Schlechte Noten im Chancenspiegel

von 13. März 2012

 Der Chancenspiegel der Bertelsmann-Stiftung zeigt einige Kritikpunkte auf. So werden 8,3 Prozent aller Schüler in Sachsen-Anhalt in Förderschulen unterrichtet, im Bundesdurchschnitt sind 5,0%. Daneben brauchen 9,5 Prozent aller Schüler eine sonderpädagogische Förderung. Außerdem verlassen 12,3 Prozent aller Jugendlichen die Schule ohne Abschluss, doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. Dagegen erreichen nur 38,8 Prozent der jungen Erwachsenen die Hochschulreife gegenüber 46,4 Prozent bundesweit. Schlecht schneidet Sachsen-Anhalt  bei Ganztagsschulen ab. Während bundesweit 26,9 Prozent aller Schüler eine solche Einrichtung besuchen, sind es in Sachsen-Anhalt nur 19,9 Prozent. Die Chance eines Kindes aus oberen Sozialschichten, das Gymnasium zu besuchen, ist 4,1 mal höher als die eines Kindes aus unteren Sozialschichten  Statement der Vorsitzenden der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,Dr. Claudia Dalbert,  zur Studie „Chancenspiegel“ der Bertelsmann-Stiftung: „Die Ergebnisse der Studie ,Chancenspiegel‘ der Bertelsmann-Stiftung erstaunen mich nicht im Geringsten. Andere Studien haben bereits gezeigt, dass Kinder aus Arbeiterfamilien gegenüber Kindern aus Akademikerfamilien eine drei- bis viermal geringere Chance, ein Gymnasium zu besuchen – und das bei gleicher Schulleistung“, sagte die grüne Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt Claudia Dalbert. Sie forderte eineut Gemeinschaftsschulen. Diese könnten ein Weg sein, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. „Die Vorschläge dazu aus dem Kultusministerium könnten ein Weg sein, es gerechter zu machen. Wenn man es richtig macht.Vor allem aber müssen wir die Lehrinnen und Lehrer auf die Ansprüche einer Gemeinschaftsschule vorbereiten. Wir müssen ran an die Lehreraus- und -fortbildung. Sie müssen auf den unterschiedlichen Lernbedarf ihrer Schülerinnen und Schüler gezielt eingehen können.“ Zur jüngst veröffentlichten Studie des Instituts für Schulentwicklungsforschung Dortmund und der Bertelsmann-Stiftung erklärt die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Birke Bull: „Leider sind die erneut angesprochenen Schwachstellen des Schulsystems in Sachsen-Anhalt hinlänglich bekannt“, sagte die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ Birke Bull. Die Studie unterstreiche erneut die Einschätzung: „Das Schulwesen in Sachsen-Anhalt ist in sozialer Schieflage. Das ist offenbar kein ideologisch gefärbtes Genörgel, sondern immer wieder empirisch belegte Tatsache. Es ist ein Signal an alle Politikbereiche, nicht nur die Bildungs- und Schulpolitik. DIE LINKE fordert daher erneut: im gesamten Schulwesen in Sachsen-Anhalt sind Reformen nötig.“ Ein paar freiwillig gebildete Gemeinschaftsschulen allein könnten die Probleme nicht richten. „Alles, was man bisher der Presse zu diesem Konzept entnehmen kann, liest sich eher wie „Etikettenschindel“ zu den bestehenden Integrierten Gesamtschulen, als dass es  als Innovation erscheint. Wir müssen beim gemeinsamen Unterricht weiter vorankommen. Die Ganztagsangebote an den Schulen müssen ausgebaut werden. Endlich muss auch hier etwas Nachhaltiges an den Förderschulen geschehen. Der Landtag debattiert auf Initiative der LINKEN darüber schon seit Monaten mit der Landesregierung.“ Der „Sitzenbleiber“-Problematik sei mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Daneben müsse die Landesregierung auf einen drohenden Lehrermangel reagieren.  Auch die Jusos Halle (Saale) fordern vom Land Sachsen-Anhalt mehr Anstrengungen im Bildungsbereich. „Statt die Regelschulen zu befähigen, der Vielfältigkeit der Kinder gerecht werden zu können, sortiert Sachsen-Anhalt weiter kräftig aus“, so Felix Peter, Vorsitzender der Jusos Halle (Saale). Unter anderem erhielt das Land in den Bereichen Integrationskraft und Durchlässigkeit, zentrale Indikatoren für Chancengerechtigkeit, negative Bewertungen. „Das ausgeprägte Förderschulwesen und die Mehrgliedrigkeit der Bildungslaufbahn erhalten so einmal mehr das Zertifikat unzulänglich. Die Gemeinschaftsschule ist ein erster, wenn auch kleiner Schritt, diesem Trend entgegenzuwirken. Weitere notwendige Maßnahmen sind die Beendigung der Diskriminierung von Kindern arbeitsloser Eltern bei der Kinderbetreuung sowie ein flächendeckender Ausbau von Ganztagsangeboten an Schulen“, so Felix Peter weiter. Sachsen-Anhalt hat einen der höchsten sonderpädagogischen Förderbedarfe in Deutschland und sortiert gleichzeitig die meisten entsprechenden Schülerinnen und Schüler auf gesonderte Schulformen aus. Dazu Felix Peter: „Die Quote an Schülerinnen und Schülern, die in Sachsen-Anhalt an Förderschulen unterrichtet werden, ist deutlich zu hoch. Viele dieser Kinder könnten auch in Regelschulen unterrichtet werden. Dafür fehlen in Sachsen-Anhalt allerdings noch flächendeckend entsprechende Voraussetzungen. Auch bei rückläufigen Schülerzahlen müssen vor allem mehr pädagogische Fachkräfte ins System, damit inklusiver Unterricht an den Regelschulen gewährleistet werden kann.“ Neben der übergroßen Auslese auf Förderschulen wird Sachsen-Anhalt zudem eine gravierende Sozialauswahl bescheinigt: Kinder aus sogenannten Akademikerfamilien haben immer noch deutlich bessere Chancen auf einen höherwertigen Schulabschluss als ihre Altersgenossen aus sogenannten Arbeiterhaushalten. „Unser gegliedertes Schulsystem fördert die Starken bzw. jene mit den besseren Startchancen und lässt die Schwachen oftmals zurück. Für letztere entsteht ein Teufelskreis, der im schlimmsten Fall zu Schulversagen und dauerhafter Arbeitslosigkeit führen kann. Längeres gemeinsames Lernen und Ganztagsangebote können dieses Problem nachweislich lösen. Sachsen-Anhalt sollte hier energischer vorangehen, bevor viele weitere Begabungen und Hoffnungen im System verloren gehen“, so Felix Peter abschließend. „Die Studie liefert auf den ersten Blick nicht wirklich neue Erkenntnisse zur Chancengerechtigkeit in Sachsen-Anhalt. Sie bestätigt vielmehr die bisher bekannten Annahmen, dass ein Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg besteht“, erklärt der stellvertretende bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Kultur, Dr. Gunnar Schellenberger. „In Sachsen-Anhalt leider in noch stärkerem Maße als in anderen Ländern. Deshalb gilt es auch für meine Fraktion, gemeinsam mit den anderen Fraktionen im Landtag, nach Wegen zu suchen, die es erlauben, trotz eines sozial schwachen Familienhintergrundes, gute schulische Leistungen bei den Schülerinnen und Schülern abzurufen. Der einzige positive Wert in der Studie für unser Land – die guten Schülerleistungen – bilden dafür eine gute Ausgangslage, denn sie beweisen, dass auch Schülerinnen und Schüler mit sozial schwachen Elternhäusern gute Ergebnisse vorweisen können. Daran gilt es anzuknüpfen. Weitergehende Schlussfolgerungen sollten aber erst nach Lektüre der gesamten Studie gezogen werden.“