UPDATE: Verwaltung diskutiert mit Halles Osten

von 24. März 2011

Am Donnerstagabend lud die hallesche Stadtverwaltung zum Bürgerforum für den Osten von Halle (Saale) ein. Rund 200 Gäste folgten dem Aufruf, kamen zu der Veranstaltung in die Beratungsräume der Halle-Messe. Unter ihnen waren auch zahlreiche Stadträte wie Karamba Diaby, Dietmar Weihrich, Swen Knöchel, René Trömel, Roland Hildebrandt, Klaus Hopfgarten und Bernhard Bönisch.

Doch bevor die Hallenser ihre zahlreichen Fragen stellen konnten, begrüßte Christian Malordy von der Halle-Messe die Besucher. Er verwies darauf, dass es sich um die einzig privat gebaute und betriebene Messe in den neuen Bundesländern handele. Um über 120.000 Quadratmeter Fläche verfüge die Messe, mittlerweile hätten 650 Veranstaltungen stattgefunden, 1,2 Millionen Besucher seien gezählt worden. „Drei Mal hatten wir ‚Wetten, dass…?‘ hier“, freute sich Malordy. „Und hier in diesem Raum waren schon Weltstars wie Tom Cruise und Robbie Williams“, so Malordy weiter. Zufrieden zeigte sich auch Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados. „Ich bin sehr froh, dass wir uns für diesen Standort entschieden haben“, so das Stadtoberhaupt über die Stelle, wo einst ein Heizhaus stand. Die zahlreichen Fernsehsendungen würden einem Millionenpublikum auch die Stadt Halle näher bringen.

Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados berichtete über das Baugeschehen im halleschen Osten. Berliner und Apoldaer Straße sollen Ende August fertig gestellt werden. Martin Heinz vom Tiefbauamt musste allerdings später ergänzen, dass die Berliner Straße wegen des langen Winters doch erst im November fertig werde. Ebenfalls im Sommer sei die neue Turnhalle der Grundschule Büschdorf nutzbar. Grundschule und Hort waren schon mit Mitteln des Konjunkturpakets saniert worden. Gut entwickelt hätten sich auch die Gewerbegebiete im halleschen Osten, Szabados erwähnte Papenburg, Halloren, die vielen Call-Center, das MZ-Druckhaus. „Ich bin dankbar, dass sich alles so positiv entwickelt hat.“ Doch auch in Queis könne man einige Erfolge vorweisen, nachdem das für mehrere Millionen Euro erschlossene Gewerbegebiet jahrelang brach lag. Innotech Solar wolle hier beispielsweise Solarzellen aufarbeiten, investierte 20 Millionen Euro und schaffe 100 Arbeitsplätze. Für 50 Millionen Euro wolle GA Pack ein neues Werk bauen und hier 120 Jobs schaffen.

Ein Problem im vergangenen Jahr war das kleine Flüsschen Reide. Die war völlig verschlammt, das Wasser konnte nicht richtig abfließen und die Straße am Tagebau war deshalb monatelang gesperrt. „Wir haben lange rumgestritten mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz“, so Szabados. Dieser ist für die Unterhaltungsmaßnahmen an Flüssen zuständig. Zum Teil seien Schlamm und Sedimente nun bereits entfernt. „Der erste Schritt ist getan, die Fließgeschwindigkeit hat sich erhöht und das Wasser kann schneller ablaufen.“ Im Herbst solle es mit den Arbeiten weitergehen. Doch auch das steigende Grundwasser wird für viele Einwohner in Halle-Ost zum Problem. Szabados verwies auf eine Arbeitsgruppe des Umweltministeriums. Außerdem hatte die Stadt Erfassungsbögen des Landes mit dabei, auf denen die Anwohner die Probleme genau benennen können.

Lobend hob die Oberbürgermeisterin die Sanierung des Genscher-Geburtshauses hervor, in der heute die Bildungs- und Begegnungsstätte Deutsche Einheit untergebracht ist. „Wer anders steht für die Deutsche Einheit, wenn nicht Hans-Dietrich Genscher.“

Rückblick
Am 22. September 2009 fand das letzte Bürgerforum für den halleschen Osten statt. Viele Probleme wurden damals angesprochen. Was sich seitdem getan hat, darüber informierte die Oberbürgermeisterin. So funktioniere die Beleuchtung im Kanenaer Weg wieder, ein Kabelfehler wurde behoben. Der unbefestigte Geh- und Radweg in der Otto-Stomps-Straße sei aufgeschottert worden. In der Äußeren Leipziger Straße gilt nach Wünschen der Anwohner Tempo 30. Die Bürgerinitiative gegen den Fluglärm wurde in die Arbeit der Fluglärmkommission einbezogen. Noch nicht behoben ist die Situation in der Büschdorfer Straße, die sich immer noch in einem schlechten Zustand befindet. „Sie soll aber mit Bitumen überzogen werden.“

Sorgen, Nöte und Probleme
Derzeit wird die Delitzscher Straße ausgebaut, ein Teil ist schon fertig. Doch sehr zum Unmut von Frau Zopf kommt man zum Netto-Supermarkt nur noch von einer Seite, weil das Überfahren der Straßenbahngleise nicht mehr möglich ist. „Das ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Die Stadtverwaltung will sich die Situation noch einmal anschauen. Doch auch ein Linksabbiegen in die Landsberger Straße ist nicht mehr möglich. Nun solle auch noch ein Teil der Straße zur Einbahnstraße werde. Sie habe den Eindruck, das Viertel werde diskriminiert, so Frau Zopf.

Volker Grasse von der Dautzscher Wohngemeinschaft blickte sorgenvoll auf die Problematik des steigenden Grundwassers. „Das wird von einem zum anderen Tisch geschoben“, beklagte er. Es werde zu wenig Geld für die Gewässerunterhaltung bereitgestellt. Mit Blick auf die von Oberbürgermeisterin Szabados erläuterte Teilsanierung der Reide sagte er, auch der Bereich der Reide zum Beispiel in Bruckdorf müsse noch gemacht werden. Szabados verwies noch einmal auf die Zuständigkeit des Landes und auszufüllende Formulare. Doch Frau Zopf äußerte daraufhin Bedenken, dass die Stadtwerke an die Informationen kommen und deshalb zusätzliche Rechnungen bekommen. So hätten die Stadtwerke schon Teams losgeschickt, um zu schauen, wer seine Keller leer pumpe und das Wasser in die Kanalisation einleite. Jenen Anwohnern seien anschließend Zusatzrechnungen zugestellt worden. Sie warnte deshalb vor einem Ausfüllen der Formulare. Oberbürgermeisterin Szabados erklärte, die Daten der Formulare würden ans Land und keinesfalls an die Stadtwerke gehen. Niemand müsse sich da Sorgen machen. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass das Land in Halle kein Problem sehe, wenn nur wenige Formulare ausgefüllt werden. Eine Anwohnerin aus Reideburg verwies darauf, dass es neben der Reide auch noch viele Bachläufe und Gräben gebe, die auch saniert werden müssten. Kerstin Ruhl-Herpertz vom Umweltamt verwies darauf, dass sich das Grundwasser in der Region wieder auf das normale Niveau anhebe. Grund sei, dass LPGn, die Brikettfabrik Bruckdorf und der Bergbau einst viel Wasser brauchten und der Grundwasserspiegel abgesenkt wurde. Diese Großentnahmen gebe es heute nicht mehr. Hochwasser habe schon immer den Einwohnern von Reideburg zu schaffen gemacht. „Da darf man nicht nur die letzten Jahre betrachten, sondern muss über einen längeren Zeitraum schauen“, so Ruhl-Herpertz. So habe 1942 fast ganz Reideburg unter Wasser gestanden. Auch Manfred Widder brannte das Thema Grundwasser auf den Nägeln, er regte die Erstellung eines hydrogeologischen Gutachtens an. Außerdem berichtete er über Probleme mit einem Entwässerungsgraben der Bahn am Winterweg. Vor acht Wochen hätte es einen Termin mit der Bahn gegeben, doch seit dem sei es ihm nicht wieder gelungen, Kontakt mit dem Unternehmen aufzunehmen. Widder sieht die Stadt in der Pflicht, diese kassiere schließlich auch pünktlich die Grundstückssteuern. Mit zu bändigenden Wassermassen hatte auch das Problem von Uli Felsch zu tun. Er wohnte in der Siedlung Süd in der Zwintschönaer Straße. Acht Jahre lang hätte er immer wieder das Problem mit einem überschwemmten Grundstück gehabt. Deshalb sei ein Entwässerungsgraben gebaut worden, doch statt den im Kostenvoranschlag benannten 4.000 Euro soll er nun 7.000 Euro Ausbaubeiträge zahlen, für ihn nicht nachvollziehbar.

Holger Bless aus Diemitz hat ein ganz anderes Problem. Der Hallenser, der in der Woche in Zwickau arbeitet und eigens fürs Bürgerforum nach Halle gekommen war, regte eine Sanierung der Fritz-Hoffmann-Straße an. Probleme hat er hingegen mit der Baustelle in der Berliner Straße. Alle 108 Bäume seien gefällt worden, obwohl an den Standorten von 69 Bäumen noch gar keine Bauarbeiten stattfinden. Seiner Meinung nach hätte man hier noch etwas warten können. Martin Heinz von Tiefbauamt verwies aber auf den Termindruck. Allerdings musste er auch gestehen, dass die Berliner Straße erst im November fertig wird, weil der Winter die Bauarbeiten stocken ließ. Die Bauarbeiten der Stadt lassen aber auch das Haus von Holger Bless erzittern. Putz löse sich, ein fast fingerbreiter Riss habe sich gebildet. Von der Stadt habe er nichts gehört – nun soll sich aber gekümmert werden, wurde zugesagt. Im Rahmen des Kommunalen Schadensausgleichs sollen die Schäden behoben werden.

Volker Grasse bemängelte, dass durch den Hoberg- und den Hortensienweg die HAVAG mit großen Bussen fahre. „Das sind nur Siedlungsstraßen“, sie seien nicht für solch schweren Verkehr ausgelegt. Die HAVAG hätte zwar einst zugesagt, nach Abschluss der Bauarbeiten die Linienführung wieder zu ändern, doch geschehen sei bislang nichts. Die Stadtverwaltung will noch mal mit der HAVAG reden.

Motorrad-Stunts ärgern Herrn Krause aus der Dürrenberger Straße in Kanena. Denn nur unweit von seinem Haus entfernt sind die Parkplätze der Halle-Messe. Und dort lassen Übermütige nachts öfter mal die Reifen quietschen, die Nachtruhe sei gestört. Er regte den Einbau einer Schranke an, um nachts den Parkplatz abzusperren. „Wir werden den Vorschlag an die Messe weiterleiten“, so Oberbürgermeisterin Szabados. Außerdem werde die Polizei künftig auch hier kontrollieren. Eine weitere Anwohnerin aus Kanena forderte mehr Kontrollen durch das Ordnungsamt bei Veranstaltungen in der Halle-Messe, da viele Autos entgegen den Vorschriften auf den Grünflächen geparkt würden.

Siegfried Kiel interessierte sich für den „BMW-Acker“ und die von Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados angekündigten Investitionen. Er wollte wissen, wie seriös diese angesichts der gescheiterten Ansiedlung von Intico Solar seien. Das Unternehmen hatte hunderte Millionen Euro investieren wollen, 500 Jobs waren geplant. Michael Schädlich, der das Bürgerforum moderierte, verwies auf die Notwendigkeit großer Gewerbegebiete. Dies sei wichtig für große Ansiedlungen, allerdings bleibe natürlich immer ein Restrisiko das eine Investition nicht klappe. Auch OB Szabados verteidigte die Erschließung des Gewerbegebiets Queis. „Ohne diese Entscheidung wäre das heute noch Acker und es gäbe keine Chance für Industrieansiedlungen.“

Das hohe LKW-Aufkommen durch das Gewerbegebiet störte eine Anwohnerin aus Reideburg, sie berichtete von Lärm, Schmutz und einer „total kaputten“ Delitzscher Straße in diesem Bereich. Doch ihr Wunsch nach einer Umgehungsstraße kann wohl nicht erfüllt werden. „Mittelfristig gibt es keine Gelder, wir können ihnen keine Hoffnung machen“, sagte Martin Heinz vom Tiefbauamt.

Roland Hildebrandt erkundigte sich, wann der katastrophale Zustand in der Grundschule Diemitz beendet werde, insbesondere seien die Sanitäranlagen in der Turnhalle unbefriedigend, durch das Dach der Schule regne es teilweise herein. Hoffnung auf schnelle Abhilfe konnte Bildungsdezernent Tobias Kogge nicht geben.

An der Büschdorfer Grundschule gilt entlang der Delitzscher Straße Tempo 30. Aber niemand hält sich daran, bemängelte eine Anwohnerin, die sich Kontrollen wünschte. Torsten Paul vom Dautzsch erkundigte sich nach einem Spielplatz für den Ortsteil.

Manfred Widder meldete sich noch einmal wegen des Zustandes im Raps- und im Maisweg zu Wort. Seit hier Versorgungsunternehmen Leitungen erneuert habe, seien die Fußwegplatten weg. Laut Martin Heinz habe die Stadt derzeit nicht das Geld, alle Straßen zu machen. Auch für die Sperrung des Feldweges entlang der Metro konnte er zunächst keine Hoffnung machen. Zahlreiche Autofahrer nutzen die Verbindung als Abkürzung. Geplant war, eine sogenannte Umlaufschranke einzurichten, dann hätten hier nur noch Fußgänger den Weg nutzen können. Das sei aber am Widerstand der Landwirte gescheitert, die den Weg zur Bestellung ihrer Felder nutzen.

Eines der wichtigsten Themen für die Einwohner ist die Osttangente. Mit Plakaten protestieren vor allem die Anwohner vom Dautzsch gegen die von der Stadtverwaltung vorgesehene Ausführung mit Brücken. Ihr Wunsch: Aus Lärmschutzgründen sollen Tunnel gebaut werden. Doch das ist zu teuer, sagt die Stadt. Allerdings: Erst am Ende wurde das Thema dann durch Wolfgang Prill tatsächlich angesprochen. Er verwies auf einen Beschluss zur Linienbestimmung aus dem Jahr 1993, damals habe der Stadtrat die Tunnelvariante beschlossen. Das sah Baudezernent Thomas Pohlack anders. Der Beschluss sage eindeutig aus, dass die Ausführung erst nach der bautechnischen Untersuchung erfolgt. Pohlack verwies noch einmal darauf, dass Tunnel durch den hohen Grundwasserstand extrem teuer werden. Er bot aber der Initiative noch einmal Gespräche an. Nun soll es noch einmal eine Veranstaltung zur Haupterschließungsstraße Ost geben. Nachdem Prill zunächst noch bezüglich der Lärmbelastung der Stadt bewusste Rechenfehler unterstellte, kam dann der Vorschlag, wie es mit dem Weiterbau vorangehen kann. So könnte die Stadt zunächst den unstrittigen Bereich bis zur Reideburger Straße bauen. Außerdem könnte man auch auf die Abfahrt zur Berliner Straße verzichten und dadurch Kosten sparen. Alles Punkte, die nun noch einmal beredet werden sollen.

Eigentlich hatte die Stadtverwaltung vor, im April den Stadtrat den Weiterbau bis zur B 100 beschließen zu lassen. Angesichts der neuerlichen Debatten sei das aber illusorisch, sagte Tiefbauamtsleiter Martin Heinz auf Nachfrage.