Widerspruch des Oberbürgermeisters gegen den Stadtratsbeschluss zur Garagengrundstücksnutzung von Garagengemeinschaften

Widerspruch des Oberbürgermeisters gegen den Stadtratsbeschluss zur Garagengrundstücksnutzung von Garagengemeinschaften
von 10. April 2019

Anstatt Rechtssicherheit für die Garagenbesitzer zu erzeugen, führt diese Entscheidung zu erheblichen Nachteilen und Verunsicherungen: Die Verwaltung hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei Abschluss eines solchen neuen Vertrages die Garagennutzer ihr Eigentum an der Garage verlieren. Zudem erwarten auch die nicht vom Stadtratsbeschluss betroffenen Garagennutzer in der Stadt Halle (Saale) ähnliche Verträge, wie die vielen Nachfragen seit der Beschlussfassung in der Verwaltung belegen.

Das Schuldrechtsanpassungsgesetz findet auf Vereinbarungen, bei denen die für den alten Vertrag (hier der Nutzungsvertrag bis zum 31.12.2019) kennzeichnenden Elemente – insbesondere die Vertragsdauer – wesentlich abgeändert werden, keine Anwendung. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.07.2007 (Az.: XII ZR 113/05) für einen Garagennutzungsvertrag ausdrücklich bestätigt: „Ein Mietvertrag,der nach dem Beitritt zu teilweise anderen Bedingungen und auch nicht mehr zwischen denselben Vertragsparteien, jedoch über denselben Mietgegenstand abgeschlossen wurde wie der vor dem Beitritt vereinbarte Nutzungsvertrag, unterliegt nicht dem zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Schuldrechtsanpassungsgesetzes.“

Die Änderung der Vertragsdauer führt zur Beendigung des dem Anwendungsbereich und damit dem Schutz des Schuldrechtsanpassungsgesetz unterfallenden Vertragsverhältnisses, mit der Folge, dass das Eigentum an den Baulichkeiten – hier den Garagen – auf den Grundstückseigentümer (die Stadt Halle) übergeht.

Die Stadt Halle (Saale) wird daher mit Abschluss eines solchen Vertrages auch neue Eigentümerin der auf ihrem Grund und Boden errichteten Garagen.

Gemäß § 112 Abs. 1 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) soll die Kommune Vermögensgegenstände nur erwerben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit erforderlich ist. Der Vermögenserwerb darf nur Mittel zur Erreichung eines Ziels sein, dass im Aufgabenbereich der Kommune liegt. Die Möglichkeiten der Kommune werden dabei durch das Kriterium der Erforderlichkeit vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung begrenzt. Sachlich erforderlich ist der Erwerb eines Vermögensgegenstandes nur, wenn er dazu dient, den gemeindlichen Zweck zu erreichen und andere Handlungsalternativen nicht wirtschaftlicher sind. Da der Eigentumsübergang hier auf eine freie Willensentscheidung der Stadt Halle (Saale) zurückzuführen ist: Angebot auf Abschluss eines Nutzungsvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren, findet § 112 Abs. 1 KVG LSA auch Anwendung.

Vorliegend ist kein Grund ersichtlich, warum die Stadt Halle (Saale) Eigentümerin auch der Garagenbauwerke werden sollte. Die Garagen werden weder zur Erfüllung kommunaler Aufgaben in absehbarer Zeit benötigt, noch ist ein sonstiger mit dem Eigentumsübergang zusammenhängender Vorteil für die Stadt Halle (Saale)erkennbar. Im Gegenteil sind – worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde – mit dem Übergang des Eigentums an den Garagen auf die Grundstückseigentümerin Stadt Halle (Saale) nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen und Lasten verbunden.

So sind gemäß der beigefügten Stellungnahme der kommunalen Bewertungsstelle Kosten über die gesamte Vertragslaufzeit von 15 Jahren für die Garageninstandhaltung in Höhe von 10,87 Millionen Euro und Kosten für die Garageninstandsetzung in Höhe von 2,3 Millionen Euro aufzuwenden.

Darüber hinaus soll die Stadt Halle (Saale) auf Grund des Stadtratsbeschlusses auf die Geltendmachung von Abriss- und Beräumungskosten gegenüber den Garageninteressengemeinschaften/Garagenbesitzern verzichten.

Gemäß § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) haben die Garagennutzer bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 die hälftigen und ab dem 1. Januar 2023 die vollständigen Kosten bei Abbruch des Bauwerks zu tragen. Mit der Beschlussfassung wird daher in Abkehr dieser klaren gesetzlichen Regelung eine vollständige Übernahme der Abbruchkosten durch die Stadt Halle (Saale) als Grundstückseigentümerin festgelegt.

Dies widerspricht dem kommunalverfassungsrechtlichen Gebot des § 98 Abs. 2 KVG LSA, dass die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu führen ist. Wirtschaftlich ist ein Verhalten, wenn der Erfolg zu den unmittelbaren und mittelbaren Aufwendungen in einem guten Verhältnis steht. Ein wirtschaftliches Verhalten bedarf daher einer Betrachtung und Gegenüberstellung der möglichen (qualitativen und bzw. oder quantitativen) Varianten unter Berücksichtigung der Zielsetzung. Je günstiger das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen ist, desto wirtschaftlicher ist eine Maßnahme. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gibt somit vor, die Aufwendungen im Hinblick auf den zu erreichenden Zweck so gering wie möglich zu halten.

Mit der vorliegend beschlossenen Maßnahme Abschluss eines neuen Nutzungsvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren und vollständiger Verzicht auf die Abriss- und Beräumungskosten sind keinerlei Nutzen bzw. sonstige Vorteile für die Stadt Halle (Saale) verbunden. Damit handelt es sich im Ergebnis um eine ausschließlich mit Nachteilen für die Stadt Halle (Saale) verbundene Maßnahme, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbar ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Falle einer möglichen späteren Investition der Investor gegebenenfalls die Abriss- und Beräumungskosten mit übernimmt. Bauliche Anlagen verfügen per se nur über eine begrenzte Nutzungsdauer. Unter Berücksichtigung der seit Jahrzehnten bestehenden Garagenanlagen ist das Risiko, dass die Stadt Halle (Saale) bei einer nicht mehr gegebenen Nutzbarkeit Abrisskosten zu tragen hat, naheliegend.

Ausweislich der beigefügten Stellungnahme der kommunalen Bewertungsstelle würden die Abriss- und Beräumungskosten nach Ende der Vertragslaufzeit für die vom Beschluss umfassten Garagenanlagen 6,43 Millionen Euro betragen.

Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt hat mit Bescheid vom 18. Januar 2019 darüber hinaus angeordnet, dass die Stadt Halle (Saale) bis zum 30. September 2019 ein Haushaltskonsolidierungskonzept zu beschließen hat, welches eine schrittweise Rückführung des Höchstbetrages der Liquiditätskredite bis zur Genehmigungsgrenze des § 110 Abs. 2 KVG LSA aufzeigt. Zur Begründung hat es ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das die Stadt als „finanzarm“ einzustufen ist und große Risiken für die zukünftige Haushaltsführung bestehen. Auch vor diesem Hintergrund ist daher der Stadtratsbeschluss zu beanstanden.

Der Beschluss des Stadtrates zur Garagengrundstücksnutzung von Garagengemeinschaften in der Stadt Halle (Saale) ist daher nach Auffassung des Oberbürgermeisters rechtswidrig gemäß § 65 Abs. 3 S. 1 KVG LSA und darüber hinaus aus den vorgenannten Gründen auch nachteilig (§ 65 Abs. 3 S. 2 KVG LSA).

Dem Stadtrat in der Mehrheitsentscheidung ist diese Rechtslage bewusst. Mehrfach hat der Fachbereich Recht in verschiedenen Ausschüssen darauf hingewiesen.

Die Intention des Antrages der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Halle (Saale) und der mehrheitlichen Beschlussfassung des Stadtrates ist deshalb vor dem Hintergrund der am 26. Mai 2019 anstehenden Kommunalwahl ausschließlich als politisch motiviert zu bewerten.

Die Stadtverwaltung möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sie stets dafür plädiert hat, die bestehenden Nutzungsverträge – wie bereits seit Jahren bei vielen Garagengemeinschaften einvernehmlich und erfolgreich praktiziert – ohne Änderungen gemäß § 545 BGB fortzusetzen.

(Stadt Halle)