Vom 1.-3. Oktober 2009 wird die Arbeitsgemeinschaft zur preußischen Geschichte e.V. zu ihrer Jahrestagung in den Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) zusammen kommen. Im stadtweiten kulturellen Themenjahr "Arbeitswelten" beschäftigen sich die Wissenschaftler mit dem Thema der Sozialfürsorge in Preußen. Thema und Ort sind nicht zufällig gewählt, hatten doch die halleschen Pietisten neue Impulse im Bereich der Sozialfürsorge gesetzt. Die Almosenordnung für Glaucha von August Hermann Francke war Vorlage für jene Armenordnung gewesen, die der preußische König für die gesamte Stadt Halle in Kraft setzte. Stadtbekannt war die kostenfreie Abgabe von Medikamenten aus der Waisenhausapotheke an Bedürftige. Auswärtige und städtische Arme suchten zudem die 'Armensprechstunde' in den Glauchschen Anstalten auf. In der Mitte des 18. Jahrhunderts fanden hier pro Monat 1.000 Patienten Hilfe und Aufklärung, wobei es das erklärte Ziel war, die Ursache von Armut durch die Wiederherstellung der Gesundheit und der Arbeitsfähigkeit zu bekämpfen. Und selbstverständlich lässt sich eine Verbindungslinie vom pietistischen Halleschen Waisenhaus ins 19. Jahrhundert zu den Rettungshäusern von Johannes Daniel Falk in Weimar und von hier aus bis zum 'Rauhen Haus' von Johann Hinrich Wichern in Hamburg ziehen.
Die Arbeitsgemeinschaft zur preußischen Geschichte e.V. bemüht sich seit über 30 Jahren um ein kritisches Verständnis der Geschichte Preußens. Der Verein betrachtet es als seine Aufgabe, Forschungen sowie deren Vermittlung in Schule und Öffentlichkeit anzuregen und zu fördern. Zu dem dreitägigen Programm in Halle werden neben dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Prof. Dr. Bernd Sösemann von der Freien Universität Berlin Wissenschaftler aus ganz Deutschland erwartet.
Anlässlich der Tagung zeigt die Bürgerstiftung Halle vom 29. September bis 11. Oktober 2009 ihre Ausstellung "Stifter für Halle. 900 Jahre Stiftungsgeschichte in Halle" auf der Konferenzetage im Historischen Waisenhaus. Mehr als 100 Stiftungen muss es in Halle noch bis 1933 gegeben haben. Etwa 60 Stiftungen wurden von der Bürgerstiftung Halle 2005 recherchiert, die älteste aus dem Jahre 1116. Auf 20 Tafeln zeigt die Ausstellung eine Auswahl wieder entdeckter, vergessener sowie noch heute existierender Stiftungen. Darunter das Neuwerkstift, das im Jahre 1116 gegründet wurde und vermutlich den Beginn einer langen Stiftungsgeschichte in Halle markiert.
Tagungsprogramm auf Seite 2:
[pagebreak]
»Von der Policey zur Polizei.Armut, Fürsorge, Ordnung in Preußen (16. – 20. Jh.)«
Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft zur preußischen Geschichte e.V.
Donnerstag, 1. Oktober 2009
15.30 Uhr Eröffnung der Tagung
Dr. Thomas Müller-Bahlke (Direktor der Franckeschen Stiftungen zu Halle)
Prof. Dr. Bernd Sösemann (FU Berlin, Vorsitzender des AGP)
16.00 Uhr Eröffnungsvortrag
Prof. Dr. em. Peter Baumgart (Universität Würzburg)
Ansätze zu einer Sozialpolitik in Brandenburg-Preußen (16. bis 18. Jahrhundert)
anschließend
Führung durch die Franckeschen Stiftungen, die Ausstellung »Waisenhäuser in der Frühen Neuzeit« sowie die Kunst- und Naturalienkammer
18.30 Uhr
»Kaminabend«
Dr. Thomas Müller-Bahlke
Das Archiv der Franckeschen Stiftungen als Ort der Preußenforschung: Quellen zur preußischen Geschichte in den hallischen Beständen
Freitag, 2. Oktober 2009
9.00 Uhr
Dr. Astrid Blome (Universität Bremen)
Tue Gutes und schreibe darüber – Armenfürsorge und "gute Policey" in der frühneuzeitlichen Lokalpresse
10.00 Uhr
Dr. Claus Veltmann (Franckesche Stiftungen zu Halle)
August Hermann Francke als Sozialreformer
11.30 Uhr
PD Dr. Michael Sikora (Universität Münster)
Desertionsforschung, eine Bilanz
14. 00 Uhr
PD Dr. Holger Zaunstöck (Franckesche Stiftungen zu Halle)
Ein anderer Weg in die Moderne: Von der Guten Policey zur Denunziation in der Praxis der preußischen Disziplinarpolitik
15. 00 Uhr
Prof. Dr. Ewald Frie (Universität Trier)
Armut und Armenpolitik vom 18. -20. Jh. Preußen im europäischen Vergleich
16.30 Uhr Mitgliederversammlung der AGP
18.30 Uhr Stadtspaziergang mit Ralf Jacob (Leiter des Stadtarchivs Halle)
»Das preußische Halle«
Samstag, 3. Oktober 2009
9.00 Uhr
Dr. Désirée Schauz (TU München)
Straffälligenfürsorge in Preußen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
10.00 Uhr
Dr. Jürgen W. Schmidt (Oranienburg)
Die kommunale Polizei der preußischen Klein- und Mittelstädte von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
11.30 Uhr
Dr. Christian Ostersehlte (Bremen)
Die Wasserschutz- und Hafenpolizei in Preußen im 19. Jahrhundert
12.30 Uhr
Dr. Eberhard Grünert (Ludwigsfelde)
Baupolizei in Preußen im 19. Jahrhundert
13.30 Uhr Zusammenfassung und Abschluss der Tagung durch Prof. Bernd Sösemann