OB verletzt Amtspflicht zu staatlicher Neutralität in Zeiten des Wahlkampfs

von 21. Mai 2019

Das Gebot der freien Wahl aus Art. 20 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz verlangt, dass der Wähler in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung ohne jede unzulässige Beeinflussung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite zu einer Wahlentscheidung kommen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat aufgrund dessen entschieden, dass es Staatsorganen, dazu gehört auch ein Oberbürgermeister, von Verfassungswegen untersagt ist, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen (BVerfGE 44, 125,141). Das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz werde ebenfalls verletzt, wenn Staatsorgane als solche Partei ergreifen zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken.

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt, dass ein Parteiergreifen und das Einwirken von Staatsorganen in die Wahlen zur Volksvertretung demzufolge auch nicht in Form von Öffentlichkeitsarbeit zulässig sind. Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung findet dort ihre Grenze, wo die Wahlwerbung beginne. Daraus folgt für die heiße Phase der Vorwahlzeit das Gebot äußerster Zurückhaltung und das Verbot jeglicher mit Haushaltsmitteln betriebener Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeitsberichten, Leistungsberichten und Erfolgsberichten. Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze der freien Wahl ergibt sich für Landes- und Kommunalwahlen aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz.

Der Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand handelt hier in seiner Funktion als Amtsperson zugunsten des Vereins Hauptsache Halle und verletzt nicht zuletzt aufgrund seines Agierens zugunsten von Frau Manuela Hinniger seine Neutralitätspflicht. Dabei verletzt er zugleich auch das Recht auf Chancengleichheit aller Parteien und Wählergruppierungen bei der Kommunalwahl am 26.05.2019.

Dies gilt ganz besonders vor dem Hintergrund, dass der Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand ausweislich des Protokoll-Entwurfs über die außerordentliche Aufsichtsratssitzung vom 09.05.2019, der den FREIEN WÄHLERN Halle (Saale) vorliegt, an mehreren Stellen betont hat, dass er die Kündigung und Freistellung mit sofortiger Wirkung durch den Geschäftsführer der EVG GmbH für eine „Angelegenheit … von politischer Bedeutung und somit eine politische Angelegenheit“ hält. Aufgrund dessen stellt es erst Recht eine politische Angelegenheit und einen politisch relevanten Vorgang dar, wenn im Anschluss daran durch den Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand Frau Hinniger zur ehrenamtlichen Wirtschaftsbeauftragten der Stadt Halle (Saale) ernannt wird. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass vier der fünf vom Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand benannten Botschafter und Beauftragten der Stadt Halle (Saale) Mitglieder seiner Wählervereinigung Hauptsache Halle sind.

FREIE WÄHLER Halle (Saale)