Stelldichein der Verleger

von 24. Februar 2009

(Ralf Julke) Jedes Jahr, so ein, zwei Wochen vor der Leipziger Buchmesse, ist Stelldichein im Haus des Buches in Leipzig. Dann lädt der Landesverband des Börsenvereins ein, gibt eine aktuelle Lageeinschätzung – und reisefreudige Verleger stellen die neuesten Bücher vor. Diesmal gab's eine öffentliche Rüge.

Ganz sanftmütig formuliert von Wilfried Bengsch, Buchhändler aus Halberstadt und Vorsitzender des Landesverbandes des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Ein langer Name mit nun 183jähriger Tradition. Begründet in Leipzig. Die Verleger und Buchhändler aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich in einem Landesverband zusammengeschlossen. Auf den Begriff Mitteldeutschland haben sie noch verzichtet, auch wenn die Region selbst im Gedruckten ein einheitlicher Wirtschaftsraum ist.

Nur in Ämtern und diversen Pressebüros hat sich das noch nicht herumgesprochen. Sie schicken ihre Pioniere jedes Jahr aufs Neue auf die Suche nach den großen alten Namen: Reclam, Knaur, Insel, Brockhaus …

Und weil der Börsenverein die Presse immer kurz vor der Buchmesse einlädt, ist auch fast jedes Mal die Presse Thema. Meist eine Geschichte über den Niedergang der gastgebenden Buchstadt Leipzig. Der Anlass für den Grabgessang war diesmal der Verkauf des Bibliographische Institutes zum Jahresende 2008. Demnächst soll die Leipziger Dependance des Insel-Verlages folgen. Noch größer war das Lamento über die Schließung der Franz-Mehring-Buchhandlung am Augustusplatz in Leipzig. Ganz so, als klebte die Stadt noch immer an den alten Namen, als müssten Verleger noch wallende Bärte tragen und falsche Filialpolitik mit Kundentreue belohnt werden.

Da sind die Leser im Drei-Land längst in anderen Welten. Doch Lamento verkauft sich immer gut.

Dabei sprechen alle Zahlen eine andere Sprache: Die Zahl der Verlage in Mitteldeutschland wächst. Waren 1989 ganze 47 Verlage in Mitteldeutschland ansässig – und etliche davon mit uralten Namen, waren es 1994 mit der neuen Pressefreiheit schon 139, zehn Jahre später 247. Und zum 21. Dezember 2008 wurden in den drei Bundesländern 315 Verlage gezählt, davon 180 in Sachsen, 88 in Thüringen und 47 in Sachsen-Anhalt.

Was auch zum Ergebnis hat: Die Mehrheiten im Börsenverein haben sich verändert. Hatten vor vier Jahren noch die Buchhändler die Mehrheit, sind es heute die Verlage. Und sie werden hörbar rebellisch, wenn ihr Metier grundlos in Asche geredet wird.

32 Verlage aus den drei Ländern stellten sich am Dienstag, 24. Februar, mit ihren Frühjahrsnovitäten vor. Im Ergebnis an die 150 Titel, die erst einmal gelesen werden wollen. Vom satirischen Rückblick über die letzten 19 Jahre von Matthias Biskupek aus dem Thüringer Sutton Verlag über die Bücher aus dem in Leipzig frisch gegründeten Klett Kinderbuchverlag bis zum 3-Kilo-Wälzer "Halle" mit 500 Fotos aus dem Hasenverlag, alle entstanden auf einer 7-Tage-Expedition durch Halle.

Nicht ohne Grund trifft man sich zu so einer Vor-Schau in Leipzig. Viele der rührigen Verleger haben hier ihre Wurzeln, haben hier eine Ausbildung hinter sich. Und kennen ihr Geschäft besser als die meisten Buchkritiker. Sie produzieren mit viel Fingerspitzengefühl für regionale Märkte und "Nischen". Oft schneller als die Global Player.

"Und man sieht doch, dass sie es mit einem hohen Qualitätsanspruch tun", sagt Christa Winkelmann, Geschäftsführerin des Leipziger BuchVerlags für die Frau. Ihr gemeinsames Problem aber: Wie schafft man es mit seinen Titeln in die Sortimentsbuchhandlungen? Denn der Verdrängungswettbewerb im Handel hat vor allem die kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen vom Markt gefegt. Das Versandgeschäft im Internet hat die Proportionen weiter verschoben.

Der Trost: Die Leser in der Bundesrepublik kaufen trotzdem Bücher. Die Umsätze sind – zumindest bis 2007 – nicht eingebrochen. Die Zahl der Neuerscheinungen ist sogar deutlich gestiegen. Nur irgendwie gilt Leipzig nach wie vor als alte deutsche Eiche, an der man sich reiben muss. Jedes Frühjahr aufs neue. Warum werden in dieser Stadt überhaupt noch Bücher hergestellt?

1.114 verschiedene Titel waren es, die 2007 in Leipzig erschienen. Verglichen mit dieser Zahl war die Buchproduktion 1991 geradezu eingebrochen. Damals kamen in Leipzig nur 293 Titel heraus. Schon das ein deutlicher Hinweis darauf, wieviel da nach 1990 alles neu entstanden ist. Auch wenn der mitteldeutsche Raum keine Chance hat, auch nur ansatzweise mit Berlin und München und Stuttgart zu konkurrieren, wo die großen Taschenbuchverlage zu Hause sind.

Selbst in Halle (Saale) wurden 2007 wieder 368 Titel verlegt. Rund 140 Verlage aus dem mitteldeutschen Raum präsentieren sich auf der Buchmesse. Und die findet vom 12. bis 15. März auf dem Leipziger Messegelände statt.