verdoppelt in zwei Jahren“) und die Feststellung, dass sich die im vergangenen Jahr registrierten Straftaten der Neuankömmlinge in Art und Umfang nicht signifikant unterschieden von denen der bisher hier heimischen Bevölkerung. Ist es tatsächlich so einfach?

Ob sich die generelle Sicherheitslage durch die Einwanderung tatsächlich nicht verändert hat, wie offiziell verlautbart, ist den veröffentlichen Zahlen der Polizei offenbar nicht zu entnehmen. Denn schon vor Monaten erfuhr Hallelife von verschiedenen Stellen, dass insbesondere Diebstähle in etlichen Fällen – etwa in Supermärkten in Halle-Silberhöhe, Halle-Neustadt und anderen Stadtteilen – nicht angezeigt werden aus Rücksicht auf befürchtete Imageschäden. Wo Auffälligkeit den zuständigen Behörden bekannt werden, wirkt der von der Politik vorgegebene Grundsatz, diese Informationen mit Blick auf die in Teilen der Bevölkerung deutliche gesunkene Toleranzschwelle gegenüber Einwanderern besonders sensibel zu behandeln. Was sich in Sachen innere Sicherheit und Polizei möglicherweise hinter den Kulissen in Politik und Verwaltung abspielt, ließ sich erahnen, als Sachsen-Anhalts Innenminister zunächst zögerte, ob er die Kriminalstatistik besser erst nach der Landtagswahl (13. März 2016) bringen soll.

Nicht nur das Thema Personalmangel bei der Polizei brennt schon länger. Einige Kenner der Materie meldeten sich auch in Sachen Einwanderung und Integration immer wieder kritisch zu Wort. So warnten etwa Heinz Buschkowsky (ehemals Bürgermeister in Berlin-Neukölln), Norbert Bolz (Philosoph) und Rainer Wendt (Chef der Polizeigewerkschaft) nicht zuletzt vor falscher Toleranz und fehlender Transparenz. Buschkowsky beispielsweise hatte laut einem Focus-Bericht im Herbst 2015 erklärt, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels und Turnhallen wegen der Neiddebatte unklug ist. Außerdem müsse verhindert werden, dass Salafisten und Islamisten die Unterkünfte aufsuchen können, um dort ungehindert neue Anhänger zu rekrutieren. Bolz wiederum erwähnte 2010 in einer Talkshow die Arroganz politischer Eliten und die Meinungsdikatur der neuen Jakobiner.

Die Sorge in der Bevölkerung vor Parallelgesellschaften und den Verlust ihres gewohnten Umfeldes hat zu wachsender Angst und in den vergangenen Monaten auch zur steigenden Bevorratung privater Haushalte mit Selbstverteidigungsmitteln geführt. Die Bilder von Daesch, dem so genannten Islamischen Staat, haben die Sorge auch in Halle genährt, Islamisten könnten sich unter die „Flüchtlinge“ gemischt haben. Hallelife weiß zumindest von einer in Halle lebenden irakische Christin, die vor Krieg und Diskriminierung aus ihre Heimatstadt Bagdad geflohen ist und diese Sorge für nicht ganz unbegründet hält. Halles Polizeichef Karsten Thärigen hingegen erklärte am Freitag, 26. Februar 2016, auf der Pressekonferenz zur Kriminalitätsstatistik 2015, dass zumindest die kursierenden Spekulationen, IS-Kämpfer könnten über die „Balkanroute“ nach Deutschland eingesickert sein, wenig wahrscheinlich sind, da auf der langen Strecke mit den vielen Grenzen das Risiko, in eine Kontrolle zu geraten, viel zu hoch wäre. Einwanderer, die nach Halle kämen, seien zudem auch innerhalb der Bundesrepublik durch eine oder mehrere Kontrollen gelaufen. Allerdings gab der Polizeichef zu, dass es im Herbst 2015 in Halle für etwa acht Wochen deutliche Lücken bei der erkennungsdienstlichen Erfassung gab. Seit Dezember 2015 würde alle Ankömmlinge jedoch systematisch erfasst. So könne man etwa im ehemaligen Hotel „Maritim“ am Riebeckplatz, das seit Ende September 2015 Flüchtlingsheim ist, unter anderem Fingerabdrücke nehmen. „Wir haben in Halle keine Lücken mehr.“

Nach der anfänglichen Aufregung habe sich die Lage weitgehend beruhigt, auch in der Bevölkerung und den sozialen Netzwerken. Weder vor, noch im ehemaligen Hotel sei es zu besonderen Vorfällen gekommen. Dass es in Halle bisher keine Anschlägen gab, führt Thärigen auf die gute Zusammenarbeit zwischen Stadt, Land und Polizei sowie auf Bürgerversammlungen und Informationsveranstaltungen auch durch Flüchtlingsheimbetreiber zurück. Aufregung gebe es allenthalben nur, „wenn Herr L.“ mal wieder aktiv sei. Mit dem Namenskürzel war Sven Liebich gemeint, der auf Facebook unter dem Pseudonym Halle leaks wiederholt mit vermeintlichen Enthüllungen wie etwa einen geköpften Hausmeister für Aufregung sorgte. Die Köpfung ist nach Aussage der Polizei jedoch frei erfunden.